Wir dokumentieren die politische Erklärung des am 12. Juni 2014 in Stuttgart angeklagten und verurteilten Antifaschisten (wir berichteten).
Es gilt das gesprochene Wort.
„Zu den Vorwürfen habe ich heute nichts gesagt, zum politischen Hintergrund möchte ich mich allerdings äußern.
Ich sitze heute hier auf der Anklagebank. Noch vor wenigen Tagen hatte mir das Gericht einen Brief geschickt, mit Sicherungsmaßnahmen für meinen Prozess, u.a. wurden bewaffnete Polizisten und vier Justizleute für den Prozess beantragt. Zuschauerinnen und Zuschauer mussten ihren Ausweis kopieren und sich durchsuchen lassen, bevor sie den Gerichtssaal betreten konnten. Die Repression, welcher wir auf der Straße in Form von Polizeigewalt, Kontrollen und permanentem Abfilmen und abfotografieren ausgesetzt sind, wird heute hier fortgeführt. Monatelang wurden Aktivistinnen und Aktivisten, welche gegen die rechte Allianz demonstriert hatten, mit Fotomappen von der Stuttgarter Polizei gesucht und bei anderen linken und antifaschistischen öffentlichen Versammlungen festgesetzt oder festgenommen.
Aber warum all das?
Mir wird vorgeworfen eine öffentliche Veranstaltung gestört zu haben. Es soll ein Prozess stattfinden, in dem jeglicher politischer Hintergrund anscheinend irrelevant sei, und es nur um eine kriminelle Handlung geht. Vorgeworfen wird mir also, mich an antifaschistischen Blockaden beteiligt zu haben, konkret zivilen Ungehorsam geleistet zu haben.
Aktionsformen gibt es ganz verschiedene, doch nur die wenigsten werden nicht kriminalisiert. Legitim ist hier allerdings nicht nur Protest, sondern auch aktiver Widerstand, das direkte Benennen und Aufzeigen der verschiedenen Teile der rechten Akteure sowie konkrete Schritte zur Verunmöglichung der Verbreitung ihrer Hetze!
Doch was steht dahinter?
Am ersten Februar demonstrierten mehrere hundert Menschen auf dem Schlossplatz gegen die Integration sexueller Vielfalt in den Bildungsplan 2015. Aufgerufen hatte eine Allianz aus Konservativen, Rechten und religiösen Fanatikern. Neu war, dass sich Konservative aus der CDU und deren Jugendorganisation Junge Union gemeinsam auf Demonstrationen mit offen auftretenden Faschisten vereinten. Gemeinsam sollte gegen emanzipatorische Ansätze in Sachen sexuelle Vielfalt und sexuelle Orientierung Stimmung gemacht werden. Von Rechts werden Ängste geschürt, dass traditionelle Werte und Normen der Gesellschaft sich weiter entwickeln und nicht für immer still stehen.
Eine rechte Allianz entsteht, welche mit einem Werte-Rollback Druck gegen die Regierung aufbauen will und offen für die Ungleichwertigkeit von Menschen eintritt. Aggressive Homophobie, frauenfeindliches Familienbild gepaart mit rechten Sprüchen und teilweise völlig sinnlosen Thesen.
Warum eine solche Bewegung?
Nicht Alle haben ein Interesse an einem solidarischen Miteinander, sondern versuchen immer wieder Spaltungen zwischen uns Menschen herbeizuführen. Geschlechter, Lebens- und Liebesformen, Religionen, Haut- und Haarfarben und vieles mehr werden von den Eliten und Profiteuren der aktuellen Verhältnisse genutzt, um einen Keil zwischen die Menschen zu treiben. Wenn wir uns unserer Gemeinsamkeiten und unserer gemeinsamen Interessen nicht bewusst sind, ist es viel einfacher, uns gegeneinander auszuspielen und Profit daraus zu schlagen. Auch sehen wir diese rückwärtsgewandten Bewegungen nicht nur hier bei uns in Stuttgart. In wirtschaftlichen Krisenzeiten ist immer wieder ein erstarken rechter Kreise zu erkennen. Europaweit haben wir nicht nur bei den Europawahlen einen Rechtsruck beobachten können. In Frankreich beispielsweise folgten auf die homophoben „Manif pour tous“ Demonstrationen die so genannten „Tage des Zorns“, bei dem Tausende Rechte und Faschisten pogromähnlich Jagd auf Andersdenkende, Andersliebende und Andersgläubige machten.
Die Gefährlichkeit dieses neuen rechten Phänomens zeigt sich auch daran, dass recht schnell Medien und auch Politiker aus verschiedenen Parteien das Thema aufgriffen und die rechten Demos zwar als Spinner, allerdings nicht als illegitimes rechtes Konzept benannten. Die so genannte „Demo für Alle“ schaffte es sogar recht schnell einen gewissen politischen Druck von Rechts auf die Landesregierung auszuüben. Dadurch besteht auch die Gefahr, dass rechte, reaktionäre Positionen wieder gesellschaftlich anknüpfungsfähig werden.
Zurück zu der Demonstration der rechten Allianz und den Gegenprotesten im Februar: Denn am ersten Februar gab es nicht nur neue rechte Konstellationen und reaktionäre Hetze auf dem Stuttgarter Schlossplatz.
Viele hundert Menschen hatten sich versammelt, um dem entschieden kontra zu geben. Gemeinsam wurde gegen die rechte Allianz protestiert. Die wenigen anwesenden Faschisten mussten aus der Demonstration unter Polizeischutz weggebracht werden. Es sammelten sich immer mehr Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten auf dem Schlossplatz, so, dass der rechte Aufmarsch ins Stocken geriet. Irgendwann, nach langem hin und her, war klar, die rechte Allianz wird heute keinen Erfolg in Stuttgart finden. Die Polizei beendete die rechte Demo aufgrund der antifaschistischen Gegenproteste.
Am 1. Februar gelang es vielen Menschen entschlossen und erfolgreich gegen eine menschenverachtende Demonstration in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs zu protestieren. Nach diesem antifaschistischen Erfolg sollen die Protestierenden jetzt durch polizeiliche Vorladungen, Strafbefehle und schikanöse Prozesse mundtot gemacht und eingeschüchtert werden.
Das wird, egal wie das Urteil heute hier ausfällt, nicht gelingen.
Sollen wir abwarten, bis die Rechten sich besser organisieren und stärker werden?
Im April musste die selbe rechte Demonstration aufgrund von verschiedenen Blockaden auf der Strecke umgeleitet und von martialisch auftretenden Polizeieinheiten abgeschirmt werden.
Letzten Monat, am 3. Mai, wurde erneut ein Aufmarsch durch präventive antifaschistische Arbeit verunmöglicht.
Am 28. Juni soll es nun erneut eine homophobe Demonstration dieser rechten Allianzen geben. Jetzt wurden die Vorbereitungen der Proteste in politisch breitere Kreise getragen und laufen auf Hochtouren.
Am Samstag, den 28. Juni wird es wieder entschlossenen Protest gegen Homophobie und neue rechte Allianzen geben. Treffpunkt hierfür ist der Stauffenbergplatz um 13:30 Uhr.
Heute nach dem Prozess werden wir für die Proteste auf dem Stuttgarter Schlossplatz werben.
Es heißt für uns Antifaschistinnen und Antifaschisten, dass wir dieses neue Phänomen angehen müssen. Das heißt konkret, dass wir uns selbst informieren und die Situation analysieren. Wir müssen durch breite Öffentlichkeitsarbeit die Legitimität dieser Bewegung gesellschaftlich absprechen. Das gehört genauso dazu, wie durch direkten, vielfältigen Widerstand diese rechten Allianzen zu verhindern!
Egal ob Polizeigewalt, Schikanen bei Protesten oder juristisches Vorgehen gegen uns Antifaschistinnen und Antifaschisten: Sie werden uns nicht daran hindern, weiter entschlossen auf rechte Tendenzen in der Gesellschaft aufmerksam zu machen und gegen rechte Aktivitäten vor zu gehen.
Antifaschismus ist notwendig, wichtig und nicht kriminell!“
OK meint
Agaaa! Nicht kriminell! Deswegen so viel Anzeigen! Ha-Ha-Ha! kommentar kommt nicht raus, und bekomme keine Antwort: wie viel zählt man pro Störung?
Alfred Denzinger meint
Kann es sein, dass sie ein wenig wirr sind?
Was ist denn eigentlich ihre Frage?
„Wie viel zählt man pro Störung?“ –> Diese „Frage“ übersteigt die intellektuellen Fähigkeiten unserer Redaktionsmitglieder.