Text und Fotos: Julian Rettig –
Leonberg. Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung. In diesen Tagen vor 69 Jahren wurde auch das KZ in Leonberg zur Geschichte. Die örtliche KZ Gedenkstätteninitiative erinnerte am vergangenen Samstag mit dem Kulturprogramm „Das Leben geht weiter – Musik für die Menschlichkeit“ an dieses Ereignis.
Der alte Autobahntunnel an der A81 wurde von 1944 bis zum Kriegsende zu einer Produktionsstätte für die Rüstungsindustrie umgebaut. Um die Produktion vor Bombenangriffen zu schützen, nutzten die Nazis das tief im Berg gelegene Bauwerk. Ebenso wurde die Häftlinge als menschliches Schutzschild missbraucht. Etwas unterhalb befand sich in der Seestraße das Lager, in dem mehrere tausend Häftlinge in unterschiedlichen Baracken interniert waren.
Heute ist der vordere Teil des alten Engelbergtunnels eine Gedenkstätte. Als die Vorsitzende der Gedenkstätteninitiative Marei Drassdo die Anwesenden am Samstag empfing, regnete es zwar hin und wieder leicht, aber dennoch waren die Besucher zahlreich gekommen. Gleich nach der Begrüßung ruft sie die Schüler und Schülerinnen der 10. Klasse des Johannes-Kepler-Gymnasiums auf die Bühne. Sie sind auf Einladung der Veranstalter gekommen und berichten über ihre Studienfahrt nach Prag und Auschwitz, über ihre Teilnahme am „March of the living“ vor wenigen Tagen.
Anschließend bekommt Esther Bejarano das Mikrofon. Sie überlebte den Holocaust und war Mitglied des Mädchenorchesters von Auschwitz. Auf dem Platz kehrt absolute Stille ein. Bejarano liest aus ihrem Buch „Erinnerungen“ einige Stellen vor. Es bewegt die Leute, wie und vor allem was die fast 90-Jährige erzählt. Sie musste in einem Arbeitskommando Steine schleppen. „Ich musste es überleben, um mich an diesen schrecklichen Nazis zu rächen“ erklärt sie auf die Frage, wie ausweglos ihr die Situation schien.
Als das Mädchenorchester von Auschwitz neu aufgestellt wurde, meldete sie sich. Ihr Vater hatte Esther Bejarano zwar das Klavierspielen beigebracht, aber dieses Instrument gab es im KZ nicht. Notgedrungen lernte sie Akkordeon. „Die Funktion des Mädchenorchesters in Auschwitz war, am Tor zu stehen und zu spielen, wenn die Arbeitskolonnen ausmarschierten und wenn sie ins Lager zurückkamen“. „Die Nazis befahlen uns am Tor zu spielen, wenn neue Transporte mit Menschen ankamen, die alle vergast wurden“ erklärt Bejarano die widerwärtigen Anweisungen.
Nach der Lesung steht Esther Bejarano mit ihrem Sohn Joram und der Microphone Mafia auf der Bühne. Zusammen rappen sie Lieder wie Avanti Popolo. Das Publikum zeigt sich beeindruckt von einer der ältesten Rapperinnen dieser Erde und den beiden Kölner Rappern und dem Bassisten, die zusammen ihr Bestes geben.
Nach etwa 40 Minuten machen die vier Musiker Platz für Toba Borke und Pheel. Toba Borke betreibt Freestyle-Rap. Vor seinem Auftritt erzählt er, dass er einen riesigen Respekt vor diesem Abend hat, weil er sich seine Texte spontan ausdenkt und seine Gedanken direkt in Worte fasst. Ihm ist es wichtig, dass an diesem Abend nicht nur das Reimschema gut rüber kommt, sondern der Inhalt passt. Die Anspannung scheint aber ab der ersten Silbe verflogen zu sein. Auch die Texte bringen es auf den Punkt. Sein Kollege Pheel liefert dazu den passenden Rhythmus.
Punkt 22 Uhr ist dann auch schon Schluss. Der Platz leert sich, nur die Helfer bleiben zum Abbau da. Alles in allem ein etwas nasser, aber gelungener Abend.
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