Göppingen. Wasserwerfer, Räumfahrzeug und Gefangenentransporter drohend im Hintergrund, Schlagstock und Pfefferspray jederzeit griffbereit: 1700 Landes- und über 500 Bundespolizisten setzten am 12. Oktober in Göppingen durch, dass 141 Neonazis der so genannten „Autonomen Nationalisten“, der „Jungen Nationaldemokraten“ und der NPD unbehelligt vom Bahnhof zum Schillerplatz marschieren konnten. Unter ihnen waren Neonazis aus dem direkten NSU-Umfeld wie Karl-Heinz Statzberger. Die Polizeieinheiten, zu denen auch Pferde- und Hundestaffeln gehörten, wandten massive Gewalt gegen Nazi-GegnerInnen an.
Von der im Vorfeld per Pressemitteilung angekündigten „absoluten Neutralität“ konnte keine Rede sein. Stattdessen machte die Polizei ihre Ankündigung wahr, Nazi-GegnerInnen nicht wie angeblich im Vorjahr „mit Samthandschuhen“ anzufassen. 500 DemonstrantInnen gegen den Aufmarsch wurden vorübergehend festgesetzt und bis zu sieben Stunden festgehalten. Betroffene kündigten dagegen Klagen an, so etwa ein Ulmer Anwalt. Es gab mindestens vier Polizeikessel. Die Neonazis verstanden das rigide Vorgehen der Polizei gegen ihre verhassten GegnerInnen als freundliche Einladung und meldeten weitere jährliche Aufmärsche auf dem Göppinger Marktplatz bis zum Jahr 2020 an.
Sieben Polizisten und 150 DemonstrantInnen verletzt
Die Polizei behinderte Pressevertreter zum Teil massiv bei ihrer Arbeit. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in Verdi und der Deutsche Journalisten Verband DJV protestierten dagegen, dass BerichterstatterInnen in Kesseln festgehalten oder sonst in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Chris Kühn kam trotz seines Parlamentsausweises nicht durch die Absperrungen. Viele in Gewahrsam Genommene kritisierten unzumutbare Zustände im Gefangenentransporter und auf der Polizeiwache. Einige konnten noch nicht einmal Kontakt zu Angehörigen oder einem Anwalt aufnehmen.
- Festnahme am 12. Oktober 2013 in Göppingen
Die offenbar von vornherein auf Krawall gebürstete Polizei sprach später von sieben „durch Angriffe linksextremer Gewalttäter“ verletzten Beamten. Es sollen Flaschen und Steine geflogen sein, wovon die BerichterstatterInnen der Beobachter News jedoch nichts mitbekamen. Sehr wohl hingegen von massiven Übergriffen der Polizei, die sich mangels Kennzeichnung jedoch nicht einzelnen Beamten zuordnen lassen. Das Bündnis „Nazis stoppen!“ zählte 150 zum Teil schwer verletzte GegendemonstrantInnen, unter ihnen mindestens sieben mit Kopfplatzwunden und fünf mit Verdacht auf Knochenbrüche etwa an den Händen. 64 von ihnen mussten sich von Demosanitätern behandeln lassen. Eine 15-Jährige erlitt einen Asthma-Anfall, nachdem sie Pfefferspray eingeatmet hatte. In einem anderen Fall bestand Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma. Mehrere Verletzte erlitten stumpfe Gewalt gegen Brustkorb und Bauch.
- … NazigegnerInnen um.
Gleisbesetzung hält Neonazis auf
Trotz des rigiden Polizeieinsatzes gelangten am frühen Nachmittag etwa 400 der über 1500 GegendemonstrantInnen von der Burgstraße oberhalb der Sperrzone durch die Lorcher Straße aufs Bahngleis. Die Gleisbesetzung verzögerte die Ankunft von Zügen mit Neonazis um rund anderthalb Stunden. Die Route des Aufmarschs musste wegen der entschlossenen Proteste um ein gutes Drittel gekürzt werden. Zuvor hatten brennende Reifen auf den Schienen den Bahnverkehr zwischen Reichenbach und Göppingen vorübergehend lahm gelegt. Der Zug der Neonazis fuhr außerdem mit zum Teil eingeschlagenen oder eingeworfenen Fenstern in Göppingen ein.
Der Morgen in Göppingen
Die Göppinger Innenstadt glich am 12. Oktober schon am frühen Morgen einem Hochsicherheitstrakt. Die Polizei hatte die Zufahrtswege weiträumig abgesperrt und machte immer mehr Straßen im Zentrum mit Hamburger Gittern dicht. Selbst Ortskundige taten sich schwer, zum Marktplatz zu gelangen. Dort spielte zunächst noch ein Bläserensemble für die wenigen KundInnen zum Einkauf. Die MarkthändlerInnen mussten bereits um 10.30 Uhr ihre Stände räumen. AnwohnerInnen, die sich über Absperrungen beschwerten, erfuhren rasch, wer aus Sicht der Sicherheitsbehörden die Störenfriede waren: „Das liegt nicht an den Rechten, sondern an den Linken. Die machen Ärger“, sagte ein Polizist. Auf die Frage nach Umwegen zu in der Innenstadt gelegenen Zielen konnten die Beamten in der Regel keine Auskunft geben. „Wir sind nicht von hier und kennen uns nicht aus“, hieß es immer wieder.
Spaltung schon im Vorfeld
Die Gleichsetzung von „Rechts- und Linksextremisten“ und die Warnung vor linken DemonstrantInnen zog sich schon in den Vortagen durch die Verlautbarungen des Vereins „Kreis Göppingen nazifrei“ und des Göppinger Oberbürgermeisters Guido Till. So etwa bei einer städtischen Veranstaltung am Vorabend. Till rief die Bevölkerung dazu auf, das Stadtzentrum am 12. Oktober zu meiden. Das dürfte neben anfänglichem Nieselregen und kühler Witterung dazu beigetragen haben, dass eine um 11 Uhr beginnende Kundgebung des Bündnisses „Kreis Göppingen nazifrei“ eher schwach besucht war. Auch an den Ständen der vom Verein ausgerufenen „Straße der Demokratie“ fern vom Aufmarschgelände der Neonazis herrschte wenig Andrang. Der Sprecher des Bündnisses, Axel Maier, hatte im Vorfeld eine Morddrohung erhalten. Dennoch wurde auch am Tag des Nazi-Aufmarschs die Spaltung weiter propagiert –so etwa bei der Kundgebung auf dem Markplatz: „Wir werden heute hier den Neonazis unseren lauten, kreativen und vor allem friedlichen Protest entgegen setzen. Wir werden keine gewalttätigen Demonstrationen dulden, egal auf welcher Seite“, hieß es in einem Redebeitrag. Den ganzen Tag kreisten Hubschrauber über Bahnhof und Innenstadt. Ihre lauten Rotoren erzeugten das unüberhörbare Hintergrundgeräusch für spontane Kundgebungen und Demonstrationen in Richtung Aufmarschgelände, die stets an einer Polizeiabsperrung, wenn nicht in einem Kessel endeten. Eine Trommelgruppe begleitete die Demonstrierenden. Am Eingang der „Straße der Demokratie“ wurden gegen 9:45 Uhr 19 junge AntifaschistInnen von Polizeieinheiten ohne erkennbaren Grund festgehalten. Sie kamen erst eine gute halbe Stunde später frei, nachdem die Polizei ihre Personalien festgestellt hatte und sie – ohne Rechtsgrundlage – in aller Öffentlichkeit den Inhalt ihrer Taschen und Rucksäcke hatten vorzeigen müssen. Eine ältere Frau, die Zeugin der Polizeiaktion geworden war, versuchte verbal einzugreifen – ohne Erfolg. Als Witwe eines im KZ Ermordeten mochte sie die grundlosen Durchsuchungen von Nazi-GegnerInnen nicht hinnehmen.
Antifaschistische Kundgebungen
Um dieselbe Zeit versammelten sich rund 150 junge AntifaschistInnen an der Ecke Geislinger Straße/Schützenstraße, dem einzigen für das Bündnis „Nazis stoppen!“ zugelassenen Kundgebungsort.
- Protest gegen den Naziaufmarsch in Göppingen 2013
Zwei weitere geplante Kundgebungen am nördlichen und westlichen Rand des Zentrums waren verboten worden. Die Versorger hatten am genehmigten Versammlungsort eine Volksküche eingerichtet. Doch auch dort versuchte die Polizei – vor allem mit dicht an die Demonstrierenden heran gerittenen Pferden – die 150 Nazi-GegnerInnen einzuschüchtern. Die Beamten riefen per Lautsprecher „zu friedlichen Mitteln“ auf und äußerten den AntifaschistInnen gegenüber „Verständnis für Ihr Anliegen“. Doch das erwies sich als leeres Gerede. Ein Teil der antifaschistischen Gruppe hatte sich schon um 9 Uhr mit einer informativen Wandzeitung und allgemeinem Material am Infostand vor der Post beim Bahnhof versammelt. Die Kundgebung der Gruppe begann um 10 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz mit knapp über 100 TeilnehmerInnen. Ein paar kurze und zwei längere Redebeiträge sowie Musik rundeten die Veranstaltung ab, die um 11 Uhr endete. Bis zum Eintreffen der Neonazis gab es immer wieder Versuche von AntifaschistInnen, zur genehmigten Demoroute vorzudringen, und Einkesselungen durch die Polizei. So etwa in der Schlossstraße beim „Alten Kasten“, dem städtischen Archiv. Dort vertrieb die Polizei 60 bis 70 Demonstranten mit massivem Einsatz von Pfefferspray aus einem Durchgang. Auch ein Fotograf der Beobachter News wurde getroffen. Die Eingekesselten wurden stundenlang festgehalten.
Polizeikessel in der Marktstraße
Auch unterhalb des Partnerschaftsbrunnens gab es einen Polizeikessel. Dort in der Marktstraße wurde um 12.20 Uhr eine Gruppe friedlicher Antifaschisten mit massiver Polizeigewalt festgehalten und zum Teil verletzt. Von beiden Seiten drängten Polizeieinheiten, schoben die Menschen gewaltsam aufeinander und direkt in die Schlagstöcke. Eine junge Frau, die etwa zwei Minuten nach dem Faustschlag eines Beamten regungslos am Boden lag, wurde nach lautstarken Protesten der Eingekesselten von zwei Demobegleitern und Polizisten aus dem Kessel gebracht. Sie hatte eine starke Kopfverletzung davongetragen und wurde von herbeigerufenen Demosanitätern vor Ort erstversorgt. Als eine Stunde später Antifaschisten und Antifaschistinnen zwischen dem Kessel und dem Partnerschaftsbrunnen, mit Parolen an die Beamten wie „bleibt friedlich“ und „Hört auf, gewalttätig zu sein, ihr Bullen“ die Freilassung der Eingekesselten forderten, ritten Beamte mit vier Pferden in die friedliche Menge und drängten Demonstrierende in Richtung Brunnen ab. Eine berittene Beamtin erhob ihre Reitgerte gegen die Nazi-GegnerInnen.
Um 13.30 trafen die Uniformierten erste Vorbereitungen, und um zirka 13.40 Uhr fuhren Fahrzeuge aus Richtung Osten von der Bahnhofstraße in die Marktstraße ein. Die Polizei begann erst ab zirka 15 Uhr mit erkennungsdienstlichen Behandlungen und Ermittlungen. Der Kessel wurde von Uniformierten bis gegen 19 Uhr unter massiver Polizeigewalt aufrechterhalten. Die Eingekesselten konnten während der gesamten Zeit weder zur Toilette gehen, noch erhielten sie etwas zu trinken. Dennoch wandten die Aktivisten keinerlei Gewalt gegenüber den Beamten an, sondern skandierten lediglich laut ihre Forderungen. „Lasst die Leute frei“ gehörte zu den Parolen jener Aktivisten und Aktivistinnen, die bis zur Polizeiwache vordrangen. Dort war die Gefangenen-Sammelstelle für die Festgenommenen. Ein Teil von ihnen wurde in Gefangenentransportern weggebracht. Gegen 17 Uhr bestand der Kessel in der Markstraße unterhalb des Partnerschaftsbrunnens immer noch. Zwei junge Frauen hatten Kopfplatzwunden erlitten. Die eine wurde gleich zu Anfang aus dem Kessel hinausgeführt – in Begleitung eines Arztes, der ebenfalls im Kessel war. Ihre Wunde wurde dann im Krankenhaus versorgt. Ein junger Mann hatte ebenfalls durch einen Schlagstock eine Platzwunde oberhalb der Augenbraue erlitten. Er weigerte sich, seine Verletzung von mit der Polizei zusammenarbeitenden Rettungskräften behandeln zu lassen. Ein Polizist wollte eine verletzte junge Frau an einer Wand festhalten, schleuderte sie dabei jedoch gegen einen Zigarettenautomaten. Erst gegen 19 Uhr löste die Polizei den Kessel nach fast sechs Stunden auf, wobei jeder einzelne seine Personalien feststellen und sich durchsuchen lassen musste, ehe er noch einen Platzverweis erhielt. Eingekesselte klagten, dass sie während der ganzen Zeit –und das heißt: bis zu sieben Stunden – weder zur Toilette gehen konnten noch Essen oder Getränke erhielten. HelferInnen, die ihnen von außen Wasser reichen wollten, wurden massiv daran gehindert – und zum Teil mit der offenbar unzutreffenden Behauptung ruhig gestellt, die Eingekesselten würden versorgt. Stattdessen waren sie sogar gezwungen, im Kessel eine Wand an einer Kneipe hinter Transparenten als Sichtschutz als Toilette zu benutzen.
Nazis marschieren dank Polizei
Zwischen 12.30 Uhr und 15 Uhr trafen die Neonazis ein. Pressevertreter hatten sich von 12 Uhr an am Bahnhofsvorplatz gesammelt, um gemeinsam leichter den Sperrbereich betreten zu können. Die Polizei ließ die Journalisten jedoch erst nach unzähligen Anfragen und langem Drängen um 14 Uhr mit Pressebegleitern in den Sperrbereich. Zu dieser Zeit waren zirka 85 Nazis am abgesperrten Platz, und die Journalisten konnten ungehindert Aufnahmen machen. Neben diesem Bereich gab der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till ein Interview. Die restlichen Nazis trafen um 14.40 Uhr auf dem Bahnhofsparkplatz ein. Sie waren von Faurndau über die Faurndauer Straße und die Jebenhäuser Brücke dorthin gelaufen. Die Polizei unterzog die Nazis bei ihrer Ankunft einer Leibesvisitation. Um 14.55 Uhr wurde die Kundgebung eröffnet, vier Redner sprachen. Dabei vermummten sich die Nazis zum Teil, und es wurden sechs Transparente gezeigt. Gegen 15.30 Uhr formieren sich die Nazis zu einem Zug. Er wurde von zirka 180 Polizisten zum Schillerplatz begleitet. Die Nazis skandierten lautstark Parolen. Ein himmelblauer VW Golf aus dem Landkreis Aichach-Friedberg diente ihnen als Lautsprecherfahrzeug. Auf der verkürzten Strecke waren die Straßen mit Sichtschutz versehen und die Einmündungen mit quer stehenden Einsatzfahrzeugen und zusätzlichen Beamten gesichert. Die Anwohner der Grabenstraße und der Schiller-Straße schenkten dem Naziaufmarsch keine Beachtung. Die Polizei führte die Nazis durch leere Gassen und Straßen mit geschlossenen Fenstern und Türen. Im Bereich der Gaststätte Storchen war eine kleine Gruppe von Gegendemonstranten zu sehen. Auf dem Schillerplatz konnten die Nazis – umringt von Polizeibeamten – ihre Kundgebung abhalten. Die Polizei hatte am Rand zwei Wasserwerfer zur Sicherung platziert. Nach zirka 50 Minuten brachten die Beamten die Nazis auf derselben Route wieder zum Bahnhofsparkplatz zurück. Sie hielten eine Abschlusskundgebung ab und wurden nach einer weiteren halben Stunde in Gruppen von Polizisten zu den Zügen begleitet. Die Abreise der Nazis verlief ohne größere Zwischenfälle. Sie wurde auf dem Bahnhofsvorplatz von mehrere Reihen von Bundespolizisten gesichert, während Gegendemonstranten – von Trommlern unterstützt – Parolen wie „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ oder „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“ skandierten. Wie alle anderen antifaschistischen Aktionen wurde auch diese von der Polizei gefilmt.
Fazit des Bündnisses „Nazis stoppen!“
„Wir sind angetreten, den Naziaufmarsch zu verhindern. Das haben wir nicht geschafft“, so das Fazit Tim Schmidts, des Pressesprechers des Bündnisses „Nazis stoppen!“. Allerdings sei als Teilerfolg zu werten, dass der Naziaufmarsch verspätet begann und nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit ablief, dass er wenig attraktiv für die Neonazi-Szene gewesen sein dürfte und die Route verkürzt werden musste. Politisch stelle sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit, wenn die Polizei mehr GegendemonstrantInnen in Gewahrsam nahm, als Neonazis aufmarschierten. Schmidt hofft, dass der Verein „Kreis Göppingen nazifrei“ beim nächsten Mal zu einem kritisch-solidarischen Verhältnis zu Blockaden findet. Er ist überzeugt: „Wenn der politische Wille da ist, lässt sich ein Naziaufmarsch verhindern.“
Das Geschehen in Stichworten Bahnhofsvorplatz:
Die GöppingerInnen hätten am Bahnhof die Chance gehabt, die Nazis um 12 Uhr lautstark in Empfang zu nehmen. Als Anreisetipp geschickt getarnt, warnte der Verein „Kreis Göppingen nazifrei“ jedoch vor dem Aufsuchen des Bahnhofs. Der vom THW aufgebaute Sichtschirm am Bahnhofsvorplatz tat sein Übriges, so dass DemonstrantInnen wieder abzogen, da keine Nazis zu sehen waren. Dennoch gab es über den Tag verteilt immer wieder lauten Protest am Bahnhofsvorplatz gegen die sich sammelnden Nazis hinter dem Sichtschutz.
Grundrecht:
Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wurde vorsätzlich mit Füßen getreten. Die Stadt Göppingen verbat zwei antifaschistische Kundgebungen und verlegte eine dritte zu einem Versammlungsort abseits der Route der Neonazis. Die angemeldete Demo der Antifaschistischen Gruppe wurde so von der Stadt geändert und gekürzt, dass die erteilten Auflagen gegen mehrere Punkte der Grundrechte verstießen. Die erfolgreiche Klage der antifaschistischen Gruppe gegen die Verstöße des Ordnungsamts hatte zur Folge, dass das Ordnungsamt diese Auflagen fallen lassen musste. Die Polizei filmte und fotografierte ohne ersichtlichen Grund den ganzen Tag über friedliche VersammlungsteilnehmerInnen ab.
Ausschreitungen:
Die Polizei ging GegendemonstrantInnen massiv an. Allein die Demosanitäter zählten 64 PatientInnen. In 49 Fällen wurden sie wegen des Einsatzes von Pfefferspray zu Hilfe gerufen, wobei es auch zu einem Asthma-Anfall kam. In fünf Fällen bestand Verdacht auf eine Fraktur, dreimal klagten Verletzte über stumpfe Gewalt an Brustkorb und Bauch, in sieben Fällen mussten die Sanitäter Kopfplatzwunden behandeln. Insgesamt zählte das Bündnis „Nazis stoppen!“ 150 Verletzte. Die Polizei hatte nicht nur massiv Pfefferspray eingesetzt, sondern auch mit Schlagstöcken agiert und war mit Pferden bedrohlich in die Menschenmenge hineingeritten. Mehrere Polizisten verweigerten nach Gewalttätigkeiten die Angabe ihres Namens und der Dienstnummer.
Kesselung:
Das willkürliche Festsetzen von Menschen in so genannten Polizeikesseln war neben direkter Gewaltanwendung die bevorzugte Taktik der Polizei. Die eingekesselten DemonstrantInnen verbrachten bis zu sieben Stunden im Kessel und anschließend auf der Wache. Dass es dabei jeden treffen konnte, zeigte auch wieder eine Einkesselung der Grünen Jugend. Alle erhielten Platzverweise. Pressefreiheit: Die Beamten nahmen keine Rücksicht, PressevertreterInnen wurden in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und mehrfach angegangen – auch mit Pfefferspray – und abgedrängt. Auch PressefotografInnen wurden an der Berichterstattung gehindert. Zwei Fotografen der Beobachter News wurde der Zugang zum Bahnhofsbereich verweigert. Nur nach massivem Protest und der Ankündigung von juristischen Konsequenzen wurde letztendlich der Zugang doch gewährt. Es kam mehrfach zu polizeilichen Handgreiflichkeiten gegen Pressefotografen.
Stadt:
Die Aussage von Oberbürgermeister Guido Till, an diesem Samstag solle jeder Bürger und jede Bürgerin sich genau überlegen, in die Innenstadt zu kommen, erzeugte Angst und hielt viele Göppinger und Göppingerinnen davon ab, gegen den Aufmarsch der Neonazis zu protestieren und sich ihnen in den Weg zu stellen. Auch die Abgrenzung des Vereins „Kreis Göppingen nazifrei“ gegen das Bündnis „Nazis stoppen!“, das auch zu friedlichen Blockaden aufrief, erwies sich als hinderlich für einen effektiven Protest.
Neonazis:
Die Polizei zählte 141 in Göppingen aufmarschierende Neonazis. Sie kamen aus Baden-Württemberg, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern. Unter ihnen waren nach Berichten der „Schorndorfer Nachrichten“ und von „Sonntag aktuell“ der Münchner Karl-Heinz Statzberger aus dem NSU-Umfeld. Als Redner trat neben anderen Roland Wuttke auf, der in Verdacht steht, mit dem Oslo-Attentäter Anders Breivik vernetzt zu sein. Ein Redner aus Griechenland gilt als Mitglied der „Goldenen Morgenröte“, die des Mordes an dem antifaschistischen Rapper Pavlos Fyssas verdächtigt wird.
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