Von Franziska Stier – Basel. Mit Blick auf die türkischen Parlamentswahlen am 24. Juni organisierte ein Bündnis aus SYKP (Partei der sozialistischen Wiedergründung) und BastA! (Basels starke Alternative) am Samstag, 2. Juni, eine Demonstration in Basel. Die RednerInnen thematisierten nicht nur die anstehenden Wahlen, sondern auch den Zusammenhang von Faschismus und Frauenverachtung, deren schlimmster Ausdruck der Feminizid (Frauenmord) ist.
Am 24. Juni steht für die progressiven türkischen Kräfte viel auf dem Spiel, denn mit den Wahlen treten die Verfassungsänderungen des Referendums von 2017 in Kraft. Das Amt des Ministerpräsidenten wird damit abgeschafft und der Präsident erhält umfassendere Zugriffe auf das Justizsystem.
Die AktivistInnen (vorwiegend Frauen) befürchten mit dieser Wahl eine zunehmende Faschisierung der Türkei, verbunden mit Islamisierung und massiven Einschränkungen der Frauenrechte. „Seit 16 Jahren bemüht sich die AKP, den Faschismus zu institutionalisieren – und sie haben es fast geschafft“, lautet die Analyse der SYKP, einer Mitgliedspartei der HDP.
Journalisten leben in Angst
Auch das Mediensystem sei mittlerweile zu einem Propagandaapparat der AKP verfallen. „Viele JournalistInnen wurden inhaftiert oder leben in Angst“, berichtet eine Aktivistin. Die Situation ist für fortschrittliche Kräfte in der Türkei verfahren.
Die HDP scheint aktuell die einzige Partei, die an der Seite der inhaftierten JournalistInnen, der entlassenen AkademikerInnen, der KurdInnen und der Frauen streitet. Auf dieser Demonstration verspricht man sich wenig Wandel von dem „Bündnis der Nation“, zu der auch die kemalistisch-sozialdemokratische Partei gehört. Es tritt ebenfalls für die Abwahl Erdogans an.
Aktionen in Europa sind wichtig
Der Präsidentschaftskandidat der HDP Selahattin Demirtaş sitzt noch immer in Haft. Viele Wahllokale im Osten der Türkei wurden zusammengelegt, sodass weite Fahrten in Kauf genommen werden müssen, um zu wählen. „Wir brauchen die Solidarität aus jedem Winkel der Erde, um den Menschen in der Türkei Mut zuzusprechen, weiter zu kämpfen“, sagte Mitorganisatorin Seyhan Karakuyu.
„Lauf Erdogan, lauf – die Frauen kommen“
Im Zentrum der Demonstration stand die Situation der Frauen. „In 16 Jahren AKP-Regierung ist die Gewalt an Frauen um 1400 Prozent gestiegen“, berichtete eine Rednerin der SYKP auf dem Marktplatz. Gleichzeitig ist Misogynie (Frauenfeindlichkeit) kein türkisches Phänomen, sondern steht auf der Agenda aller konservativ-nationalistischen Parteien. So schlugen viele Redebeiträge eine Brücke zu internationalen Bewegungen.
Die Situation der Frauen in Polen aber auch die irische Abstimmung zum Abtreibungsverbot wurden aufgegriffen. Basta! Co-Präsidentin Tonja Zürcher thematisierte häusliche Gewalt in der Schweiz. Bis 1992 gab es den Straftatbestand der Vergewaltigung innerhalb der Ehe nicht. Und auch heute noch würden Gewalttaten an Frauen medial häufig beschönigt, indem Feminizide als „Familien-„oder „Beziehungsdramen“ bezeichnet werden.
Nicht nur individuelles Fehlverhalten
Die Kommunistische Jugend griff Gewalt an Frauen in Form eines Gedichts grundlegender auf: Sie sei nicht Konsequenz von individuellem (männlichem) Fehlverhalten, sondern mit Ausbeutungsmechanismen des Kapitalismus eng verwoben. Sie erstrecke sich von Gratisarbeit als Haus- und Sorgearbeit sowie innerfamiliären Abhängigkeiten über Reproduktionspolitiken, also die Fremdbestimmung der Staaten über weibliche Körper, bis hin zu klassisch misogynen Sichtweisen und Frauenverachtung im Alltag. Doch das Gedicht der Kommunistischen Jugend endet offensiv:
„Für unsere Revolution bedarf es Marx und feministischer Munition.
Mit unserem Freiheitsstreben bringen wir die Welt zum beben.“
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