Stuttgart. Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei gegen Pressefotografen vorgeht, die das Vorgehen der Einsatzkräfte bei Kundgebungen, Demonstrationen und ähnlichen Anlässen kritisch begleiten und dokumentieren – zuletzt gerade erst in Hamburg. Doch in diesem Fall ist die Sache doch sehr an den Haaren herbeigezogen. Die Bundespolizei ermittelt gegen den Herausgeber und einen Fotojournalisten der Beobachter News. Der Vorwurf: Sie sollen gegen das Recht am eigenen Bild eines Beamten verstoßen haben, der sich auf einem veröffentlichten Foto aus dem Stuttgarter Hauptbahnhof zu erkennen glaubt.
Bei den Ermittlungen geht es um einen Artikel vom 21. April 2014 in unserem Online-Magazin. Unter der Überschrift „Die Polizei, dein Freund und Helfer – Geschichten von der Demo“ handelt er von einer Montagsdemo gegen das Projekt S 21, die im Stuttgarter Hauptbahnhof endete. Einige beigefügte Fotos dokumentieren Ausweiskontrollen und ähnliche Handlungen von Beamten der in Bahnhöfen zuständigen Bundespolizei gegenüber DemonstrantInnen.
Die Bundespolizei fragte die Redaktion der Beobachter News über das Kontaktformular auf unserer Website nach dem Verfasser des Artikels. Dadurch erfuhren wir, dass ein Beamter – obwohl aus unserer Sicht nicht zu erkennen – durch die Veröffentlichung sein „Recht am eigenen Bild“ verletzt sieht. Die Bundespolizei ermittelt nun wegen einer Straftat nach dem Kunsturheberrechtsgesetz. Mit Datum vom 21. Juli 2014 erhielten der Herausgeber und ein Journalist der Beobachter News eine Vorladung der Bundespolizei, der sie jedoch nicht folgten. Das ist auch ihr Recht.
Nach dem Kunsturheberrechtsgesetz (Paragraf 23) darf man Fotos von Personen ohne deren Einwilligung nur in bestimmten Fällen veröffentlichen – etwa Bilder aus dem Bereich der Zeitgeschichte, Bilder, auf denen die Personen nur Beiwerk sind, und Bilder „von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“. Verstöße werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bedroht (Paragraf 33).
Wir sind überzeugt, mit unserer Veröffentlichung gegen kein Gesetz verstoßen zu haben. Um unseren guten Willen zu zeigen, boten wir dennoch an, das beanstandete Foto von der Website zu entfernen, wenn die Anzeige zurückgezogen wird. Ein Rücknahme der Anzeige wurde von der ermittelnden Polizeibeamtin telefonisch mit der Begründung abgelehnt, dass die Sache ihren Kollegen zu wichtig sei. Daraus schließen wir, dass die Bundespolizei gezielt an einem Strafverfahren gegen die Beobachter News interessiert ist. Um die Sache nicht auf die Spitze zu treiben, haben wir inzwischen Balken über alle Gesichter der in dem Artikel abgebildeten Beamten gelegt.
Unsere Berichterstatter werden sich jedoch von den polizeilichen Ermittlungen nicht einschüchtern lassen. Schon in der Vergangenheit wurden unsere Text- und Fotojournalisten immer wieder von der Polizei bei ihrer Arbeit behindert und schikaniert. Einige Beispiele:
Ab Minute 6:27 gibt unser Mitarbeiter eine öffentliche Erklärung ab.
- Einer unserer Fotoreporter wurde in Stuttgart mehrfach von Beamten provoziert und in einem Fall auch von einem uns namentlich bekannten Beamten mit Gewalthandlungen bedroht , wenn er das Fotografieren polizeilicher Übergriffe nicht einstellt. Die daraufhin eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde wurde zurückgewiesen.
-
Derselbe Kollege wurde vor einem halben Jahr bei der Dokumentation einer Demonstration von Beamten zu Boden gestoßen und dabei so schwer verletzt, dass er einen Kreuzbandriss erlitt. Das Knie musste operiert werden, unter den Folgen leidet der Kollege noch immer.
- Ein Journalist der Beobachter News wurde von einem Polizeibeamten bei einer Demonstration in Stuttgart dazu aufgefordert, seine Fotoaufnahmen zu zeigen. Es wurde ihm die Beschlagnahme seiner Fotoausrüstung angedroht. Der Journalist lehnte dies ab. Video von den Kollegen von CamS21 (ab Minute 6:27).
- Fotoreporter der Beobachter News wurden bereits mehrfach bei Demonstrationen der Bildungsplangegner in Stuttgart festgehalten, so dass sie ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten.
- Der verantwortliche Redakteur der Beobachter News wurde bei einem Wahlkampfauftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Schwäbisch Gmünd nicht als Berichterstatter zugelassen. Da er sich noch nie etwas zu Schulden kommen ließ, gingen die Beamten dabei offensichtlich von falsch über ihn gespeicherten Daten aus, die sie auch noch an den privaten Sicherheitsdienst auf dem Kundgebungsplatz weitergaben.
-
In Pforzheim und in Stuttgart wurde ein Fotoreporter der Beobachternews von Beamten am Hals gepackt. In Stuttgart wurde der Journalist, die Hand des Beamten am Hals, über die Straße gestoßen. Die Beamten griffen nicht nur nicht ein, sondern die Polizei verweigerte auch im Nachhinein eine Anzeigenaufnahme. Obwohl hierzu Bilder und Videomaterial vorliegen.
In Pforzheim wurde der Kollege angegangen, nachdem er den Übergriff auf eine Sanitäterin dokumentiert hatte. Der Beamte packte ihn am Hals und sagte, dass es Pressefreiheit hier nicht gäbe.
Die Liste ließe sich fortsetzen. Die polizeilichen Repressionen werden jedoch nichts daran ändern, dass die Berichterstatter der Beobachter News auch weiterhin ihr besonderes Augenmerk auf das Vorgehen der Einsatzkräfte bei Versammlungen und Demonstrationen richten.
Folge uns!