Sinsheim. Die Polizei war mit starken Kräften vertreten, hielt sich aber zurück: Über 300 Menschen demonstrierten am Samstag in Sinsheim gegen Rassismus und Neonazis. Die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschistinnen (VVN/BdA) und das Bündnis für Toleranz Sinsheim hatten unter dem Motto „Für eine Welt ohne Ausgrenzung und Menschenverachtung“ dazu aufgerufen. Die Aktion richtete sich vor allem gegen Nazi-Strukturen und faschistische Aktivitäten in Sinsheim und dem Kraichgau.
Dem Bericht der „Rhein-Neckar-Zeitung“ zufolge waren die Sinsheimer unter den Demonstrierenden „relativ dünn gesät“. Sie hätten sich überwiegend auf Vertreter von Kirchen und politisch-sozialen Gruppen wie Grünen, SPD, DGB und einzelner Jugendgruppen beschränkt. So hätten „Demonstranten von auswärts“ das Bild bestimmt, etwa der „lautstarke Antifa-Block“, zu dem die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) parallel zum Bündnis aufgerufen hatte.
Vor Beginn der Kundgebung wurde der Auflagenbescheid der Stadt Sinsheim bekanntgegeben. Das sachliche Verlesen des Inhalts des Auflagenbescheids sorgte für eine gewissen Erheiterung der Anwesenden. „Kommentare, Überzeichnungen, Ironie und Spott sind zu unterlassen. (…) Die Ordner dürfen nicht unter dem Einfluss berauschender Mittel stehen. Sie dürfen keine Funktion als sogenannte Einpeitscher ausüben und haben Provokationen (…) durch Gesten und Parolen zu unterlassen.“ Auf die weitere Auflistung des Inhalts wird an dieser Stelle verzichtet. Wir werden den Auflagenbescheid zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen.
Bei der Auftaktkundgebung sprachen Jochen Dürr, Landesvorsitzender der VVN/BdA, und der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Funk. Jochen Dürr ging auf die Ungereimtheiten bei den Ermittlungen zur Nazi-Terrorgruppe NSU ein und thematisierte die zwielichtige Rolle des Verfassungsschutzes. Die VVN/BdA fordert seit Ende Januar mit einer Unterschriftenkampagne einen parlamentarischen NSU–Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag. „Mit einem Untersuchungsausschuss ist Schluss mit dem Kurs der Kaschierung und Vernebelung der intensiven Kontakte des Inlandsgeheimdienstes mit den Nazistrukturen in Baden-Württemberg“, sagte Dürr.
Der Demonstrationszug bewegte sich anschließend – angeführt von einem Bündnis-Block mit Fahnen verschiedener Organisationen – durch die Sinsheimer Innenstadt. Die Polizei wurde vom Versammlungsleiter mehrfach aufgefordert, ihr rechtswidriges Abfilmen und Abfotografieren der Demonstrationsteilnehmer umgehend zu unterlassen. Stefan Seitz, Stadtrat der Grünen, ging bei einer Zwischenkundgebung auf die Arbeit des Bündnisses für Toleranz Sinsheim und seine Schwierigkeiten vor Ort ein. Das Bündnis hatte sich vor einigen Jahren gegründet, weil Aktivitäten von Neonazis im Kraichgau zunahmen. Es organisiert seither unter anderem Aktionen gegen Nazi-Kundgebungen. Im Mittelpunkt der Bündnis-Arbeit steht aber auch die Bildungs- und Kulturarbeit. So wird bei Veranstaltungen immer wieder über die Nazi-Szene informiert.
In einem zweiten Redebeitrag thematisierte ein Heidelberger Antirassist die unerträgliche Situation im Sinsheimer Auffanglager für Geflüchtete. Die Menschen müssten dort in heruntergekommenen Baracken und Containern leben.
Eine weitere Zwischenkundgebung gab es am Synagogenplatz. Dort erinnert eine Gedenkstätte an die Pogrome der Nazis von 1938 und die Deportation der Sinsheimer Jüdinnen und Juden ins KZ Gurs.
Bei der Abschlusskundgebung betonte eine Vertreterin des DGB Nordbaden die Bedeutung des antifaschistischen Kampfs für die Gewerkschaften. Die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) thematisierte abschließend die Nazi-Aktivitäten und -Strukturen im Kraichgau. Dabei übte sie auch Kritik am Sinsheimer Oberbürgermeister und am Gemeinderat. Ihnen warf die AIHD Unfähigkeit und Untätigkeit im Kampf gegen Rechts vor.
Clara Grube, Sprecherin der AIHD, wertete die Demonstration im Anschluss als vollen Erfolg. Die Aktion habe „ein deutliches Zeichen gegen rassistische Hetze und Nazi-Strukturen“ setzen können. Man wolle nun daran anknüpfen und im Kraichgau nicht locker lassen.
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