Stuttgart. Ausgelassen, fröhlich und entspannt war die Stimmung am Samstagnachmittag bei der 18. Parade zum Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart.
Mehr als 3500 Teilnehmer zogen in 67 Formationen vom Erwin-Schöttle-Platz im Stuttgarter Süden zum Schlossplatz. Rund 220 000 gut gelaunte Zuschauer und Zuschauerinnen säumten die Straßen. Die Parade unter dem Motto „Wir machen Aufruhr!“ versteht sich auch als politische Demonstration für Toleranz.
Die Veranstalter sprachen vom größten Schwulen- und Lesben-Festival, das es in der Stadt je gab. Allerdings hatte der CSD einen Schönheitsfehler: Sein offizieller Schirmherr, der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD), sagte aus Termingründen ab und ließ sich bei der Schlusskundgebung auf dem Schlossplatz von der SPD-Bundestagsabgeordneten Ute Vogt vertreten. Schmid, stellvertretender Ministerpräsident, hatte lediglich am Freitagmittag als Zeichen der Toleranz sechs Regenbogenfahnen vor dem Neuen Schloss hissen lassen. Seine Absage stieß am Samstag auf Kritik.
Martin Eitzenberger, Vorsitzender der Piratenpartei Baden-Württemberg, zeigte sich in einer Erklärung enttäuscht über sie. Er habe sich ursprünglich sehr darüber gefreut, dass der Finanzminister und Reutlinger Landtagsabgeordnete die Schirmherrschaft über den CSD übernahm – gerade vor dem Hintergrund der regelmäßigen Proteste rechter und klerikaler Kräfte gegen den Bildungsplan-Entwurf der grün-roten Landesregierung. Sie verdeutlichten, so Eitzenberger, wie viel Hass und Vorurteile gegenüber Homosexuellen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern, Intersexuellen und Queer-Menschen nach wie vor bestünden: „Von echter rechtlicher Gleichstellung und Gerechtigkeit sind wir trotz aller Verbesserungen der vergangenen Jahre noch immer weit entfernt.“
Umso mehr betrübe es ihn, dass Schmid seiner Rolle als Schirmherr in seinen Augen „bislang nicht im Geringsten gerecht wurde“. Mit Ausnahme der Eröffnungsgala habe er sich bei CSD-Veranstaltugnen fast ausschließlich vertreten lassen und die Gelegenheit verstreichen lassen, die Themen des CSD und die Probleme von LSBTTIQ-Menschen aktiv in den öffentlichen Diskurs zu tragen und für Toleranz, Akzeptanz und notwendige Reformen zu werben.
Am 27. Juni 1969 hatten sich schwule, lesbische, transsexuelle und transgender Menschen in New York erstmals gemeinsam gegen staatliche Willkür und gewaltsame Übergriffe der Polizei zur Wehr gesetzt. An dieses Ereignis erinnern die CSD-Paraden, die inzwischen in vielen Städten abgehalten werden.
Der Umzug durch Stuttgart wurde von einer Motorrad-Staffel und zwei Diven auf Stelzen eröffnet. Erstmals waren Abordnungen der Stadt Stuttgart und der Firmen Bosch und Daimler dabei – aber auch etwa eine größere Gruppe junger Leute von der Gewerkschaft IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie) mit extra angefertigten T-Shirts. Auch ein Lastwagen des Vereins lesbischer und schwuler Polizeibediensteter sowie Lesben und Schwule in der Union hatten sich in den Zug eingereiht – neben den Gruppen der anderen Parteien.
Bei der Abschlusskundgebung betonte Christoph Michl vom Vorstand der IG (Interessengemeinschaft) CSD Stuttgart, dass die Akzeptanz von „lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen (LSBTTIQ)“ längst noch nicht überall in der Gesellschaft verankert sei. Als Beispiel nannte er das Blutpendeverbot für bi- und homosexuelle Männer.
Im Anschluss an die Parade wurde gefeiert: Bei einer Hocketse der Aidshilfe Stuttgart auf dem Markt- und Schillerplatz, ebenso in den Klubs und Kneipen der Stadt.
Bilder des Tages von Andreas Scheffel und Alfred Denzinger
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