Der Landesbezirksvorstand von ver.di Baden-Württemberg hat einstimmig eine Resolution verabschiedet, in der ein gesetzlicher Mindestlohn ohne Ausnahmen gefordert wird. ver.di im Land begrüßt, wenn der Mindestlohn bereits 2017 erhöht wird und steht auch hinter dem vorgeschlagenen Verfahren. Scharf kritisiert der Vorstand, in dem zahlreiche Betriebs- und Personalratsvorsitzende der von ver.di vertretenen Branchen des öffentlichen und privaten Dienstleistungsbereiches vertreten sind, jedoch die geplanten Ausnahmen. Es gibt im Land keine Arbeit die weniger als 8,50 Euro wert ist und keinen Menschen, der für weniger arbeiten muss. 8,50 Euro sind der Maßstab und nicht wer die Arbeit erbringt.
Die Resolution im Wortlaut:
Würde ist unteilbar – gegen Ausnahmen vom Mindestlohn
Der ver.di-Landesbezirksvorstand Baden-Württemberg begrüßt die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von zunächst 8,50 Euro. Der Mindestlohn wird die Lebenssituation von vielen Baden-Württembergerinnen und Baden-Württembergern verbessern. Mit der Einführung des Mindestlohns findet auch ein Kulturwandel in der Gesellschaft seinen Ausdruck: die Arbeit des oder der Einzelnen wird wertgeschätzt und deswegen erstmalig an ein Mindestniveau gebunden. Das Mindestlohnniveau von 8,50 Euro beseitigt dabei nicht den gesamten Niedriglohnsektor, da die Niedriglohnschwelle bei zwei Drittel des mittleren Stundenlohns, also 9,30 Euro, liegt. Insofern muss die Erhöhung des Mindestlohns deutlich vor 2018 erfolgen.
Die 8,50 Euro sind also die unterste Schwelle und dürfen nicht noch zusätzlich unterschritten werden. Auch deshalb lehnen wir die geplanten Ausnahmen vom Mindestlohn für Jugendliche und Langzeitarbeitslose ab und fordern die Landesregierung Baden-Württemberg auf, sich im Bundesrat für eine Streichung der geplanten Ausnahmen einzusetzen. Insbesondere Jugendliche und Langzeitarbeitslose unterliegen einem besonderen
Schutzbedürfnis, da sie auf dem Arbeitsmarkt in einer verhältnismäßig schwachen Verhandlungsposition sind. Für die gleiche Arbeitsleistung sollen diese Menschen aufgrund ihres Status schlechter gestellt werden. Das ist ein verheerendes gesellschaftspolitisches Signal – ein Rückschritt – weil es die Arbeitsleistung dieser Menschen als minderwertig feilbietet.Diese Ausnahmen wirken auf Jugendliche und Langzeitarbeitslose diskriminierend, stigmatisierend, demütigend und sind mit unserer Verfassung nicht vereinbar.
Junge Menschen werden nicht auf eine Ausbildung verzichten, weil es einen Mindestlohn gibt. Die unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem Ausbildungsverhältnis sind heute schon eklatant und dennoch wissen die jungen Menschen nur zu gut, dass eine gute Ausbildung eine gute Berufs- und Einkommensperspektive eröffnen kann. Damit junge Menschen die Chance haben, in eine Ausbildung zu gehen, bedarf es eines ausreichenden Angebotes an Ausbildungsplätzen. Ausbildung sollte aus gesellschaftlicher Sicht immer Vorrang haben, und die Arbeitgeber müssen mehr in die Pflicht genommen werden.
Hungerlöhne weit unter 8,50 Euro haben trotz guter Arbeitsmarktlage in den letzten Jahren nicht zu besseren Arbeitsmarktchancen für Langzeitarbeitslose geführt. Zukünftig könnten Arbeitgeber vermehrt Langzeitarbeitslose in einem rollierenden System für höchstens sechs Monate befristet einstellen, um den Mindestlohn dauerhaft zu umgehen. Ein solcher Drehtüreffekt bedeutet heuern und feuern und belässt die Beschäftigten in Armut trotz Arbeit. Wir lehnen Niedrigstlöhne für Langzeitarbeitslose als Wettbewerbsvorteil gegenüber Arbeitsuchenden mit Mindestlohnanspruch ab. Unterbietungskonkurrenz ist kein akzeptables Instrument zur Integration in den Arbeitsmarkt. Will man den Langzeitarbeitslosen helfen, dann müssen insbesondere hochwertige Weiterbildungsmaßnahmen, die zu verwertbaren Abschlüssen und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung führen, und individuelle Hilfen angeboten werden.
Die Ausnahmen erhalten einen Teil des Niedriglohnsektors aufrecht, der statusbezogen ist: Jugendliche und Langzeitarbeitslose für 6 Monate. Damit werden Anreize für Lohndumping gesetzt, indem sozial-versicherungspflichtige und tariflich ordentlich bezahlte Arbeit verdrängt wird.
Grundsätzlich ist in Tarifverträgen tarifliche beziehungsweise keine geringere Bezahlung für Jugendliche und Langzeitarbeitslose vorgesehen. Die Ausnahmen können also nur in Unternehmen zur Anwendung kommen, die nicht tarifgebunden sind. Damit wird erneut eine Tür zum Lohndumping und zur Tarifflucht eröffnet, um Lohnkostenvorteile zu verschaffen. Mit diesen Ausnahmeregelungen wird das Tarifvertragssystem nicht gestärkt, sondern geschwächt und das widerspricht dem zentralen Ziel des Gesetzespakets, das Tarifvertragssystem insgesamt wieder stärken zu wollen.
Um die Umgehung vom Mindestlohn zu verhindern, ist auch die uneingeschränkte Generalunternehmerhaftung unabdingbar. Wenn ein Unternehmer einen Unterauftragnehmer beauftragt, muss entlang der gesamten Auftragskette sichergestellt sein, dass der Mindestlohn eingehalten wird.
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