Tübingen/Magdeburg. Bei der Europawahl winken der AfD nach Meinungsumfragen um die 7 Prozent. Wie ist diese Partei einzuschätzen? AfD-Europakandidat Hans-Olaf Henkel sprach vor kurzem in Tübingen vor 200 Zuhörern und erhielt Applaus für eine harmlos wirkende Rede (wir berichteten). Anders als es Redner wie er gern darstellen, ist die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ jedoch vor allem marktradikal und nationalkonservativ.
Das ist das Ergebnis einer Analyse des Journalisten und wissenschaftlichen Mitarbeiters der Rosa-Luxemburg-Stiftung Felix Korsch. Er beurteilt die AfD als „Partei der Rechten mit extrem rechten Tendenzen“ – was ihre Positionen angeht, aber auch ihr Personal. Die Frage, ob die AfD populistisch sei, wie ihr oft vorgeworfen wird, sei dagegen zweitrangig.
Der Münsteraner Politologe Andreas Kemper bescheinigt der AfD „Nationalliberalismus 2.0“. Sein Forschungsschwerpunkt ist eigentlich Klassendiskriminierung, wobei er sich als Arbeiterkind durchaus selbst betroffen fühlt. 2013 veröffentlichte er bei der „edition assemblage“ in Münster sein Buch „Rechte Euro-Rebellion“ über die AfD. Er empfiehlt, zur besseren Einschätzung der Partei vor allem zu betrachten, welche Funktion sie für verschiedene Interessengruppen hat.
Sprungbrett für zwielichtige Kräfte
Kemper beschreibt die AfD als „Sarrazin-Partei“, wie sie ein „verrohtes und von Deklassierungsängsten geprägtes Bürgertum“ seit Jahren herbeigesehnt hat – auch wenn etwa Thilo Sarrazin, Friedrich Merz oder Peter Sloterdijk nicht direkt dabei sind. Unter anderem sieht Kemper die Funktion der AfD darin, die CDU weiter nach rechts zu rücken (siehe auch „Wegen AfD in heller Panik“), als Islamhasser-Sprungbrett zu dienen oder Eisbrecher für die „Junge Freiheit“ und die NPD zu sein.
Soweit Kemper. Die wichtigsten Themen der AfD sind Euroskepsis, der Erhalt der traditionellen Familie und die Einschränkung der Migration. Zur Europäischen Union hat die Partei nicht unbedingt ein ablehnendes, sondern ein rein taktisches Verhältnis – etwa wenn sie eine Euro-Zone der reichen Nordländer propagiert. Mag die AfD auch immer wieder darauf verweisen, ihr Programm per Mitgliederabstimmung aufgestellt zu haben: An ihrem Willen zu inner- und außerparteilicher Demokratie lässt schon zweifeln, wenn sie Journalisten von Parteitagen ausschließt, was sonst nur bei der äußersten Rechten üblich ist (siehe auch „AfD bekämpft Pressefreiheit…“).
Magdeburg: Mit Messer und Baseball-Schläger
Vor allem die Jungen Piraten machen immer wieder auf die Ähnlichkeit der Wahlkampf-Parolen von AfD und NPD aufmerksam, zuletzt mit einem Ratespiel im Netz. Derzeit gibt sich die AfD gern als Opfer von Attacken auf ihre Plakate – ganz so, als ob nicht auch die Wahlwerbung anderer Parteien gestohlen oder zerstört würde.
In Magdeburg kam es zu einem Übergriff von AfD-Anhängern auf Menschen, die sich in der Nähe eines großen Wahlplakats aufhielten, berichtet die Magdeburger Informationsstelle Antifaschismus.
Mehrere Menschen seien mit einem Messer bedroht, festgehalten und mit einem Baseballschläger verletzt worden. Sie hätten angeblich versucht, eine große Werbetafel zu stürzen. Aus einem in der Nähe parkenden Auto seien zwei Unbekannte auf die Gruppe zugestürmt und hätten sie bedroht. Ein junger Mann habe später wegen der durch den Baseballschläger erlittenen schweren Prellungen in der Notaufnahme des Krankenhauses behandelt werden müssen. Immer wieder sei auch die Drohung “Ich stech’ euch ab!” gefallen. Die beiden Männer seien so in Rage gewesen, dass die Gruppe die Drohung sehr ernst nahm. Später habe die von der AfD gerufene Polizei weitere hinzugekommene Anhänger der Partei die Opfer ungestört filmen lassen.
Drohungen am AfD-Stand in Münster
Auch in Münster gab es einen Zwischenfall. Dort ließt die AfD ihren Infostand in der Fußgängerzone durch eine Schlägertruppe bewachen, berichtet die Antifaschistische Linke Münster.
AfD-Gegner verteilten Flugblätter, die den Nationalismus der Partei kritisierten. Sie hatten ein Transparent „Rassismus ist keine Alternative“ dabei. Obwohl sie sich in deutlicher Entfernung von zirka 20 Metern zum AfD-Stand gehalten und deren Wahlkampf „zu keinem Zeitpunkt“ beeinträchtigt hätten, habe eine zunächst sechsköpfige Schlägertruppe die Protestierenden bedroht etwa mit den Worten „Ihr verpisst euch jetzt hier, sonst haue ich dir in die Fresse!“. Die aggressiv auftretenden Männer hätten ihre Worte durch direkten Körperkontakt, Rempeleien und Wegdrängen zu unterstreichen versucht.
Der AfD-Kreisvorsitzende habe den Auftritt der als „Sicherheits- und Ordnerdienst“ der AfD auftretenden Personen gerechtfertigt. Nach einiger Zeit seien auch zwei bekannte Neonazis aus Münster aufgetaucht und hätten die „Ordner“ mit Handschlag begrüßt. Auch ein Journalist sei bedrängt, bedroht und durch Schlagen mit der Hand gegen seine Kamera an der Arbeit gehindert worden – auch noch, nachdem er seinen dju-Presseausweis gezeigt hatte. Schon mehrfach waren AfD-Leute in den vergangenen Wochen gegen Presseleute vorgegangen – so wurde die Journalistin Andrea Röpke in Bremen mit Gewalt von einer Wahlkampfversammlung geschmissen (siehe oben).
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