Kommentar von Alfred Denzinger – Waiblingen. Der (die) Storch fliegt die ganze Zeit in ganz Deutschland umher. Landet mal da, mal dort. Am 20. Juli landete er (sie) in Waiblingen. Stolzierte dort nach der Landung schnurstracks ins Bürgerzentrum. Dort warten die Storch-Fans auf das bekannte „Storchen-Geschnatter“. Diese Meldung wäre es eigentlich nicht wert geschrieben zu werden. Aber der Beitrag der Waiblinger Kreiszeitung zu diesem Auftritt bewog mich dann doch, darüber zu schreiben. Denn er ist nicht der einzige seiner Art. Und manchmal betrifft das Ergebnis eines – sagen wir mal – ziemlich merkwürdigen Verständnisses von Journalismus auch die Beobachter News und ihren Chefredakteur. Also mich selbst.
Es geht um einen Wahlkampfauftritt von Beatrix von Storch. Die AfD Rems-Murr lud unter dem Motto „In Sorge um unser Land“ zum Wahlkampfgedöns ein.
Die Schreiberin der Waiblinger Kreiszeitung verfasste statt eines Berichts einen Beitrag in Briefform, der an Beatrix von Storch gerichtet war. Darin führte die Verfasserin unter anderem aus, dass „auch die Jungs von der linken Truppe“ da waren. Es seien „so ungefähr drei“ gewesen. Es wird das Geheimnis der Schreiberin bleiben, was sie mit der Frage „Liebe Jungs, vor allem Du mit dem Antifa-T-Shirt – warum seid Ihr eigentlich immer so reflex-pubertär?“ meinte. Und die Anspielungen auf den Propagandaminister der NSDAP, einen der schlimmsten Kriegsverbrecher der Nazis, zeugte auch nicht wirklich von klarem Verstand. Oder wie soll diese Frage zu verstehen sein: „Was soll das Gepöbel, das Goebbels-Geschnarre?“ Um dann weiter zu fragen: „Habt Ihr denn nicht mehr zu sagen?“
Ich möchte den journalistischen Inhalt dieses Ausflusses mal herausziehen: Es waren drei linke Protestierende bei der Von-Storch-Veranstaltung vor der Halle, die neonazistisch gepöbelt haben sollen.
Was war wirklich los vor dem Bürgerzentrum?
Vor der Halle versammelten sich 15 (fünfzehn) Menschen, die gegen die AfD-Veranstaltung demonstrierten. Kurz nach 19 Uhr stellten sie sich am Eingang des Bürgerzentrums auf und protestierten lautstark. Die Polizei versuchte, die AfD-GegnerInnen zum Weggehen zu bewegen. Sie blieben allerdings unbeeindruckt stehen und ließen sich von der Polizei nicht vertreiben. Es wurden Parolen skandiert wie zum Beispiel „hoch die internationale Solidarität“ und „Solidarität heißt Widerstand, Kampf dem Faschismus in jedem Land“. Darüber hinaus wurde eine Rede gehalten, die hier nachgelesen werden kann.
Ich könnte das jetzt einfach als oberflächlichen Sesseljournalismus abtun. Es wäre auch durchaus denkbar, dass es sich um einen solchen handelt, wäre da nicht auch ein roter Faden, der sich durch die Berichterstattung der Waiblinger Kreiszeitung zieht. Allzu gern übernehmen KollegInnen aus deren Redaktion einfach die Pressemitteilung der Polizei. Es war auch schon zu beobachten, dass die Berichterstattung einfach vor dem eigentlichen Ende der Ereignisse abbricht. Offensichtlich ist der Feierabend oder der Redaktionsschluss wichtiger als eine umfassende Berichterstattung. Teilweise berichten auch Journalistenkollegen über den Ablauf von Demonstrationen, die beim betreffenden Ereignis gar nicht vor Ort waren. Aus journalistischer Sicht bedenklich.
Was versteht man bei der Waiblinger Kreiszeitung unter Journalismus? Zwei weitere Beispiele
Am 19. Juni berichtete die Waiblinger Kreiszeitung unter der Rubrik „Rems-Murr Rundschau“, eine rechtsgerichtete Gruppe namens „Fellbach hilft“ hätte am Freitag zu einer Demonstration aufgerufen. Dieser rechten Kundgebung sollten 175 GegendemonstrantInnen der „Antifa Stuttgart“ gegenüber gestanden haben. Rund 100 Polizisten hätten für Ruhe gesorgt.
Wie war es tatsächlich?
Die Demonstration war nicht am Freitag, sondern am Samstag, 17. Juni. Es handelte sich nicht um die rechte Gruppierung „Fellbach hilft“, sondern um die bereits mehrfach aufgetretene rechtsradikale, rassistische Truppe „Fellbach wehrt sich“. An der Gegenkundgebung beteiligten sich 200 Menschen. Zu dieser Kundgebung hatte nicht die „Antifa Stuttgart“ aufgerufen, sondern das Bündnis Zusammen gegen Rechts–Rems-Murr. Eine Gruppierung namens „Antifa Stuttgart“ ist nicht existent. Die vier Neonazis wurden vor dem Fellbacher Rathaus von 140 Polizisten beschützt. Auch vier Polizeipferde und mehrere Polizeihunde waren im Einsatz. Siehe hierzu „Neonazi-Vierer-Bande macht sich im Taxi aus dem Staub„.
Am 11. Juli berichtete die Waiblinger Kreiszeitung über JournalistInnen, die in Hamburg an der Ausübung ihrer Tätigkeit durch das Bundespresse- und das Bundeskriminalamt gehindert wurden. Bereits am Anfang des Berichts war über den Chefredakteur der Beobachter News Alfred Denzinger, also über mich, zu lesen: „An seiner Person und seinen Aktivitäten scheiden sich die Geister. Im Polizeipräsidium Aalen sieht man ihn salopp gesagt als linken Krawallmacher, der rechtsradikale Umtriebe aufbausche, Polizisten bei Demos provoziere und zu übertrieben riesigen Gegenprotesten mit aufrufe, wenn sich ein allenfalls kümmerliches Häufchen von deutschtümelnden Wutbürgern in Fellbach trifft.“
Das ist kein Journalismus, das ist Hetze!
Auf die Frage an den Schreiber des Beitrags, wer denn sein Gesprächspartner im Polizeipräsidium Aalen gewesen sei, kam die Antwort „Schweigepflicht“. Vermutlich wollte er sich auf den Informantenschutz berufen. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder das Gespräch mit dem Polizeibeamten ist frei erfunden, oder in den Reihen der Polizei gibt es Leute, denen unsere Berichterstattung über ihre Einsätze ein großer Dorn im Auge ist. Beide Varianten sind eine miserable journalistische Grundlage. Eine derartige „Berichterstattung“ grenzt an verleumderische Hetze. Auch ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz ist nicht auszuschließen.
Eine Anfrage beim Polizeipräsidenten Roland Eisele nach seiner Bewertung des Vorgangs und dem möglichen Auskunftgeber aus seiner Behörde führte nun dazu, dass sich die Staatsanwaltschaft mit der Sache beschäftigen wird.
Soviel zum Journalismus der Waiblinger Kreiszeitung.
Ich könnte natürlich weitere Beispiele aufzählen. Im Moment will ich darauf aber verzichten.
Fortsetzung nicht ausgeschlossen!
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