„Von Stuttgart geht eine Bewegung aus, eine Bewegung gegen den
Gender-Unfug“, hieß es in einem Grußwort der Organisation „Agens“. Die Forderung fand am Samstagnachmittag auf dem Stuttgarter Markplatz großen Anklang. Dort hatten sich auf Einladung eines Aktionsbündnisses „Elternrecht wahren“ nach Polizeiangaben rund 600 Bildungsplan-Gegner versammelt, um
gegen eine angeblich drohende „Frühsexualisierung“ von Kindern zu demonstrieren. Um die Veranstaltung zu ermöglichen, bot die Polizei 500 Beamtinnen und Beamte auf – rund 100 mehr als bei der Demonstration am 1. März.
Die Parolen waren ähnlich wie bei den beiden vorausgegangenen Demonstrationen gegen den geplanten neuen baden- württembergischen Bildungsplan. „Kuscheln, fühlen, Doktorspiele, Vorprogramm für Pädophile“ war auf einem Transparent zu lesen, „Stoppt die sexuelle Überrumpelung von Schülerinnen durch Schüler“ auf einem anderen. „Kinder brauchen Liebe, keinen Sex“ wurde immer wieder skandiert. Die Veranstalter ließen rosarote und hellblaue Luftballons an die vielen Kinder verteilen, die Eltern zu der
Kundgebung mitgebracht hatten. Die Luftballons prägten zusammen mit ebenfalls rosaroten und hellblauen Schildern „Demo für alle“ das Bild auf dem Marktplatz.
Die Initiatoren sprachen von einer „wachsenden gesellschaftlichen Bewegung“, die für die „natürliche Familie“ und die Rechte von Eltern stehe. Gabriele Kuby, Verfasserin der Broschüre „Gender – eine neue Ideologie zerstört die Familie“, sprach von einer Steigerung der Teilnehmerzahl „um viele hundert Prozent“ gegenüber der vorausgegangenen Demonstration. Weitere Redner kamen von der rechtspopulistischen AfD und der AUF-Partei, aber auch aus der Schweiz und vom Bündnis „Manif pour tous“ aus Paris.
Peter Hauk, Fraktions-Chef der Landtags-CDU, und Hans-Ulrich Rülke (FDP) hatten Grußworte geschickt. Dem Aktionsbündnis gehörte auch der Evangelische Arbeitskreis der CDU-Kreisverbände Heilbronn, Rems-Murr und Stuttgart an.
Von den bei der Demonstration eingesetzten Ordnern waren einige auch schon bei NPD-Kundgebungen aufgefallen.
Die Polizei hatte frühzeitig die Zugänge zum Marktplatz mit so genannten Hamburger Gittern gesperrt. So gelangten nur einzelne Gegendemonstranten auf den Platz vor dem Rathaus – unter ihnen einige mit schwarzen Schildern, auf denen in Violett „Pro Homo“ stand. Mit Parolen wie „Keine Liebe ist illegitim“ oder „Wie kann man nur hassen, dass Menschen sich lieben“ stellten sie sich am Rand des Marktplatzes auf. Die Linksjugend Solid protestierte mit einem Kiss-In am Schlossplatz.
Unter starkem Polizeischutz setzte sich die Demonstration in Richtung Eberhardstraße in Bewegung – angeführt von Polizeireitern (insgesamt setzte die Polizei am Samstag 14 Pferde ein). Ihnen folgten ein Einsatzfahrzeug der Polizei, eine Kette von Polizisten, die Spitze der Demonstration mit einem Transparent „Elternrecht wahren“, eine Kette von Ordnern und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration selbst. Sie zogen über die Markt-, Konrad-Adenauer-, Paulinen-, Theodor-Heuss- und Bolzstraße zum
Staatstheater.
Durch Blockaden und zum Teil kreative Aktionen kam es immer wieder zu Verzögerungen. Am Rand der Demonstrationsroute wurden Schilder gezeigt – so etwa „Mama, Papa, fünf Kinder, Kehrwoche, kein Hirn“ oder „Homophobie ist heilbar“. Am Staatstheater löste sich die Versammlung nach Redebeiträgen auf.
Im Vorfeld und am Rande der Demonstration nahm die Polizei nach eigenen Angaben zehn Personen aus der linken Szene fest – so etwa einen der beiden Mitfahrer im Wagen mit dem Material zu einem für 12 Uhr angemeldeten Infopoint am Stauffenbergplatz. Die Polizei will die zehn Festgenommenen auf Fotos und Videos als Straftäter nach Paragraph 21 a (Störung von Versammlungen) in Zusammenhang mit der letzten Bildungsplan-Versammlung am 1. März 2014 als mutmaßliche Täter wiedererkannt haben.
Der Demonstrationszug der Bildungsplan-Gegner wurde auf seinem Weg zum Staatstheater mehrmals aufgehalten. Wegen einer Sitzblockade auf der Kreuzung Tor-/ Eberhard-/Steinstraße leitete die Polizei den Demonstrationszug über die Paulinenbrücke zum Rotebühlplatz um. Die Beamten nahmen 55 Personen dieser Sitzblockade ab 15.45 Uhr in Gewahrsam und brachten sie ins Polizeipräsidium.
Auf der Rotebühlstraße versuchten auf Höhe des Finanzamtes zirka 100 Gegendemonstranten erneut den Demonstrationszug zu blockieren. Die Polizei löste die Blockade wie alle anderen mit Gewalt, aber ohne massiven Einsatz von Waffen wie Schlagstock und Pfefferspray auf und nahm zehn Demonstrantinnen und Demonstranten, die sie ebenfalls dem linken Spektrum zuordnet, vorläufig fest. Sie wurden ebenfalls in Polizeigewahrsam genommen.
Nach Polizeiangaben wurden Teilnehmer der Demonstration gegen den neuen Bildungsplan und Polizeibeamte auf Höhe der Konrad-Adenauer-Straße / Marktstraße mit einer Flasche und vereinzelt auch mit Tomaten beworfen.
Bei mehreren mutmaßlichen Gegnern der Bildungsplan-Demo, die von Reutlingen und Tübingen nach Stuttgart fuhren, beschlagnahmte die Polizei mehrere Holzstöcke und ein Taschenmesser. Gegen 18 Uhr endete die Demonstration am Staatstheater. Die Teilnehmer wanderten ab.
Im Verlauf des Geschehens wurden darüber hinaus nach Polizeiangaben weitere fünf Personen wegen des Verdachts des Widerstands gegen Polizeibeamte und eine Person wegen Sachbeschädigung an einem Polizeifahrzeug angezeigt. Der oder die Angezeigte soll versucht haben, das Einsatzfahrzeug zu stoppen. Er oder sie lief auf den Wagen zu und stieß dabei gegen seine Front.
Bilder des Tages (Eine weitere Fotogalerie folgt am Montag!)
- Infopoint der ProtestiererInnen auf dem Karlsplatz
- Dem ist nichts hinzuzufügen
- Eva Muszar, Landessprecherin Grüne Jugend Baden-Württemberg, unter den ProtestiererInnen
- …
- Protest auf dem Marktplatz
- Der Schwätzer
- Der Seher und Filmer
- „Personenkontrolle“ auf dem Marktplatz
- …
- Protesttransparente auf dem Marktplatz
- Wirre Aussagen
- Sven Fichtner, Kreisvorstandsmitglied DIE LINKE Stuttgart
- ohne Worte
- Protest am Demozug
- Verdrehtes Faschismusbild
- Protest auf dem Marktplatz
- Flagge der ultrarechten „Identitäre Bewegung“
- …
- Fragt sich nur, wer hier pervers ist
- ohne Worte
- Selbst Kinder wurden zu Propagandazwecken eingesetzt
- Die Demo setzt sich in Bewegung
- Ohne Polizeischutz „no way“ für homophobe Menschen in Stuttgart
- Kurz nach dem Demostart
- Am Rande der Demo
- Die Demospitze
- Protestierer am Demozug
- Starker Polizeischutz für Bildungsplangegner
- Die erste Sitzblockade auf der Demoroute
- Sitzblockade am Tagblatt-Turm
- Überzogene Härte gegen Protestierer
- Sitzblockade kurz vor dem Rotebühlplatz
- Festnahme eines Gegendemonstranten
- Hart gegen Protestierer
- Polizei treibt GegendemonstrantInnen vor sich her
- „Fesselkünstler“ bei der Arbeit
- Hartes Vergehen gegen Protestierer
- Ist hier die Verhältnismäßigkeit gewahrt?
- Festnahme einer Gegendemonstrantin
- AntifaschistInnen am Rande der Demo
- Klare Ansage
- Protest am Rande der Demonstration
- Kurz vor dem Ende der Demonstration
- Nach der Pressebehinderung beleidigt der Polizist den Fotografen
- Platzverweis wegen angeblicher Beleidigung
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