Interview von Channoh Peepovicz – Hamburg/Stuttgart. Vor etwa sechs Wochen haben Beamte eine Wohnung in Hamburg nach Beweisen für Bilder durchsucht, durch deren Veröffentlichung im Internet Polizisten ihr „Recht am eigenen Bild“ verletzt sehen. Was an sich schon komisch klingt ist es auch. Denn weshalb wird nach Fotos gesucht, die ohnehin schon online verfügbar sind? Es folgte eine Welle von Bekundungen der Solidarität, Pressemitteilungen, Artikeln und Kommentaren in (Tages-)Zeitungen. Wir sprachen mit dem betroffenen Fotografen, der die Facebookpage „Demofotografie HH“ betreibt.
Wie lief die Hausdurchsuchung ab?
Ich selbst war gar nicht zu Hause. Lediglich meine Freundin. Sie wurde gegen 7 Uhr morgens aus dem Bett geklingelt. Sie hat sich dann die Ausweise der vier Beamten zeigen lassen und den Durchsuchungsbeschluss. Die Polizisten haben mehrfach gefragt, wo ich denn sei. Irgendwann haben sie es hingenommen, dass ich wohl wirklich nicht anwesend bin. Meine Freundin hat dann als erstes eine befreundete Anwältin angerufen und sich nochmals genau erkundigt, wie sie am besten vorgehen solle.
Was wollten die Beamten denn genau?
Es schien auch so, als ob sie [die Beamten] nicht genau wissen, was sie denn nun mitnehmen sollen und was nicht. So wurde zum Beispiel eine ganze Weile über eine analoge uralt-Spiegelreflex gerätselt, welche dann letzten Endes nicht eingezogen wurde. Eine analoge Minolta hingegen schon. Des Weiteren wurde diverse Elektronik beschlagnahmt (Laptop meiner Freundin, Speicherkarten, ein alter Computer und so weiter) Zusätzlich erregte ein Schuhkarton mit Aufklebern von meiner Seite die Aufmerksamkeit der Ermittler. Sie haben aber auch so eine Art „Internet- oder Computerspezialisten“ dabeigehabt, welcher zum Beispiel USB-Festplatten direkt gecheckt hat.
Konntest du, beziehungsweise deine Freundin, deine/ihre Rechte wahren?
Ja, es lief wohl alles ziemlich vorschriftsmäßig ab. Eine Kopie des Beschlusses wurde ausgehändigt, und meine Freundin konnte sich auch frei in der Wohnung bewegen und zum Beispiel telefonieren.
Wie lang hat die Durchsuchung gedauert?
Etwa eine Stunde. Wie gesagt, ich war selbst ja nicht da. Da wir erst vor kurzem in die Wohnung gezogen sind, standen noch überall Kartons rum, welche dann natürlich ebenfalls durchsucht wurden. Es wurde aber nichts kaputt gemacht oder so. Alles in allem haben die sich korrekt verhalten.
Wonach wurde genau gesucht? Stand die Formulierung „alle internetfähigen Geräte“ im Beschluss?
Nein, sie hatten eine ziemlich detaillierte Liste mit Gegenständen, nach denen gesucht werden soll.
Du hast dich für eine Veröffentlichung der Geschichte entschieden. Warum?
Nun, ich war ja selbst im Urlaub, als ich die Nachricht bekam und erfuhr, was mir vorgeworfen wurde. Dazu bekam ich dann auch recht schnell eine Kopie des Beschlusses und der Verfügung, welche Fotos aus dem Internet zu verschwinden haben. Ich habe das ganze analysiert und versucht einzuschätzen. Dann habe ich erkannt, dass etwa 80 Prozent der Forderungen vollkommen an den Haaren herbeigezogen wurden.
Zum Beispiel wurde ein Foto beanstandet, auf welchem etwa 20 Polizisten vor einem Wasserwerfer zu sehen sind. Damit kann gar nicht gegen das Recht am eigenen Bild verstoßen werden. Ich selbst sehe die Hausdurchsuchung als reine Repression gegen Fotografen, welche die Polizeiarbeit mit der Kamera begleiten. Außerdem ist es sicherlich immer ganz aufschlussreich, bei Linken eine Durchsuchung zu machen. Wer weiß was sich da noch so alles findet?
Viele Portale, Onlinemagazine, Parteien und Tageszeitungen haben den Fall aufgenommen. Hast du mit einer solchen Resonanz gerechnet?
Ich glaube, ich habe eher damit gerechnet als die Polizei. Also für die PR muss ich mich eigentlich beim LKA nochmal bedanken, allein die Likes meiner Facebookseite haben sich bereits am ersten Tag nach der Durchsuchung fast verdoppelt.
Dein Fall hat eine Debatte ausgelöst, ob Journalisten auch Aktivisten sind oder ob jemand, der „nur“ auf FB und Twitter veröffentlicht, sich „Journalist“ nennen darf. Wie siehst du diese Entwicklung?
Das ist keine leichte Frage. Ich bin nicht hauptberuflich als Journalist tätig, sondern verdiene meine Brötchen in einem anderen Beruf. Der Definition von journalistischer Tätigkeit hingegen, der komme ich glaub ich schon ziemlich nahe. Das ist sicherlich ein Streitpunkt, auch im Umbruch und im Zuge stetig steigender Wichtigkeit von Onlinemedien. Fakt ist, dass allein ein Presseausweis nicht der Punkt sein sollte an dem man es fest macht. Denn zum einen kann so ziemlich jeder, der bereit ist, einiges an Jahresbeitrag auf den Tisch zu legen, einen Presseausweis bekommen. Und zum anderen muss man zur Beantragung seine journalistische Tätigkeit nachweisen, also vorher schon ohne das Stück Plasik journalistisch tätig gewesen sein.
Du wurdest durchsucht, vor einigen Wochen Woche hat die Polizei einen Demofotografen aus München bei einer Nazikundgebung festgenommen und die Speicherkarten beschlagnahmt. Gegen die Beobachter News wird ebenfalls ermittelt. Wie schätzt du diese Lage ein?
Ich glaube, dass die Polizei oder auch die Staatsanwaltschaft mal schauen will, wie weit sie kommen. Da haben sie einen Fotografen, der das nicht hauptberuflich macht und keine große Redaktion oder einen großen Verband hinter sich hat. Sie versuchen, das Brett an der dünnsten Stelle zu bohren. Davon könnte sich der Staatsschutz zum Beispiel eine Rechtsprechung erhoffen, die dann auch „gegen“ etablierte Medien genutzt werden kann. Sorgen bereitet die Sache, dass sich solche Fälle langsam häufen. Es gibt hier viele Situationen, die gesetzliches Neuland sind. Scheinbar wird hier versucht, die Grenzen neu auszuloten.
Was passiert nun weiter? Wann bekommst du deine Sachen wieder?
Das weiß ich noch nicht. Sowas kann ja dauern, die Speichermedien sind wohl zur Zeit zur Spiegelung und danach wird ich sie hoffentlich abholen können. Bei „analogen“ Sachen wie den Stickern befürchte ich länger warten zu müssen.
Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit gab am 26. Juli 2014 eine Solidaritätserklärung mit dem Hamburger Demofotografen ab, die wir hier im Wortlaut dokumentieren:
Am Mittwoch durchsuchte die Hamburger Polizei bei einem Linke- und ver.di-Aktivisten die Wohnung. Dazu eine Solidaritätserklärung des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit:
Sehr geehrte Damen und Herren,
am Morgen des 23.07. hat es eine Hausdurchsuchung bei dem Mitglied der Partei DIE LINKE und ver.di-Jugendvertreter T. gegeben, der Betreiber der Facebookseite Demofotografie HH ist. Auf dieser Website werden Bilder von Demonstrationen gepostet.Angeblich wurden durch die Veröffentlichung der Fotos die Persönlichkeitsrechte von PolizeibeamtInnen verletzt. Abgesehen davon, dass die Teilnahme – auch im Dienst als PolizistIn – bei öffentlichen Versammlungen Teil des öffentlichen Lebens ist und man damit rechnen muss, auf Fotos zu erscheinen, ist es völlig unverhältnismäßig deswegen eine Hausdurchsuchung durchzuführen.
Die Polizei scheint der Meinung zu sein, dass ihr Verhalten auf Demonstrationen in der Öffentlichkeit nicht
dokumentiert werden soll. Angesichts der vielfältigen Übergriffe der Polizei in Hamburg gegen Flüchtlinge und DemonstrantInnen in den letzten Wochen und Monaten, ist das zwar nicht überraschend – aber eine öffentliche Dokumentation umso wichtiger.Die Hausdurchsuchung kann in diesem Zusammenhang nur als offensichtlicher Einschüchterungsversuch gegen AktivistInnen verstanden werden.. Wir werten dies auch als einen Angriffe auf die Pressefreiheit und damit auf unsere erkämpften demokratischen Rechte.
Wir erklären unsere Solidarität mit T. und fordern:
– die sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn
– sofortige Rückgabe aller beschlagnahmten Gegenstände
Zum Vergleich: Ähnliche Bilder wie diese, auf welchen sich Beamte zu erkennen glaubten, waren der Stein des Anstoßes.
(C) Demofoto-HH
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