Stuttgart. Etwa 40 Menschen beteiligten sich am frühen Dienstagabend, 1. Juli 2014, an einer Solidaritätskundgebung zum Thema „Jugend gegen Rassismus, Krieg und Abschiebung“ auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Sie folgten damit einem bundesweiten Aufruf „Refugee – Uni- und Schulstreik“ der Organisation Revolution.
Text und Fotos: Brita Bamberg –
Zu den Redebeiträgen gehörte der Bericht einer Flüchtlingsfrau und Mutter aus Nigeria. Die Lage in Nigeria ist durch die terroristische Gruppe „Boko Haram“ („Westliche Bildung verboten“) gefährlich für die unterdrückte Bevölkerung. Die Rednerin sprach davon, dass sie mit Hoffnung auf Freiheit und selbstbestimmtes Leben über Italien nach Deutschland geflohen sei und hier nun als Mensch ohne Rechte vegetiere.
Von Anfang an waren drei Polizeiwagen am Kundgebungsort abgestellt, und ein vierter schlich immer wieder durch die Fußgängerzone. Die Provokation war nicht zu übersehen. Die Kundgebung endete nach einer Stunde um 19 Uhr.
Nachstehend dokumentieren wir den Redebeitrag vom Forum gegen Unterdrückung von Flüchtlingen (FUF)
„Liebe Passantinnen und Passanten, liebe Genossinnen und Genossen,
unter dem Motto „Solidarité avec les sans papiers“ starteten am 19.05. Flüchtlinge aus Berlin und anderen europäischen Städten ihren Marsch für die Freiheit, um während der Sitzungswochen des EU-Parlaments , vom 20. bis 26. Juni, auf ihre Lage aufmerksam zu machen und gegen die EU-Asylpolitik zu demonstrieren. Sie kamen auf ihrem 500 km langen Weg in die Hauptstadt der EU unter anderem in Straßburg, Sarreguemines, Saarbrücken, Schengen, Luxemburg und Charleroi vorbei. Um ihre Forderungen zu unterstreichen besetzten sie unter anderem die deutsche Botschaft in Brüssel. Außerdem versuchten sie mit verschiedenen Aktionen auch vor Ort auf sich aufmerksam zu machen. So hielten sie zum Beispiel Kundgebungen ab oder besuchten dortige Flüchtlingsheime. Am heutigen Tage werden sie nun ihren Rückweg antreten. Aus diesem Grund findet in Berlin heute ein Schul- und Universitätsstreik statt um die Solidarität mit den Flüchtlingen zu zeigen. Und wir hier in Stuttgart versammeln uns auf dem Schlossplatz um unsere Solidarität zu bekunden.
Wir erleben immer wieder, dass die Flüchtlinge für Ihre Rechte eintreten und ihren Protest auf die Straßen Deutschlands und Europas tragen. Sie sehen sich in ihrem Leben einer paradoxen Situation gegenüber. Auf der einen Seite sind sie dankbar dafür, dass es in Europa die Möglichkeit gibt, politisches Asyl zu bekommen, auf der anderen Seite werden sie von den dafür zuständigen Behörden auf ihrem Weg dorthin immer wieder schikaniert und ihnen werden elementare Grundrechte vorenthalten. Sie sind gezwungen, sich entweder in diese zermürbende Situation widerspruchslos zu fügen oder sie können versuchen, an dieser Situation etwas zu verändern. Es ist überaus wichtig, sie bei dem Kampf für mehr Selbstbestimmung und Eigenständigkeit zu unterstützen und ihnen Hilfestellung zu geben, denn oftmals beherrschen sie die Landessprache nur geringfügig, was die Kommunikation mit Behörden, Politikern und der Öffentlichkeit schwierig macht. Des weiteren sind sie in vielen Fällen durch ihre Erlebnisse traumatisiert und brauchen solidarische Menschen, die sie bei den zähen Gesprächen und oftmals langwierigen Asylverfahren unterstützen.
Im Sommer 2013 protestierte eine Gruppe Flüchtlinge, die zu der Zeit im Main-Tauber-Kreis in den Heimen Bad Mergentheim und Külsheim untergebracht waren, für mehr eigenständige Rechte und gegen Residenzpflicht, für Geld statt Sachleistungen und für eine respektvolle Behandlung durch die zuständigen Behörden. Sie ließen sich mit einem festen Protestcamp an der Ecke Königsstraße/Thouretstraße nieder und richteten einen Infostand ein, der über die sieben Wochen des Protestes 24 Stunden besetzt war. Er diente als Anlaufpunkt und Kommunikationsbasis für Protestierende und Unterstützer. Es wurden Schilder in Deutsch und Englisch aufgestellt, die die Forderungen deutlich sichtbar nach außen trugen. Außerdem gab es ein großen Transparent, auf dem nochmal die wichtigsten Forderungen, u.a. „Abschaffung der Residenzpflicht“, „Geld statt Sachleistung“ oder „Aufenthaltsgenehmigung für Alle“, zusammengefasst standen. In den Wochen des Protestes kamen viele unterschiedliche Menschen in das Camp und an den Infostand. Mitunter wurden die protestierenden Flüchtlinge als „Pack“, „Schmarotzer“ oder „Gesindel“ beschimpft und auf das übelste beleidigt. Andere wiederum erklärten sich solidarisch mit den Forderungen und spendeten Geld, Material und Lebensmittel für das Camp. Wir haben erlebt, dass die Reaktionen der Passanten unabhängig von ihrem Wohlstand und ihrer sozialen Stellung waren. Es kamen zum Teil Menschen, die selbst kaum genug zum Leben haben und halfen uns dennoch und anders herum mussten wir uns von offensichtlich vermögenden Menschen üble Vorhaltungen machen lassen, wir „würden ja selbst nichts leisten und gehörten alle ins Arbeitslager“. Dass wir, die Unterstützer, unsere ehrenamtliche Arbeit dort in unser Freizeit und Semesterferien leisteten, interessierte diese Menschen nicht im geringsten. Es ging offensichtlich einzig und allein um das Beschimpfen anderer, um sich selbst nicht für den eigenen unverantwortlichen Egoismus rechtfertigen zu müssen.
Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert – sowohl am Umgang der Bevölkerung mit den Asylsuchenden, als auch an der Behandlung durch die zuständigen Behörden. So muss es möglich werden, dass Asylsuchende Zugang zu Sprachkursen und anderen Integrationsangeboten bekommen. Ohne eine umfassende Förderung ist die Eingliederung traumatisierter Menschen in unsere hektische und leistungsorientierte Gesellschaft beinahe unmöglich. Das gehört unserem Verständnis nach ebenso zum Asylgedanken, wie die Unterbringung und Verpflegung. Wir können etwas bewegen und wir sollten es endlich gemeinsam anpacken!
Wir, die Aktivisten des FUF Stuttgart, erklären uns verbunden mit den Teilnehmern des Flüchtlingsmarsches. Mit der Beteiligung an dieser Kundgebung wollen wir unsere Solidarität zum Ausdruck bringen und begeben uns in Gedanken mit ihnen auf den Weg zurück. Wir hoffen, dass der beschwerliche Weg ein Zeichen setzt und hilft, die Situation der Menschen zu verbessern. Ein Umdenken in der Bevölkerung ist ebenso notwendig, wie dringend erforderlich. Flüchtlinge sollten als ein anerkannter Teil unserer Gesellschaft wahrgenommen und die Fürsorge für diese in Not geratenen Menschen als Grundlage demokratisch-solidarischen Handels verstanden werden.
Hoch die internationale Solidarität!“
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