Text und Bilder: Julian Rettig – Meßstetten/Zollernalbkreis. Die Gemeinde Meßstetten auf der Schwäbischen Alb lud für Mittwoch, 20. August 2014, zu einem Infoabend in ihre Turn- und Festhalle ein, um den Bürgerinnen und Bürgern die Funktion einer geplanten Erstaufnahmestelle des Landes für Asylsuchende zu erläutern. In Meßstetten soll – für begrenzte Zeit – eine solche Erstaufnahmestelle eingerichtet werden. Die vorhandenen Einrichtungen sind längst überfüllt.
Im Internet wetterten schon vorab Gegner des Vorhabens gegen die Einrichtung. Auch die NPD wollte an der Veranstaltung teilnehmen und Flyer verteilen. Nach mehreren Fragerunden wurde der Infoabend jedoch ohne Störaktionen beendet. Von der NPD oder einer Protestaktion durch die rechte Szene war den ganzen Tag nichts zu sehen.
Auf dem Vorplatz der Turn- und Festhalle Meßstetten standen zwischen den wartenden Besuchern und ein paar Polizisten auch AktivistInnen mit Schildern, auf denen zum Beispiel „Gegen Rassismus – Kein Fußbreit den Faschisten“ stand. Keinem von ihnen fielen Flyer oder Transparente der NPD auf.
Der Ansturm auf die Informationsveranstaltung war allerdings groß. Schon eine halbe Stunde vor Beginn war die Halle voll. Weil ein Auftritt der NPD erwartet wurde, waren am Eingang und vor dem Podium Bereitschaftspolizisten positioniert.
Die Veranstaltung wurde pünktlich vom Bürgermeister Lothar Mennig eröffnet. Die weitere Moderation übernahm Werner Knubben, Polizeiseelsorger in Pension. Er übergab das Wort an die Referenten. Aus dem Minsterium für Integration waren Ministerialdirektor Wolf-Dietrich Hammann und die Ministerin Bilkay Öney angereist. Zu Beginn erklärte sie den Anwesenden das Vorhaben. Asylsuchende, die Baden-Württemberg zugewiesen werden, müssen als erstes für ungefähr drei bis sechs Wochen in die zentrale Landeserstaufnahmestelle (LEA), bis sie auf die einzelnen Gemeinden verteilt werden. Aktuell kommen in der LEA Karlsruhe etwa 100 Personen pro Tag an.
Auch der Ministerialdirektor erklärte, die Aufnahmestelle Karlsruhe müsse so schnell wie möglich entlastet werden. Sein Ministerium sei auf der Suche nach geeigneten Militärgrundstücken oder landeseigenen Liegenschaften. Bis aber eine langfristige Lösung gefunden sei, werde noch Zeit vergehen. Aus diesem Grund möchte das Ministerium die Zollernalb-Kassernen bis höchstens Ende 2016 nutzen.
Hier sollen zwischen 500 und 1000 Menschen gleichzeitig unterkommen. Eigentlich sucht das Ministerium einen Standort, der eine bessere Infrastruktur aufweist. Kurzfristig sei die Kasserne aber eine gute Lösung, weil die bauliche Substanz noch gut erhalten sei, betonten die Referenten. Insgesamt, gestand Bilkay Öney ein, sei die Unterbringung in der bisherigen LEA problematisch, weil in den letzten Jahren Kapazitäten abgebaut wurden, die nun dringend benötigt würden.
Nachdem die geplante LEA durch die Politiker vorgestellt wurde, durfte das Publikum Fragen stellen. Darauf antworteten außer den Vertretern des Ministeriums und dem Bürgermeister auch die Vizepräsidentin des Tübinger Regierungspräsidiums Grit Puchan und Landrat Günther-Martin Pauli. Sie forderten, die Bewohner der Stadt sollten ihre Ängeste und Sorgen äußern.
Stärkere Polizeipräsenz auch zum Schutz der Asylsuchenden
Einige Fragesteller hatten tatsächlich Bedenken, was die Sicherheit in der Aufnahmestelle angeht und ob ihre Infrastrucktur überlastet würde. Für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge werde das Land sorgen. Auch die Brandsicherheit werde geprüft, antworteten Grit Puchan und Wolf-Dietrich Hamann. Die Bewohner der Aufnahmestelle seien freie Menschen, betonte er. Einen Wachdienst, der den Einlass auf das Gelände und das Verlassen anhand der Bewohnerausweise kontrolliert, wird es ebenfalls geben, fügte er hinzu. Ein anderer Punkt war, was passiert wenn traumatisierte Flüchtlinge dem direkt angrenzenden Truppenübungsplatz ausgesetzt sind. Die Ministerin versicherte: Höchst traumatisierte Flüchtlinge werden dort nicht einquartiert.
Die Verantwortlichen wollen auch die Polizeipräsenz „anpassen“. Das war nicht nur die Antwort auf die Frage, ob die örtlichen Strukturen geeignet seien, eventuelle Konflikte in der Aufnahmestelle zu kontrollieren, sondern auch auf die Befürchtung, es könnte Gewaltübergriffe gegen die Asylbewerber geben.
Nach mehreren Fragerunden wurde die Veranstaltung ohne Störaktionen beendet. Von der NPD oder einer Protestaktion durch die rechte Szene war den ganzen Tag nichts zu sehen.
Hetze gegen Flüchtlinge im Internet
Als wenige Tage zuvor die Lokalpresse die Öffentlichkeit informierte, in Meßstetten gebe es eine geeignete Zwischenlösung, war auf Facebook sofort eine Seite mit dem Namen „Kein Asylbewerberheim in Meßstetten“ aufgetaucht (siehe unten). Dort werden seitdem rassistische Statements niedergeschrieben. Um Gerüchten entgegen zu wirken, wurde mit zwei Tagen Vorbereitungszeit die Infoveranstaltung organisiert.
Jürgen Schützinger, NPD-Kreisrat aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis, hatte darauf im Namen seiner Partei angekündigt, sie werde die Veranstaltung besuchen – wozu es dann aber nicht kam. Dem Bürgermeister lag an dem Abend daran zu zeigen, dass die Diskussion im Internet für seine Gemeinde nicht repräsentativ sei. So waren aus dem Publikum zwar Stammtischparolen zu hören, zu denen eine kleine Gruppe im hinteren Teil des Saals eifrig applaudierte. Die eigentliche Hetze beschränkt sich bisher aber wohl tatsächlich auf das Internet.
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