Ulm. Etwa 400 Palästinenser, Türken und Angehörige anderer Nationen trafen sich am Nachmittag des Sonntag, 10. August 2014, auf dem Kornhausplatz in Ulm zu einer Kundgebung für „Frieden in Gaza“. Unter ihnen waren viele Frauen und Kinder mit Schildern, auf denen unter anderen zu lesen war „ Stop killing children“, „Stop terrorism in Gaza“, Stop the massacre“, „Stopt den Völkermord – Pray for Gaza“.
Zur Eröffnung der Kundgebung begrüßte Ilyas Sarialtin die Teilnehmer und forderte Frieden für Palästina und Israel. Er trug das 98. Kapitel (Al Bayyina) des Qurans vor. Um den strengen Auflagen des Ordnungsamts Ulm gerecht zu werden, verlas Ilyas Sarialtin explizit die Abschnitte sieben und acht aus dem Auflagenbescheid auf Deutsch und Türkisch. In seiner Rede begann er mit dem am 2. Juli 2014 entführten palästinensische Jugendlichen Muhammed Ebu Hudayr, der von jüdischen Siedlern in Jerusalem entführt wurde und bei lebendigem Leib verbrannt worden sei. Desweiteren verwies Ilyas Sarialtin auf dem 7. Juli 2014, als Israel mit dem Angriff „Operation Protective Edge“ auf Gaza begann. Dabei wurde Gaza über Luft und über See angegriffen. Zehn Tage später, am 17.Juli, marschierten israelische Bodentruppen in Gaza ein.
Weitere wichtige Bestandteile seiner Rede widmete Ilyas Sarialtin US- Außenminister John Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Sie reisten in das Gebiet, um diplomatische Gespräche mit den Regierungsvertretern von Katar, Ägypten, Palästina und der Türkei zu führen. Ilyas Sarialtin ging ebenfalls auf die Aussagen des ehemaligen US- Außenministers Henry Kissinger ein: „Wenn Israel seine Politik nicht ändert, wird es im Jahre 2022 keinen Staat Israel geben.“
Ein Neuntel der Bevölkerung Gazas ist obdachlos
Das Leid, das die palästinensische Bevölkerung seit dem 7. Juli 2014 ertragen muss, sei grausam. 200 000 Einwohner von 1,82 Millionen der Gesamtbevölkerung mussten ihre Wohnungen verlassen und sind obdachlos. Es fehle überall an Strom und Wasser.
Ilyas Sarialtin verdeutlichte das Ausmaß des Leids mit einem Vergleich: „Es würde bedeuten, dass ein Neuntel der Bevölkerung Deutschlands davon betroffen wäre. Das wäre so also ob 9 Millionen Deutsche ihre Wohnungen verlassen müssten.“ Seit Beginn der Gaza-Offensive seien 1867 Menschen gestorben und 9470 Menschen schwer verletzt worden. 5238 Häuser seien niedergebombt, über 30 000 Häuser beschädigt worden, von denen 4370 Häuser nicht mehr bewohnbar sind. Ilyas Sarialtin zitierte den palästinensischen Minister Mufid el-Hasayine: „Durch die Israelischen Angriffe seit dem 7. Juli 2014 ist ein Schaden von mehr als 4 Milliarden Dollar entstanden“.
Kritik an Israel bedeutet nicht Kritik an den Juden
Ilyas Sarialtin zitierte auch das ehemalige Direktionsmitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland Dr. Rolf Verleger. Er äußerte sich am 22. Juli 2014 im Deutschlandfunk: „Ich finde es eine Absurdität, sich hinzustellen und zu sagen, das sei das selbstverständliche Verteidigungsrecht Israels, dieses Massaker in Gaza anzurichten.“ Wenn Politiker und Medien in Deutschland Israels Politik für richtig hielten und Repräsentanten des Judentums jede Kritik an Israel zur Kritik an Juden erklärten, fordere man antisemitische Parolen geradezu heraus.
„Man kann ja nicht jeden Quatsch, den Israel da macht, mitmachen. Man kann der Gazabevölkerung das Recht nicht absprechen, sich gegen den Terror Israels zu wehren? Ich meine, so kommt man doch nicht weiter. Man muss doch Kausalketten sehen“, so Verleger, von Beruf Psychologe, weiter. Die Friedensverhandlungen unter Kerry seien zusammengebrochen aufgrund von Israels Handeln – das habe Kerry ziemlich klar gesagt: aufgrund der weitergehenden Siedlungspolitik, aufgrund der Nichtfreilassung von Gefangenen, wie vereinbart. Daraufhin habe sich die palästinensische Hamas mit Fatah zusammen getan, das wurde allgemein in den USA und Europa begrüßt. Jedoch wollte Netanjahu verhindern, dass sich Fatah und Hamas einigen, und habe eine Kampagne gestartet in der Westbank und Hunderte von Mitgliedern der Hamas verhaftet. Dabei seien auch ein paar Leute getötet worden.
„Man kann auf geraubtem Land nicht in Frieden leben“
„Darauf passierte ja diese Entführung der drei Jugendlichen, die ja sofort tot waren, und das wusste die Israelische Regierung, aber das wurde ja ignoriert, um diese Kampagne weiterzuführen“, erklärte Rolf Verleger. „Die sind auf dem völlig falschen Weg. Dieser Konflikt – man kann auf geraubtem Land nicht in Frieden leben. Das Land ist den Palästinensern weggenommen worden und es muss eine vernünftige friedliche Regelung her. Die bedeutet, dass Israel schmerzhafte Kompromisse machen muss.“
Ilyas Sarialtin appelliert kurz vor Ende seiner Rede an die KundgebungsteilnehmerInnen: „Wir hoffen und beten, dass die Friedenverhandlung anfangen und Früchte tragen werden, sodass der Nahe Osten endlich zur Ruhe kommt und Frieden einziehen kann. In der Hoffnung dass beide Seiten verstehen: Es gibt nur ein friedliches Miteinander mit einer Zwei-Staaten-Lösung“. Zum Schluss verlas Ilyas Sarialtin ein Friedensgebet.
Gazastreifen. Zwischen Gaza und Israel sind die Grenzen seit der Übernahme der Macht durch die Hamas im Jahr 2007 geschlossen. Nachdem die Muslim-Brüder in Ägypten von der Herrschaft vertrieben wurden, sind die Grenzübergänge zum Gaza-Streifen auch dort wieder geschlossen worden. Seither ist der nur 360 Quadratkilometer große Küstenstreifen (1,82 Millionen Einwohner) faktisch von der Außenwelt abgeriegelt und nur über illegale Tunnelsysteme erreichbar, die im Zuge des jüngsten Krieges von Israel aber weitgehend zerstört wurden.
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