Berlin. Dramatische Szenen prägen seit zwei Tagen das Bild in der Berliner Gürtelstraße. Die Polizei hat die Straße abgeriegelt, nur Anwohner dürfen passieren. Ein Mann droht, vom Dach des Hostels zu springen, auf das sich Flüchtlinge zurückgezogen haben. Er harrt mit weiteren Asylsuchenden vom Oranienplatz auf dem Dach aus, um gegen die Einstellung aller Leistungen zu protestieren. Die aktuelle Lage ist beängstigend.
Während den Flüchtlingen der Zugang zu Nahrung und Getränken verweigert wird und der Strom abgestellt wurde, ist inzwischen ein Flüchtling stark erkrankt. Medizinische Leistungen würden von der Justiz unterbunden, heißt es in Berichten aus Berlin. Anwälte und Journalisten dürften ebenfalls nicht zu den Flüchtlingen.
Die protestierenden Flüchtlinge, überwiegend aus dem Niger, sind Teil eines Agreements, das im April mit dem Senat Berlin in persönlichen Verhandlungen geschlossen wurde. Noch am Dienstag formierte sich starker Protest von Unterstützern. Sie zogen durch Berlins Straßen. (Wir berichteten)
Wie die Flüchtlinge erklärten, wurden sie zum Großteil erst am Montag und nur mündlich über die Entscheidung des Senats informiert, dass sie ihre Unterkunft verlassen müssten. Am Dienstag sind einige Flüchtlinge mittellos ausgesetzt worden. Der Senat habe hier „in äußerster Willkür, menschenverachtend und rechtswidrig“ gehandelt, so die Flüchtlinge weiter. Die aufenthaltsrechtlichen Verfahren seien nicht umfassend im Rahmen aller Möglichkeiten geprüft worden.
Letzter Ausweg ist das Sozialgericht
Flüchtlinge klagen mit Eilanträgen gegen die Ablehnung ihrer Prüfverfahren. Die Verfahren gegen den Rauswurf aus den Unterkünften können Wochen dauern. Dennoch zeigen sich einige Flüchtlinge kämpferisch. „Wir wurden einfach auf die Straße gesetzt“, erklärten sie. Einen schriftlichen Bescheid der zuständigen Behörde für jeden der 108 Flüchtlinge habe es nicht gegeben, sondern lediglich für jene, die getrennt ein Verfahren bei der Ausländerbehörde beantragt hatten. Offenbar hielt es weder die für die Flüchtlinge zuständige Sozialverwaltung des Senats noch die Ausländerbehörde für nötig, die am Dienstag vom Auszug und der Streichung aller bis dahin gewährten Leistungen betroffenen Personen schriftlich zu informieren.
Flüchtlinge fordern vom Senat neue Prüfung
Die Flüchtlinge fordern grundsätzlich die erneute Prüfung und die Überstellung der Verfahren aus anderen Bundesländern nach Berlin, wie es im Agreement mit dem Senat zugesagt wurde. Weiter verlangen die Flüchtlinge während der Prüfung die gesetzlich vorgesehene Grundversorgung einschließlich Unterbringung und der schon bisher rechtswidrig komplett verweigerten Krankenversorgung. Die Flüchtlinge fordern die Vertreter der Sozialverwaltung, der Integrationsbeauftragten, der Ausländerbehörde und die Senatorin Dilek Kolat zu Verhandlungen auf. Sie wollen auch einen gesicherten Zugang zu ihren AnwätInnen. Hierzu die Presseerklärung des Flüchtlingsrates Berlin
Anwohner solidarisch gegen rechte Parolen
In den letzten zwei Nächten unterstützten Anwohner die Anhänger der Flüchtlinge, die in der Nähe der Absperrungen blieben, mit Essen, warmen Getränken und Schlafsäcken. Die Unterstützer organisierten mehrere spontane Solidaritätskundgebungen in einer Nebenstraße. Dies blieb jedoch in der rechten Szene nicht unbemerkt. Sie quartierte sich in einer nahegelegenen Gaststätte ein. Aus dieser Gaststätte gegenüber dem Kundgebungsort wurden am Mittwochabend rechte Parolen skandiert. Kurze Zeit später liefen via Twitter Unterstützungs- Tweets von Flüchtlingsunterstützern. Auch Anwohnern war vor den Rechten bang.
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