Stuttgart. Jüdinnen und Juden wurden ihres Besitzes beraubt, zur Auswanderung gezwungen, in den Selbstmord getrieben, in Konzentrationslager verschleppt und in den Gaskammern ermordet. Das Pogrom war Teil der Vorbereitung auf die planmäßige Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas im Rahmen des Eroberungs- und Vernichtungskrieges, mit dem die Nazis die Welt überzogen. Das Bündnis zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht in Cannstatt lädt zur 10. Gedenkveranstaltung an die Opfer der Pogromnacht in Cannstatt ein.
Die Kundgebung findet am Samstag, 9. November, um 18 Uhr am Platz der ehemaligen Synagoge in Bad Cannstatt in der König-Karl-Straße 45-47 statt. Im Anschluss gibt es im Bezirksrathaus (Am Marktplatz 10) eine Lesung und Konzertveranstaltung mit der Shoa-Überlebenden Esther Bejarano und der Rapband Microphon Mafia.
Am Abend des 9. November 1938 stürmten gut organisierte SA- und SS-Truppen hunderte Synagogen, tausende Geschäfte und Wohnungen und setzten sie in Brand. Zehntausende wurden von SS und Gestapo verhaftet, über 100 ermordet.
Vom Killesberg ins KZ
Die Synagoge in Cannstatt wurde von Feuerwehrleuten und einigen Nazis angezündet. Eine Cannstatterin erinnert sich an die jüdischen Geschwister Buxbaum in der Zieglergasse 1: „Ich war zufällig Augenzeuge, als Anhänger der SA in Uniform mit Spitzhacken die Fenster des Metzgerladens zertrümmerten. Es war grausam! Danach waren beide Buxbaums verschollen.“ Sie trauten sich nicht mehr an die Öffentlichkeit.
Am 1. Dezember 1941 erfolgte die erste Deportation von circa 1000 württembergischen Jüdinnen und Juden vom Killesberg ins KZ Riga-Jungfernhof. Den größten Teil von ihnen erschossen die Faschisten umgehend in einem Wäldchen in der Nähe Rigas.
Von den 261 Jüdinnen und Juden, die 1933 in Cannstatt wohnten, wurde am 1. März 1943 als letzter Cannstatter Dr. Ernst Reichenberger nach Auschwitz deportiert, wo er ums Leben kam. Mehr als 100 jüdische BewohnerInnen Cannstatts wurden Opfer der faschistischen „Endlösung“.
Die Gedenkreden werden gehalten von:
Martin Poguntke, Pfarrer i.R. und „Dipl.-Päd.“
Sidar Carman, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi Stuttgart,
EinE VertreterIn des Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region (AABS)
Moderation: Joe Bauer (Autor und Betreiber des Flaneursalons)
Kulturprogramm: Freier Chor Stuttgart mit jüdischen und antifaschistischen Liedern
Im Anschluss um 19.30 Uhr im Verwaltungsgebäude des Bezirksrathauses Bad Cannstatt, Am Marktplatz 10:
Lesung und Konzertveranstaltung mit der Shoa-Überlebenden
Esther Bejarano und der Rapband Microphon Mafia.
Esther Bejarano wurde 1924 als Tochter jüdischer Eltern in Saarlouis geboren. Bereits mit 10 Jahren bekam sie die ersten Repressionen der deutschen Faschisten zu spüren. 1941 musste sie als Zwangsarbeiterin in einem Fleurop-Blumenladen arbeiten, im gleichen Jahr ermordeten die Nazis ihre Eltern. Zwei Jahre später wurde sie nach Auschwitz deportiert, wo sie im Mädchenorchester spielen musste. Am 3. Mai 1945 erlebte sie in Lübz die Befreiung durch US-amerikanische Truppen.
Esther Bejarano engagiert sich bis heute gegen Krieg und Faschismus, zum Beispiel in Schulen, wo sie über das Grauen und die Hintergründe des Faschismus berichtet. Gemeinsam mit dem Rapper Kutlu tritt sie seit über 10 Jahren auf über 600 Konzerten auf. Ihr Programm ist vielseitig: Lieder in jiddischer Sprache, die in den Ghettos und KZs entstanden sind, treffen auf Stücke von Brecht oder Hikmet; die Texte werden im Original vorgetragen, sei dies jiddisch, hebräisch, latino, russisch, romanes, türkisch, griechisch, englisch, spanisch oder italienisch. Damit drücken sie ihr Verständnis von Völkerfreundschaft und -verständigung aus.
Bejarano wird auch aus ihrem Buch „Erinnerungen – vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen rechts“ lesen.
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