Berlin/Stuttgart. Mitglieder der neu gegründeten Gefangenengewerkschaft – unter ihnen auch ihr Sprecher Oliver Rast – sind seit Freitag, 18. Juli, im Hungerstreik. Er soll bis Sonntag, 20. Juli dauern. Sie wollen mit dem Streik ihre Solidarität mit Gefangenen in Griechenland zeigen, die momentan gegen die Einführung von Isolationsgefängnissen kämpfen. Das teilt das Netzwerk „Freiheit für alle politischen Gefangenen Stuttgart“ mit.
Mehrere Gefangene wie Marco Camenisch, Ahmet Düzgün Yüksel oder Andreas Krebs in der Bundesrepublik und der Schweiz haben sich demnach entschlossen, den dreitägigen Solidaritätshungerstreik vom 18. bis zum 20. Juli 2014 in mehreren Haftanstalten zu initiieren. Hintergrund ist die Einführung der sogenannten C-Typ-Isolationstrakte in griechischen Gefängnissen. Die Gesetzesvorlage habe das griechische Parlament innerhalb weniger Wochen durchgepeitscht.
Das zentrale Ziel des repressiven Staatsapparats liege in der Isolierung politischer und rebellischer Gefangener, heißt es in der Erklärung der Hungerstreikenden. Damit sei der Versuch verknüpft, die Gefangenenkollektive zu zerschlagen und die Kommunikation innerhalb und außerhalb der Knäste zu blockieren.
Thema Rente und Mindestlohn im Knast
Die Ende Mai in der JVA Tegel gegründete und inzwischen auf mehrere Berliner Haftanstalten ausgedehnte Gefangenen-Gewerkschaft verfolgt schwerpunktmäßig zwei Themen: Sie will erreichen, dass auch Häftlinge den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro erhalten und dass Inhaftierte, die innerhalb der Anstalt in diversen Betrieben Arbeit verrichten, gesetzlich rentenversichert werden. Bisher sind sie von der Rentenversicherung ausgenommen.
Die Gefangenen-Gewerkschaft der JVA Tegel versteht sich als Interessenvertretung, die insbesondere auf die Unterstützung der in den Justizvollzugsanstalten arbeitenden Inhaftierten zielt, heißt es in der Gründungserklärung. Sie beruft sich auf die in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes garantierte Koalitionsfreiheit. Der Gewerkschaftsverein, den man als eine Art basisgewerkschaftliche Initiative oder „Spartengewerkschaft“ (ähnlich wie Cockpit und GDL) bezeichnen könne, stehe allen in Tegel einsitzenden Beschäftigten offen.
Ein Akt der Normalisierung
Eine solche gewerkschaftliche Initiative von beschäftigten Gefangenen sei Ausdruck einer Normalisierung, also einer Anpassung an jene Verhältnisse, die außerhalb der Haftanstalten vorherrschen. In der Regel seien die in der Bundesrepublik tätigen Gewerkschaften ebenso wie ihre Initiative nicht-rechtsfähige Vereine. Als Inhaftierte schlössen sie damit an eine gängige Praxis gewerkschaftlicher Organisierung an.
Die Berliner Senatsverwaltung äußerte sich auf Anfrage zweier Abgeordneter der Grünen und der Linken zu der Initiative. Einerseits spricht sie den Gefangenen die Grundrechtsträgerfähigkeit zur Bildung von Koalitionen ab. Andererseits verbietet sie es den engagierten Inhaftierten nicht, dass sie auf der Basis dieses Koalitionsrechts in der Haftanstalt einen nicht eingetragenen Verein beziehungsweise eine Gewerkschaft gründen.
Gefangene sehen sich als Arbeitnehmer
Allerdings will die Senatsverwaltung nach angaben der Gefangenen die Grundrechtsträgerschaft auch mit der Begründung anfechten, dass Inhaftierte gemäß Strafvollzugsordnung unter Zwangsarbeitspflicht (§§ 37, 41 StVollzG) stünden. Deshalb gälten beschäftigte Inhaftierte nicht als Arbeitnehmer. Aus Sicht der Senatsverwaltung würden nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer vom Funktionsbereich der Koalitionsfreiheit umfasst – eine Auffassung, der sich die Gefangenen-Gewerkschaft naturgemäß nicht anschließt. Das müsste in der Konsequenz bedeuten, dass sich etwa Erwerbslose nicht gewerkschaftlich organisieren können, argumentiert sie. Das sei jedoch nicht der Fall, da sich Nicht-Berufstätige seit einigen Jahren innerhalb des DGB in Ausschüssen zusammenfinden.
Auch Inhaftierte müssten ihre Arbeitskraft als Ware zum Verkauf anbieten, um sich in den Haftanstalten beispielsweise über den erforderlichen Zusatzeinkauf zu versorgen oder ihre Angehörigen draußen finanziell zu unterstützen. In diesem Sinne seien sie faktisch Arbeitnehmer wie ihre Kollegen vor den Toren der JVA’s. Gefangenen den Arbeitnehmer-Status abzusprechen zu wollen, sei vor diesem Hintergrund absurd.
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