Stuttgart. Unter dem Motto „Roma haben kein sicheres Herkunftsland!“ rufen das „Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung“ und der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg zu einer Demonstration am nächsten Samstag, 13. September 2014, auf dem Schlossplatz in Stuttgart auf. Sie beginnt um 12 Uhr.
Die Bundesregierung will Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als „sichere Herkunftsländer“ einstufen, um Asylsuchende aus diesen Staaten leichter abschieben zu können. Das Vorhaben richtet sich vor allem gegen Roma. Der Bundestag hat am 4. Juli 2014 zugestimmt, der Bundesrat soll am 19. September über die geplante Änderung des Asylrechts entscheiden. Rechtzeitig vor diesem Termin wollen die Organisatoren der Demonstration in Stuttgart ihren Protest gegen das Gesetzesvorhaben auf die Straße tragen. Sie fordern die Grünen in der Landesregierung auf, in ihrem Nein gegen diese Asylrechtsverschärfung standhaft zu bleiben.
Noch ist unklar, ob es bis zur Bundesratssitzung weitere Gespräche zwischen Bund und Ländern geben wird. Das Zünglein an der Waage sind die von den Grünen mitregierten Bundesländer wie Baden-Württemberg und Brandenburg, wo die Linke mitregiert. Wenn auch nur eines dieser Bundesländer diesem Gesetz doch noch zustimmt, wird es zu einer weiteren Beschneidung des Asylrechts kommen. Andernfalls werden die sieben rot-grün regierten Länder voraussichtlich das Gesetz ablehnen. Damit wäre das Gesetzesvorhaben gescheitert und käme vor den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.
Aus Sicht der menschenrechtspolitischen Sprecherin der Fraktion der Linken Annette Groth wird es „höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung endlich darauf konzentriert, für den Abbau von Feindbildern und Diskriminierung einzutreten, anstatt Vorurteile weiter anzuheizen, indem sie sich in ihrer exzessiven Verwendung von Schlagwörtern wie „Armutsmigration“ selbst solcher Klischees bedient. Die Bundesregierung muss endlich geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung voranzubringen“.
„Es ist erschreckend, wie schnell christliche Werte bei Strobl über Bord geworfen werden“, sagte der Landesvorsitzende der Grünen Oliver Hildenbrand. Er zeigte sich tief besorgt angesichts von Äußerungen des CDU-Landeschefs in der Debatte über die Unterbringung von Flüchtlingen. „CDU-Landeschef Thomas Strobl spielt unterschiedliche Flüchtlingsgruppen schamlos gegeneinander aus. Wer in dieser angespannten Situation Stimmung gegen Roma macht, der betreibt ein brandgefährliches Spiel mit dem Feuer.“
„Wenn die Bundesregierung Serbien, Mazedonien, und Bosnien-Herzegowina als sicher deklariert, dann ignoriert sie die Berichte zahlreicher namhafter Organisationen, nach denen Roma starker sozialer und rassistischer Diskriminierung ausgesetzt sind.“ Das sagt das „Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung“. Die Einstufung weiterer Staaten als so genannte sichere Herkunftsstaaten beschneide den menschen- und flüchtlingsrechtlichen Anspruch auf eine sorgfältige, einzelfallbezogene und unvoreingenommene Prüfung der Schutzbedürftigkeit von Menschen.
Weitere geplante Gesetzesänderungen sähen grund- und menschenrechtswidrige Verschärfungen der Abschiebehaft vor. Pauschale Kürzungen der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz widersprächen überdies dem Menschenrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.
Amnesty international fordert umfassenden Flüchtlingsschutz
Amnesty international appelliert in einem Brief an Grüne und Linke, zu ihren Versprechen beim Flüchtlingsschutz zu stehen. Die Menschenrechtssituation in den drei genannten Staaten des Westbalkans lasse eine Einstufung als sichere Herkunftsstaaten nicht zu. Gerade für Angehörige der Roma gebe es grundlegende strukturelle Probleme in diesen Ländern.
„Existenzgefährdende Formen der Diskriminierung und der fehlende staatliche Schutz vor rassistischen und homophoben Angriffen sind durchau asylrechtlich relevant“, schreibt Amnesty. Das Gütesiegel „sicheres Herkunftsland“ entzöge überdies einer ernsten Kritik der Bundesregierung an der Menschenrechtssituation in diesen Ländern, besonders an der Lebenssituation von Roma, den Boden. Das Gesetz dürfe auch nicht im Gegenzug für Zugeständnisse in anderen Bereichen des Asylrechts hingenommen werden – etwa bei der Dauer des Arbeitsverbots oder dem Recht auf Gesundheitsversorgung.
Nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung meint jeder Dritte, die Bundesrepublik sei in gefährlichem Maß überfremdet. Diese Leute fühlen sich bedroht. Von Menschen, die sie nicht kennen, aus Ländern, über die sie nichts wissen. Für Psychologen gibt es zwei Erklärungen für diese Angst vor Fremden. Zum einen nehmen Menschen ihre soziale Umwelt verzerrt wahr. Zum anderen wollen sie sie verzerrt wahrnehmen. Dabei folge der Mensch zwei grundlegenden Prinzipien: „Er hat es gern einfach, und er hat sich einfach gern“.
Aufruf zur Kundgebung
Aufruf zur Kundgebung serbisch
Appell an die Landesregierung von Baden-Württemberg
Zu der Kundgebung rufen auf:
Freiburger Forum Aktiv gegen Ausgrenzung
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
Arbeitskreis Roma-Solidarität Konstanz
Aktionsbündnis Abschiebestopp Konstanz
Aktion Bleiberecht Freiburg
AWC Deutschland e. V. – Weltbürgerinnen und Weltbürger
Beratungsstelle CHAI
Netzwerk rassismuskritische Migrationspädagogik Baden-Württemberg
Freundeskreis Asyl Karlsruhe e.V.
Medinetz Freiburg
Gesellschaft für bedrohte Völker Regionalgruppe Karlsruhe
Arbeitskreis Asyl Metzingen
linksjugend [’solid] Baden-Württemberg
Amnesty International Baden-Württemberg
Arbeitskreis Asyl e.V. Schwäbisch Gmünd
AGDW Stuttgart
Ak Menschenrecht e.V. im GLOBAL Bad Waldsee
Annette Groth (MdB, DIE LINKE)
Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim
Refugio Stuttgart
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