Stuttgart. Die ATIK (Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa) rief am Donnerstag zu einer Mahnwache auf dem Stuttgarter Schlossplatz auf. Es beteiligten sich über 500 Bürgerinnen und Bürger. MigrantInnen, ArbeiterInnen und Werktätige sollten nach dem Grubenunglück in der Türkei, das die ATIK als Massaker wertet, „ihre Plätze auf der Straße einnehmen“, hieß es in dem Aufruf.
Zum Unglück:
Am 13. Mai 2014 kam es zu einer Explosion in einem Bergwerk in Soma (Manisa-Türkei). In dem zur Soma-Holding gehörenden Bergwerk verbrannten Hunderte von Arbeitern. Durch das Feuer kam es zu einem Stromausfall, Arbeiter verbrannten oder wurden vergiftet, Dutzende wurden zum Teil schwer verletzt. Es ist nicht bekannt, wie viele Menschen in diesem Bergwerk arbeiten. Schätzungen gehen von bis zu 780 Arbeitern aus.
Stuttgart:
In einem Redebeitrag sprach die ATIK den Hinterbliebenen und Angehörigen der Bergleute im Namen aller ArbeiterInnen und Werktätigen in Europa ihr Beileid aus. Sie fühlten mit ihnen und hofften, dass die Bergbauarbeiter, die mit Verletzungen davongekommen sind, so bald wie möglich wieder gesund werden. Der Redner wünschte ihnen gute Genesung.
Begleitet wurde die Mahnwache von zirka 150 Polizeibeamten, die auf Distanz blieben. Über die gesamte Dauer verlief die Mahnwache friedlich und ungestört, doch die Polizei filmte das Geschehen, augenscheinlich ohne dass dafür eine rechtliche Grundlage vorlag. An der Mahnwache beteiligten sich an die 500 BürgerInnen. Viele Transparente und Fahnen zeigten Bilder von Kumpeln. Auf Schildern las man Wut und Trauer.
Die TeilnehmerInnen bekundeten ihre Anteilnahme für die Hinterbliebenen Familien mit roten Nelken und Rosen. Für die Verstorbenen wurden Kerzen angezündet. Symbolisch trugen vereinzelte TeilnehmerInnen ihr Gesicht mit Braunkohle geschwärzt und Bauhelme. Einige trugen Solidaritäts- und Trauerlieder vor.
Viele Redebeiträge kritisierten die türkische Regierung und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an der Spitze. Auch wurde sein Rücktritt gefordert. Das Ministerium für Arbeit und Soziales in der Türkei hatte eine Erklärung veröffentlicht, in der es darauf hinwies, dass die letzte Sicherheitsbegehung in dem Bergwerk erst im vergangenen März stattgefunden habe. Dabei habe es keinerlei Beanstandungen gegeben. „Wir verurteilen die Provokation und Kaltschnäuzigkeit von Erdoğan und seine Regierung, die es normal finden, wenn Arbeiter bestialisch unter Tage ums Leben kommen. Erdoğan hat aber Jahren hinweg die Bedenken und Hinweise abgetan und Anträge zur Überprüfung abgelehnt. Wir verurteilen das und verurteilen auch den brutalen Politzeeinsatz gegen dort Kämpfende. Wir trauern mit Müttern, Töchtern, Söhnen, Freunde und Angehörige getöteten und eingeschlossenen Bergarbeiter. Es lebe die Internationale Solidarität!“, sagte ein Redner.
Der Unfall vom 13. Mai sei kein einmaliges Geschehen in dem Bergwerk, bekundeten die Redner. Es habe bereits mehrere Unfälle gegeben, die alle auf mangelnde Sicherheitsstandards zurückzuführen seien. Die Redner verwiesen auch auf einen Antrag im Parlament zur Überprüfung des Bergwerks, der auch auf die Tagesordnung genommen wurde. Jedoch stimmten die Abgeordneten der führenden AKP am 29. April 2014 dagegen. „Nein zu ungesicherten und gesundheitsschädigenden Arbeitsplätzen“ sowie „Schluss mit Arbeitsunfällen“ gehörten zu den Forderungen der Redner auf dem Stuttgarter Schlossplatz.
Kurz vor 20 Uhr formierten sich die Teilnehmer der Mahnwache zu einer Demonstration zum türkischen Konsulat. Begleitet wurde der Demonstrationszug von einem Sprechgesang. „Hoch die internationale Solidarität“ erschallte. Am Kernerplatz, in der direkten Nähe zum türkischen Konsulat, wurden weitere Reden gehalten. Ein Kranz, Nelken und ein Helm wurde symbolisch vor der Eingangstüre des Konsulates abgelegt. Die Demonstrierenden erhoben die Arme, ballten die Hände zur Faust und bekundeten ihre Trauer mit einer Schweigeminute.
Kurze Zeit später löste sich die Demonstration etwa um 21.10 Uhr auf.
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