Göppingen. Der Naziaufmarsch von Anhängern des so genannten „Dritten Wegs“ am Samstag, 30. August 2014, in Göppingen und das Verhalten der Stadtverwaltung haben ein Nachspiel. Offenbar hielt es Oberbürgermeister Guido Till nicht für nötig, Mitglieder des „Runden Tischs gegen Rechts“, Fraktionsvorsitzende und Gemeinderäte – auch nicht die lokale Presse – über die bevorstehende Nazikundgebung zu informieren. Das wird ihm jetzt zum Vorwurf gemacht.
Hintergrund des Konflikts sind unterschiedliche Einschätzungen, wie am besten mit den Naziaufmärschen umzugehen ist, die seit Jahren die Stadt in Atem halten. Der OB behielt die Anmeldung der Kundgebung für sich, obwohl Anhänger und einschlägig bekannte Nazis aus dem Raum Göppingen und Esslingen dabei waren. In einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ zeigte sich Till im Nachhinein hoch zufrieden mit diesem Vorgehen.
Die „Neue Württembergische Zeitung“ hatte am Freitag noch die städtische Pressestelle nach rechtsextremen Demoanmeldungen gefragt. Es gebe keine, war die Antwort. Den Zusagen, die Oberbürgermeister Guido Till den Mitgliedern des „Runden Tischs gegen Rechts“ gemacht hatte, folgt er offenbar nicht – obwohl ihm die Kundgebung bereits eine Woche zuvor bekannt war.
Unser Berichterstatter hatte am Samstag bei Oberbürgermeister Guido Till nachgefragt, wann der „Runde Tisch gegen Rechts“ wieder tagen werde. Die Antwort: Einen „genauen Termin kann ich nicht sagen, jedoch sollte dieser direkt nach der Sommerpause sein. Bitte fragen Sie diesbezüglich nochmals an“. Doch nun heißt es aus uns bekannten Quellen: „Die Stadt prüft nun erst die Zukunft des Runden Tisches gegen Rechts. Angesichts der fehlenden Demoanmeldung und wegen der Verfahren gegen führende Akteure und des möglichen Verbots der lokalen rechten Organisation sieht die Verwaltung das rechtsextreme Problem als nicht mehr so wichtig“.
Dekan Rolf Ulmer, der für den evangelischen Kirchenbezirk Göppingen den letzten Sitzungen des „Runden Tisch gegen Rechts“ beiwohnte, sagte uns in einem Telefongespräch auf die Frage, ob er von Oberbürgermeister Guido Till über eine bevorstehende Neonazikundgebung informiert worden sei: „Ich wurde von unseren Oberbürgermeister nicht informiert. Jedoch habe ich in der Zwischenzeit mit ihm gesprochen.“ Wir fragten weiter nach: Was bezweckte OB Guido Till wohl mit seinem Schweigen? Darauf Dekan Rolf Ulmer: „Dies fragte ich ihn. Oberbürgermeister Guido Till erwiderte mir, ‚dass die Rechten nur eine geringe Aufmerksamkeit erfahren.“ Dies sei nur durch Schweigen gelungen, so Till.
In einer aktuellen Presserklärung der Fraktion der Linken und Piraten im Göppinger Gemeinderat heißt es: „OB Till unterstützt Nazis“:.
Dass OB Till die existente Nazibedrohung für Göppingen nicht sehen will, ist leider nichts Neues. Dass er jedoch entgegen seiner Zusagen beim „Runden Tisch gegen Rechts“ nicht einmal die Fraktionsvorsitzenden, die Presse, den Gemeinderat und die Mitglieder des „Runden Tisches“ über eine angemeldete Nazidemo in unserer Stadt informiert, ist ein absolutes No-Go. Allein auf weiter Flur, vorbei am eigentlichen Kurs der Sozialbürgermeisterin Zull und ohne sein kommunalpolitisches Kontrollorgan, den Gemeinderat, trifft OB Till Entscheidungen, gewollt oder ungewollt, die einer Unterstützung der rechten Szene gleichkommen. Parteien, Kirchen, Verbände, Gewerkschaften, Organisationen, Polizei und Bündnisse bilden den „Runden Tisch“. Der „Runde Tisch“ ist keine Institution von „Tillschen Gnaden“. Er ist notwendig und wird gebraucht. Unsere Fraktion wird deshalb den Vorstand des Bündnisses „Kreis Göppingen nazifrei“ bitten, aufgrund der aktuellen Situation umgehend einen „Runden Tisch“ einzuberufen. Wir erwarten, dass sich auch die Stadtverwaltung und OB Till an ihre Zusagen halten und an diesem Termin teilnehmen werden. Unsere Fraktion ist gespannt, welche Fraktionen im Rat noch ihrer Verantwortung gegenüber den Göppinger Bürgern, auch in Erfüllung des gesetzlichen Auftrages, gerecht werden.
Das waren Auszüge aus der Presseerklärung von Christian Stähle, dem Fraktionsvorsitzenden der Fraktion LINKE & PIRATEN, Hüsnüye Yalcinkaya, Stadträtin und Michael Freche, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Presseerklärung der Fraktion
Bislang haben sich noch keine weiteren Fraktionsmitglieder oder Stadträte auf Anfragen unseres Berichterstatters zur vergangenen Nazi-Kundgebung und zum Verhalten des Oberbürgermeisters Guido Till geäußert.
Hier geht’s zum Interview der „Stuttgarter Zeitung“ mit OB Guido Till.
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