Die Entwicklung in der Ukraine und die von Stuttgart aus gesteuerten Drohnen-Angriffe in Afrika standen im Mittelpunkt des Ostermarschs durch Stuttgart am Samstagnachmittag. Rund 1500 Demonstrantinnen und Demonstranten beteiligten sich.
Der Demo-Zug von der Lautenschlager Straße zum Schlossplatz wurde von einer Trommelgruppe begleitet. Bei der Abschlusskundgebung machte die Band „Einheizfront“ Musik, und das Offene Treffen gegen Krieg und Militarisierung in Stuttgart (OTKM) spielte Theater.
Die Kommandozentrale Africom der US-Streitkräfte steuert von Möhringen aus den Einsatz von Kampfdrohnen in Afrika. Erst am Morgen hatte es Berichte über 18 Todesopfer eines Drohnen-Angriffs im Jemen gegeben, empörte sich die Bundestagsabgeordnete der Linken Heike Hänsel bei der Abschlusskundgebung: „Das ist ein Verbrechen.“ Die Kommandozentrale Africom müsse aufgelöst werden. Sowohl der Stuttgarter Gemeinderat als auch der Landtag von Baden-Württemberg und Ministerpräsident Winfried Kretschmann sollten das fordern.
In Stuttgart beginnt auch der Frieden
Am Ostermarsch in Stuttgart hätten sich schon Zehntausende, aber auch nur einige hundert beteiligt, sagte Hänsel. 100 Jahre nach Beginn des 1. Weltkriegs, 75 Jahre nach Beginn des 2. Weltkriegs und 15 Jahre nach dem Angriff auf Jugoslawien – „alles brutale Kriege, die von Deutschland ausgingen“ – laute auch 2014 die zentrale Botschaft des Ostermarschs „Nie wieder Krieg von deutschem Boden aus.“ Die Friedensbewegung lebe von ihrem langen Atem, betonte Hänsel: „Hier beginnt nicht nur der Krieg, hier beginnt auch der Frieden.“
Im Ukraine-Konflikt kritisierte die Abgeordnete „eine Politik der Eskalation, der Militarisierung, des Wahnsinns. Wir wollen nicht zurück zum Kalten Krieg und zur Konfrontation, wir wollen Deeskalation“. Die Gesellschaft Kultur des Friedens fordere eine verantwortliche und friedliche Außenpolitik, die Konflikte diplomatisch entschärfe. Sie rufe zu einem Dialog der Bevölkerungen auf. Scharf kritisierte Hänsel die Berichterstattung der Medien, vornehmlich der öffentlich-rechtlichen. Sie sprach von Propaganda und Desinformation. Nach wie vor gelte für sie auch die Forderung, die Nato aufzulösen, sagte die Abgeordnete: „Wir brauchen keine Militärbündnisse mehr.“
Empörung über Joachim Gauck
Zuvor hatte Ilse Kestin von der IG Metall Stuttgart gesprochen. Das geplante Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine sei „zumindest fahrlässig“, andererseits jedoch die Annexion der Krim völkerrechtswidrig. Gerade aus diesem Grund dürften Politiker jetzt nicht hetzen und den Konflikt nicht weiter anheizen.
„Es gibt keine gerechten Kriege“, stellte Kestin klar. Scharf kritisierte sie die Äußerungen Joachim Gaucks bei der Sicherheitskonferenz in München. „Ein deutscher Bundespräsident erdreistet sich dort, eine neue deutsche Rolle in der Außenpolitik einzufordern“, empörte sie sich. Die Zuhörerinnen und Zuhörer schlossen sich ihrer Kritik mit Buhrufen an. Gauck habe seine Worte damit begründet, dass Deutschland überdurchschnittlich von einer offenen internationalen Ordnung profitiere. „Da stecken Interessen der Wirtschaft und des Kapitals dahinter“ erklärte sie. Kestin wandte sich auch gegen Rüstungsexporte und warnte vor einem wachsenden Einfluss des rechten Spektrums von der italienischen Lega Nord bis zur deutschen AfD in Europa.
Oberst Klein auf der Bühne entmachtet
Die „Einheizfront“ spielte Lieder wie „Keine Macht für niemand“ der legendären Band „Ton, Steine, Scherben“. Im Theaterstück von OTKM ging es um den Afghanistankrieg und das Leid, das er über die Bevölkerung brachte. Bundeswehr-Oberst Klein wurde für sein umstrittenes Vorgehen sogar zum General befördert – auf der Schlossplatz-Bühne jedoch von Friedensaktivisten entmachtet, die das Kommando übernahmen, um „Gemeinsam gegen den Krieg“ zu kämpfen. Schließlich waren 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gegen den Afghanistan-Einsatz, hatte ein Redner aus dem Publikum gesagt.
Zum Auftakt des Stuttgarter Ostermarschs an der Africom-Kommandozentrale waren am Vormittag zirka 800 Demonstrantinnen und Demonstranten zu den Kelley-Barracks nach Möhringen gekommen. Tobias Pflüger, früherer Europaabgeordneter der Linken, forderte die Auflösung des Militärstandorts, von dem aus gezielte Mordeinsätze mit Drohnen gesteuert würden. Es sei der Bundesregierung nicht abzunehmen, dass sie das nicht wisse. Auch in Möhringen gab es einen kulturellen Beitrag. Unter anderem spielte Henning Zierock von der Gesellschaft Kultur des Friedens.
Zum zentralen Ostermarsch in Stuttgart hatte das Friedensnetz Baden-Württemberg aufgerufen. Es beteiligte sich auch eine bislang unbekannte Gruppe mit einem Transparent „Friedensbewegung Stuttgart“. Sie hatte sich im Zug eines umstrittenen bundesweiten Aufrufs gebildet, dessen Urheber dem rechten Spektrum zugeordnet werden. Die Stuttgarter Gruppe betont, sich von den Initiatoren getrennt zu haben. Sie wende sich gegen Kriegstreiberei in der Ukraine, gegen die US-Kommandozentralen Eucom und Africom und gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP. Ansonsten sei sie unpolitisch, „komplett überparteilich“ und wolle „nichts Extremistisches“ in keiner Richtung.
Bilder des Tages von Scheffel / Denzinger
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