Stuttgart/München. Panikmache und Hysterie gab es schon lang. Aber jetzt, kurz vor Beginn des G7-Gipfels, übertreffen die so genannten Sicherheitsbehörden sich selbst. Mit dem Hinweis auf Heiligendamm oder Blockupy treten sie Grundrechte von Zehntausenden mit Füßen. An deren Stelle setzen sie Drohgebärden und Stacheldrahtzaun. Wer dermaßen überreagiert, macht lächerlich, was er zu schützen vorgibt – und sorgt selbst erst für Chaos und Gewalt. Jetzt wurde es dem Verwaltungsgericht München offenbar zu bunt. Es hat am Dienstag das von der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen erlassene Verbot eines Protestcamps aufgehoben.
Die Behörden haben den Süden der Republik in den Ausnahmezustand versetzt. An die 25 000 Polizeibeamte, viele von ihnen martialisch gerüstet, sollen bei dem Gipfel im Einsatz sein. Vor Ort wurden Gullydeckel verschweißt, jeder Stein umgedreht, jede womöglich als Wurfgeschoss geeignete Balkonpflanze entfernt.
Auf den Autobahnraststätten lagern Uniformierte. Touristen werden angehalten und gefilzt. Sammellager wurden eingerichtet und RichterInnen abkommandiert. Es gibt wieder Grenzkontrollen. Aus Nordrhein-Westfalen, aber auch aus Stuttgart wird von so genannten „Gefährderansprachen“ berichtet: Da knöpft sich die Polizei präventiv Leute vor, die sich angeblich schon mal irgendwo und irgendwie verdächtig gemacht haben. Die Polizei Ulm und die Polizei Göppingen sollen versucht haben, das Busunternehmen einzuschüchtern, das Stuttgarter DemonstrantInnen am Mittwoch nach Garmisch-Partenkirchen bringt. Es ist unwahrscheinlich, dass das nur Einzelfälle sind.
Beleidigung jedes Menschenverstands
Die bayerische Polizei spricht stolz vom größten Einsatz ihrer Geschichte. Politik und Behörden spielen Hand in Hand. Kein Vorwand ist zu fadenscheinig, kein Argument zu billig, um die G7-GegnerInnen in Elmau an ihrem Demonstrationsrecht zu hindern. Vieles, was Behördenvertreter so von sich geben, klingt nach purem Hohn oder ist eine Beleidigung für jeden klar denkenden Menschen.
Etwa wenn der Münchner Polizeivizepräsident Robert Kopp bei einer Pressekonferenz behauptet, alle friedlichen DemonstrantInnen seien willkommen. Oder wenn das Landratsamt G7-GegnerInnen in Klais statt eines Sternmarschs eine Demo-Route von gerade mal 40 Metern genehmigt. Wenn Bürgermeister schon im Vorfeld nahegelegt bekommen, Grundstückseigner zu ächten, die bereit sind, ihre Felder an DemonstrantInnen gegen G7 zu verpachten. Oder wenn Landwirten amtlicherseits empfohlen wird, auf ihren Flächen Gülle auszubringen.
Angebliche Hochwassergefahr klang nach Kommödienstadl
Die Idee, ein Protestcamp wegen Hochwassergefahr zu verbieten, klang ohnehin nach Kommödienstadl und geht garantiert als Klassiker in die Geschichte der Behördenwillkür ein. Da kann man sich so richtig vorstellen, wie sie sich im Rathaus von Garmisch-Partenkirchen gar nicht mehr einkriegen konnten und die Hände vor Vergnügen auf die Krachledernen patschten, als irgendeinem Verwaltungs-Käpsele die göttliche Eingebung kam. Bloß dumm, dass die Meteorologen eher weiß-blauen Himmel und so gar keinen Dauerregen bis zum Wochenende erwarten. Da schritt denn auch das Verwaltungsgericht München ein und ließ das Protestcamp zu. Man wird sehen, ob sein Urteil Bestand hat.
Und wozu die Repression gegen die G7-Geger? Wozu Kosten von bis zu 360 Millionen Euro für den Gipfel? Werden die versammelten Staatschefs in ihrer längst vorformulierten Abschlussnote Hilfreiches gegen Hunger, Armut und Unterdrückung beschließen? Gegen das Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer, gegen die weltweiten Kriege, gegen den Klimawandel, für Abrüstung, zur Ukraine? Natürlich nicht. Aber es wird schöne Fotos mit Kanzlerin und Alpenkulisse vor Schloss Elmau geben.
Etappensieg vor dem Verwaltungsgericht
Von denen lassen sich aber immer weniger Menschen blenden. Sie wissen: Staatschefs, die sich unter solch massivem Polizeischutz treffen, haben nichts mit ihnen gemein. Und schon gar nicht machen sie Politik zu ihren Gunsten. Demokratie und Rechtsstaat werden zum Lippenbekenntnis, wenn es um die Durchsetzung ihrer Interessen geht.
Die Berliner Schriftstellerin Kathrin Gerlof spricht in einem Kommentar im „nd“ bitter von einem Bürgerkrieg. Die Regierung mit der Kanzlerin an der Spitze führt ihn einträchtig zusammen mit bayerischen Behörden gegen Bürgerinnen und Bürger, die ihre demokratischen Grundrechte in Anspruch nehmen wollen. Nun erzielten sie vor Gericht wenigstens einen Etappensieg.
Folge uns!