Wieder einmal steht ein prominenter Politiker, eine der wichtigsten Figuren des Bundeskabinetts, wegen eines absurden historischen Vergleichs in der Kritik: Wladimir Putin agiere auf der Krim wie einst Adolf Hitler im Sudentenland, soll Wolfgang Schäuble am Montagmorgen in seinem Ministerium vor Schülern gesagt haben. Die Nazis gaben 1938 vor, sie müssten in tschechoslowakische Randgebiete einmarschieren, um dort lebende Deutsche zu schützen. Sie haben dieses verlogene Rechtfertigungsmuster jedoch nicht erfunden: Es ist aus der Kriegsgeschichte hinlänglich bekannt und tausende von Jahren alt.
Schäubles Vergleich zwischen dem autokratischen Putin und dem Massenmörder Hitler ist dermaßen schräg, dass sich die Kanzlerin eilfertig distanzierte. Sie hat schließlich auch so genügend diplomatische Verwicklungen in der Krim-Krise am Hals. Die Bevölkerung Deutschlands steht mehrheitlich nicht hinter dem Säbelrasseln der USA und der EU – ganz im Gegensatz zu den willfährigen Kommentatoren der meisten Massenmedien. Da kann sich Angela Merkel nicht auch noch von ihrem Finanzminister Knüppel zwischen die Beine werfen lassen.
Was aber trieb Wolfgang Schäuble zu seinem leichtfertigen Vergleich? Als altem Haudegen mit über vier Jahrzehnten Bundestags-Erfahrung muss ihm klar gewesen sein, welche Wellen sein Gerede schlagen würde. Eigentlich müsste sich der CDU-Mann noch daran erinnern, wie es seiner alten SPD-Rivalin Herta Däubler-Gmelin erging. Die damalige Bundesjustizministerin löste 2002 mit einem Hitler-Bush-Vergleich kurz vor der Bundestagswahl einen Proteststurm aus und verlor ihr Amt.
Anders als George W. Bush scheint Wladimir Putin hierzulande jedoch Freiwild zu sein. Hillary Clinton und Julia Timoschenko watschten den – selbstverständlich absolut kritikwürdig agierenden – russischen Präsidenten schon auf ähnlich verächtliche Weise ab, ohne dass es nennenswerte Konsequenzen für sie hatte. Davon durfte sich Schäuble zu seiner Polemik ermutigt fühlen.
Vergleiche historischer Situationen hinken jedoch so gut wie immer – und solche mit dem Hitler-Faschismus erst recht. Sie verharmlosen die Verbrechen des Nazi-Regimes. Gegenüber Russland sind sie angesichts von Millionen Todesopfern in der Sowjetunion im von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg besonders geschmacklos.
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