In CDU und CSU herrscht wegen der hohen Umfragewerte für die AfD offenbar Alarmstufe rot. Anders lassen sich die widersprüchlichen Aussagen ihrer Protagonisten über die Konkurrenz von Rechts nicht interpretieren.
Den vorläufigen Höhepunkt setzte der Chef der baden-württembergischen Landtagsfraktion der CDU Peter Hauk, als er eine Koalition mit der nationalkonservativen und rechtspopulistischen Partei nicht ausschloss.
Den Anfang machte die CSU mit ihrer vielfach kommentierten und parodierten Hetz-Parole „Wer betrügt, der fliegt“ – gerade so, als stünde die Republik knapp vor dem Ruin vor lauter Zuwanderern, die extra ins Land kommen, um sich vom kargen Hartz-IV-Satz einen lauen Lenz zu machen.
Kanzlerin fischt am rechten Rand
Erst vor wenigen Tagen legte die Kanzlerin nach und fischte mit dem gleichen Zungenschlag am rechten Rand. Sie wandte sich gegen „ungesteuerte Zuwanderung in die Sozialsysteme“. Dabei gingen ähnliche Versuche in der Vergangenheit immer ins Auge: Wer die Ressentiments der Rechten bedient, um ihnen das Wasser abzugraben, hat noch jedes Mal nur Wasser auf ihre Mühlen gegossen und sie umso stärker gemacht.
Dabei hatte sich die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer im Interview mit der „Welt“ vor kurzem noch klar distanziert: „Das ist keine bürgerliche Partei. Was die AfD von sich gibt, ist für mich oft hart an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit.“ Im Europawahlkampf würden die fremdenfeindlichen Tendenzen immer deutlicher. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich schlug ähnliche Töne an. Die AfD-Rhetorik unterscheide sich kaum von der NPD, sagte er derselben Zeitung – was zutrifft, wie die „Jungen Piraten“ mit einem kleinen Online-Ratespiel, wem wohl welches Zitat zuzuordnen sei, auch belegen.
Stephan Neher, als Oberbürgermeister von Rottenburg zweithöchster direkt gewählter Repräsentant der CDU im Kreis Tübingen, setzte in der schwäbischen Provinz nach einem Bericht der örtlichen Zeitung noch eins drauf und sprach öffentlich von „AfD-Nazis“. Er hätte wohl besser „AfD-Nationalisten“ gesagt, korrigierte er sich später nur schwach.
Parteifreunde gehen auf Distanz
Ganz anders also Landtags-Fraktions-Chef Peter Hauk, auch sonst in Interviews wenig zimperlich. Seine Äußerung fiel am Donnerstagabend in der SWR-Sendung „Zur Sache Baden-Württemberg“. Nach Meinungsumfragen käme die FDP derzeit bei einer Landtagswahl in Baden-Württemberg nur auf drei Prozent, die AfD hingegen auf sechs (und bei der Europawahl sogar auf neun). Über Koalitionen spreche man, wenn Wahlergebnisse vorliegen, sagte Hauk auf die Frage, wie sich die CDU verhalten würde, wenn die FDP nicht in den Landtag kommt, aber die AfD.: „Ich sage nur: Es gibt keine Ausschlüsse von vornherein. Wir werden mit allen demokratischen Parteien natürlich Gespräche führen.“
Die AfD reagierte erfreut, SPD und Grüne äußerten eilig Abscheu und Empörung, Hauks Parteifreunde gingen auf Distanz. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß sprach von einer „abwegigen Debatte zur Unzeit“. CDU-Landeschef Thomas Strobl schloss „jede Zusammenarbeit“ mit der AfD „definitiv“ aus und rüffelte den Fraktionsvorsitzenden indirekt: „Es wäre töricht, diese Partei durch eine übermäßige Beschäftigung mit ihr unnötig aufzuwerten.“
Landtags-Fraktionschef rudert zurück
Hauk mühte sich am Freitag erschrocken, den Geist in die Flasche zurück zu beordern – vergeblich. Die Polemik der AfD habe beim von der CDU eingeschlagenen Europakurs keinen Platz. Sie sei eine Partei mit „Ein-Punkt-Programmatik“, schrieb er in einer Pressemitteilung. Die AfD habe weder Parlaments- noch Führungserfahrung. Auch „deshalb wird die CDU keine Koalition mit ihr anstreben“, erklärte Hauk und wies die Kritik der SPD auf di übliche Rechts-gleich-Links-Tour der CDU zurück: „Eine Partei, die mit Linkspopulisten Koalitionen eingeht, sollte uns keine schlauen Ratschläge geben.“
Hauk hält die AfD für eine Eintagsfliege – doch da könnte er sich irren. Auch weil die CDU zunächst nur zögerlich auf Distanz ging, blieben die „Republikaner“ einst zwei Wahlperioden lang im baden-württembergischen Landtag. Während sich deren meist dumpfe Parolen von selbst entlarvten, dürfte der CDU die Abgrenzung zum großbürgerlichen, wirtschaftsnahen und akademisch geschulten Spitzenpersonal der AfD sogar eher schwerer fallen. Es wird nicht zuletzt von ihr selbst abhängen, wie lange sich die AfD hält. Es ist auf jeden Fall zu befürchten, dass die CDU unter dem Einfluss der neuen Konkurrenz noch weiter nach rechts rückt.
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