Im Landkreis Esslingen gab es am Samstag, 10. Mai 2014, eine Demonstration mit mehreren Kundgebungen in Nürtingen, Wendlingen und Altbach unter dem Motto „Rechten Umtrieben im Kreis Esslingen entgegentreten!“. Es beteiligten sich jeweils bis zu 100 Menschen. Ein Bündnis antifaschistischer Gruppen und linker Organisationen aus dem näheren regionalen Umkreis hatte die Versammlungen organisiert.
Im Landkreis Esslingen fielen im Vorfeld die dortigen Neonazis immer wieder durch Hetzerei und Drohungen gegen Asylsuchende und Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, auf.
Nürtingen:
Um 10 Uhr begann die Kundgebungstour auf dem Jordery-Platz. An dieser Versammlung beteiligten sich circa 80 Personen. Mehrere Reden wurden zur Prävention und Aufklärung über die „rechte Szene und ihre Strukturen“ gehalten. So wies ein Sprecher der VVN – BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten) Esslingen auf die Straftaten und das Gefahrenpotenzial der „rechten Szene“ hin. Von zerschnittenen Bremsschläuchen an einem Auto bis hin zu gefährlicher Köperverletzung reichte die Aufzählung der neonazistischen Straftaten.
Interessierte BürgerInnen informierten sich an Infotischen und Stellwänden. Einzelne Zuhörer sprachen die Redner gezielt an. Antifaschisten verteilten zusätzlich Flyer rund um den Platz und beim angrenzenden Markt.
Ordnern der Kundgebung waren mehrere Personen aus der „rechten Szene“ aufgefallen, unter ihnen ein bekannter Nazi aus Wendlinge am Rand des Markts.
Wendlingen:
Gegen 12.30 Uhr wurde die Folgekundgebung auf dem St. Leu-la-Foret-Platz in Wendlingen abgehalten. An ihr beteiligten sich ebenfalls rund 80 Personen. Während der Veranstaltung gab es in der Nähe der Kundgebung mehrere Provokationen aus dem rechten Spektrum. Unter anderem kam es zu einem körperlicher Übergriff gegen einen Kundgebungsteilnehmer, der unverletzt blieb. Die Kundgebung wurde ohne weitere Zwischenfälle zu Ende geführt.
Die Polizei war zwischenzeitlich mit sechs Einsatzwagen und circa 15 Beamten vor Ort. Die Kundgebung wurde gegen 13 Uhr beendet. Die Versammlungsteilnehmer sammelten sich und gingen geschlossen zum S-Bahnhof, um zur Abschlusskundgebung nach Altbach weiterzufahren. Die AntifaschistInnen wurden – ungebetener Weise – von etwa 30 Einsatzkräften der Bundespolizei in der S-Bahn begleitet.
Altbach:
An der Abschlusskundgebung beteiligten sich rund 100 Personen. Es formierte sich spontan eine Demonstration. Männer und Frauen aus dem rechten Spektrum versuchten, die Spontandemonstration der AntifaschistInnen zum Markplatz zu stören, weshalb die Strecke kurzfristig von der Polizei neu festgelegt wurde. Die ankommenden Antifaschistinnen wurden am Bahnhof ohne erkennbaren Grund von der Bundespolizei auf dem Bahnhofsvorplatz eingekesselt und gefilmt. Mittlerweile verstärkte die Polizei ihre Einsatzkräfte auf bis zu 80 Beamte.
Die Demonstrationsstrecke verlief in der Nähe des Lokals „Victory“. In dieser Gaststätte hatte die Polizei zunächst einige Neonazis festgesetzt. Zwanzig Minuten nach Ankunft der AntifaschistInnen an ihrem Versammlungsplatz wurden in circa hundert Metern Entfernung mehrere Neonazis gesichtet. Die Polizei verhinderte eine weitere Annäherung der Faschisten. Sie versuchten daraufhin an einer anderen Stelle, sich der Kundgebung zu nähern. AntifaschistInnen vereitelten durch zügige und aktive Gegenwehr diesen weiteren Versuch. Die Polizeikräfte bildete eine Sicherheitskette um die Kundgebung. Die Neonazis versuchten, diese Polizeikette zu durchbrechen.
Die Polizei kesselte die rechtsgerichtete Gruppe wegen ihrer anhaltenden Provokationen in sicherer Entfernung zur Kundgebung ein. Über die gesamte Dauer vermummten sich die Neonazis bis über die Nase und hatten Handschuhe an. Nach Polizeiangaben wurden mehrere Platzverweise erteilt. Die Polizei nahm elf Neonazis in Gewahrsam, da sie ihren Anweisungen nicht nachkamen. Die Beamten setzten auch Schlagstöcke ein.
Zwei Polizisten der Bundespolizei behinderten die Pressefreiheit unseres Fotografen. Sie untersagtem ihm weitere Fotoaufnahmen der Polizeiaktion und entwendeten kurzzeitig seinen Presseausweis, um das Dokument abzufotografieren. Nach energischem verbalen Widerstand und Beschwerde händigten die Polizisten dem Fotografen den Presseausweis mit der Drohung aus, jegliche Veröffentlichung und das Abfotografieren der Polizeiaktion stelle einen Straftatbestand dar – was völlig haltlos ist. Eine Nachschulung der eingesetzten Polizeibeamten in Sachen Landespressegesetz scheint dringend notwendig zu sein.
Die festgenommenen Neonazis wurden zwischenzeitlich erkennungsdienstlich behandelt. Die Polizei stellte mehrere waffenähnliche Gegenstände (zum Beispiel ein Messer und einen Schlagring) sicher. Nach der polizeilichen Durchsuchung wurden die Festgenommenen gefesselt und mit Polizeifahrzeugen abtransportiert.
Die Kundgebung verlief anschließend ungestört und endete um circa 15.45 Uhr.
Fazit:
Die antifaschistische Kundgebungstour führte einerseits jedermann vor Augen, dass es nicht nur im benachbarten Göppingen eine strukturierte gewaltbereite Naziszene gibt, sondern auch im Landkreis Esslingen. Andererseits zeigten die AntifaschistInnen, dass sie sich entschlossen und solidarisch den rechten Umtrieben entgegenstellen. Die Kundgebungen in Nürtingen, Wendlingen und Altbach zeigten den Neonazis, dass ihre menschenverachtende Hetze nicht erwünscht ist und auch nicht geduldet wird. Nicht im Kreis Esslingen und auch sonst nirgendwo!
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