Stuttgart. Der Südwestrundfunkt (SWR) hat am Donnerstag, 31. Juli, vor dem Stuttgarter Landgericht einen Vergleich im Rechtsstreit mit dem Autobauer Daimler um eine Reportage mit versteckter Kamera abgelehnt. Nun muss das Gericht entscheiden. „Wir warten gespannt auf den 9. Oktober, den Verkündungstermin des Stuttgarter Landgerichts.“ Das sagte Gerhard Manthey, Mediensekretär von Verdi Baden-Württemberg, uns gegenüber nach der Verhandlung.
Die Journalisten-Gewerkschaft dju unterstützt die Position des SWR. Bei dem Rechtsstreit geht es um die Undercover-Reportage „Hungerlohn am Fließband“, aufgenommen im Daimler-Werk Untertürkheim. Sie dokumentierte, dass bei Daimler die Entlohnungspraxis von Beschäftigten am Fließband bei gleicher Arbeit sehr unterschiedlich ist (wir berichteten).
Die Daimler AG will mit einer Unterlassungsklage vor dem Stuttgarter Landgericht erreichen, dass der SWR 250 000 Euro Strafe bezahlen muss, wenn er die Reportage noch einmal ausstrahlt. Der SWR hatte sie mit versteckter Kamera im Untertürkheimer Werk von Daimler gedreht. Sie belegt laut SWR, dass Daimler über Werkverträge Menschen beschäftigt, die ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken müssen.
Der Pressefreiheit steht nun das Hausrecht von Daimler gegenüber. Dem Richter zufolge ist es unstrittig, dass die Aufnahmen rechtswidrig entstanden seien. Eine andere Frage sei jedoch, ob ihre Verwendung ebenfalls rechtswidrig sei. Denn wenn das öffentliche Interesse die Nachteile einer rechtswidrigen Beschaffung eindeutig überwiegt, wäre eine Ausstrahlung zulässig.
Der SWR sah sich durch den Verlauf der Verhandlung in seiner Auffassung bestätigt. Das weitreichende Echo auf den Film und die damit ausgelöste gesellschaftpolitische Diskussion habe gezeigt, dass ein ganz überragendes Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit bestehe, heißt es in seinem Bericht über die Verhandlung.
So drängte der Vorsitzende Richter Christoph Stefani den SWR und Daimler zu einer gütlichen Einigung. Der SWR lehnte ab. Das Gericht muss nun zu einer Entscheidung finden. Sie soll am 9. Oktober bekanntgegeben werden.
Dazu Verdi-Mediensekretär Gerhard Manthey:
Es ist immer eine Gratwanderung, letztlich einem Richter die Entscheidung über ein Urteil aufzugeben, das die Pressefreiheit schützt und garantiert, wahrhaft über willentlich von einem Unternehmen verborgene oder verschleierte Fakten berichten zu dürfen – auch wenn dabei Eingriffe in das Recht am Gewerbebetrieb vorgenommen werden. Journalismus muss dieses Recht nach Ansicht der dju – der Deutschen Journalistinnen und Journalisten Union in Verdi – haben. Sonst würde jegliche Demokratie am Werkstor ihre Gültigkeit verlieren.
Siehe zu diesem Thema auch das Interview „Von öffentlichem Interesse“ der „Jungen Welt“ vom 31. Juli 2014 mit der Bundesgeschäftsführerin der dju Cornelia Haß.
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