Stuttgart. Oliver Kube, Stadtrat der Linken in Ludwigsburg, wurde am Mittwoch, 10. September 2014, zu 150 Euro verurteilt. Hintergrund war die erste Demonstration der rechtslastigen Bildungsplangegner am 1. Februar 2014 in Stuttgart (wir berichteten).
Kommentar von Oli Kube zu seinem Prozess vor dem Stuttgarter Amtsgericht:
Mit diesem Urteil war zu rechnen.
Auch ohne Beweise im Sinne der Anklage. Ich habe dies jedoch vorab zumindest öffentlich nicht kundgetan, man hätte es mir ja als Schuldeingeständnis auslegen können.Mir wurde übrigens keineswegs vorgeworfen, mich an der endgültigen Blockade beteiligt zu haben, die dann am 1. Februar letztlich zur vorzeitigen Auflösung der homophoben Demonstration führte. Nein, es ging um den „Zwischenstopp“ auf Höhe des Schlosses.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich halte es für legitim, auch mal Gesetze zu übertreten, wenn es darum geht, rassistischer, sexistischer und/oder homophober Hetze etwas entgegenzusetzen. Eine Verurteilung nach § 21 Versammlungsgesetz ist aber mehr als absurd. Dort ist von Störungen unter Anwendung von Gewalt oder Gewaltandrohungen oder groben Störungen in dem Ausmaß, dass die Versammlung gesprengt wird oder abgebrochen werden muss oder die weitere Durchführung nicht zumutbar für die Teilnehmer ist (Gewalt oder Gewaltandrohung wurde mir von keiner Seite vorgeworfen). Nun ist natürlich fraglich, was alles als „grobe Störung“ gilt. Dazu gibt es diverse Urteile, die u.a. als Kriterium nennen, ob es möglich ist, die „Blockade“ zu umgehen. Auch eine Zeitverzögerung reicht laut diesen Urteilen nicht aus, um als „grobe Störung“ bewertet zu werden.
Vor Betreten des Gerichtssaals mussten sich alle die rein wollten – inklusive der Presse – einer Personenkontrolle unterziehen. Das ganze Programm: Ausweis vorzeigen (es wurden Kopien gemacht), alle mitgeführten Gegenstände abgeben, abtasten lassen. Keine Ahnung, was die erwartet hatten. Jedenfalls fasste mir der Beamte der mich abtastete für meine Begriffe öfter an den Hintern, als notwendig sein sollte um festzustellen, ob ich darin eine Waffe verstecke. Das Amtsgericht Stuttgart sollte dringend über Awareness-Strukturen nachdenken.
Grob oder nicht grob – das ist hier die Frage
Der einzige „Zeuge“, der gegen mich aussagte, ein Polizeibeamter, begann seine Aussage mit dem Satz: „Ich war an diesem Tag gar nicht selbst vor Ort…“, was unter den ZuschauerInnen verständlicherweise für Gelächter sorgte. Das war der Polizist, der sich Bilder und Videos angeschaut hat und mich darauf erkannte, weil ich vor ein paar Jahren ja ziemlich aktiv gegen Stuttgart 21 war. Auf die Frage des Richters, ob die Bildungsplangegner die sogenannte „Blockade“ hätten umgehen können, antwortete er zunächst mit einem entschiedenen „Nein“. Mein Rechtsbeistand nahm ihn anschließend scharf und auch ein wenig humorvoll in die Mangel, woraufhin er eingestand: „Es wäre wohl theoretisch möglich gewesen, es wurde aber nicht versucht“, nachdem er kurz zuvor nochmals für Amüsement gesorgt hatte, indem er behauptete, es sei unmöglich, auf dem Schlossplatz(!) ein drei Meter langes Banner zu umgehen. (Mein Rechtsbeistand klärte ihn dann darüber auf, wo und was der Schlossplatz ist.)
Meine Aussage war:
„Ich bin herumgestanden und habe Parolen gerufen – mehr nicht.“ Um mir die „grobe Störung“ nachzuweisen, wurde auf einem Laptop ein zwanzigminütiges Video gezeigt, wo zu sehen ist, wer hätte es gedacht, wie ich herumstehe und Parolen rufe – mehr nicht. Weder Sitzblockade (die übrigens laut Bundesverfassungsgericht nicht verboten sind), noch unterhaken, noch sonst was. Auch sieht man gelegentlich Bildungsplangegner und Gegendemonstranten untereinander gemischt dastehen, ohne dass es Ausschreitungen dabei gegeben hätte.
Sich zwanzig Minuten ein Video anschauen zu müssen, in welchem nur herumgestanden wird, ist schon langweilig genug – noch langweiliger jedoch für die Menschen die als Zuschauer zum Prozess gekommen waren, sowie für die Presse, da rein „zufällig“ kein Beamer in dem Raum vorhanden war (ne Leinwand gabs aber).
In seinem Plädoyer machte mein Rechtsbeistand deutlich, dass es eine Farce ist, von einer „groben Störung“ im Sinne des § 21 zu sprechen. Er wies außerdem darauf hin, dass wir das Gedankengut des Alten Testaments, laut welchem Homosexuelle gesteinigt werden sollen, doch nun endlich mal begraben sollten und bescheinigte den Gegendemonstranten aufgrund ihrer kreativen Protestformen eine „hohe Intelligenz“.
Und lachen ist auch verboten!
Als der Richter die Urteilsbegründung kundtat, kam es erneut zu einer kleinen Comedy-Einlage: „Es handelt sich hier um eine leichte Stör…äh ich meine, eine leichte grobe Störung.“ Nachdem er mir ein Grinsverbot erteilt hatte („Hören Sie auf damit!“ – „Ist Grinsen verboten?“ – „Ja.“) und die Zuschauer dies mit einem Kichern quittierten, meinte er: „Und lachen ist auch verboten. Das hier ist eine ernste Sache.“ Ja, sehr ernst. So ernst, dass man nur darüber lachen kann.
Anmerkung der Redaktion:
Die Bildungsplangegner haben sich bereits wieder angekündigt (wir berichteten). Sie wollen ihre homophobe Hetze am Sonntag, 19. Oktober 2014, wieder in Stuttgart auf die Straße tragen. Nicht nur wir werden vor Ort sein.
In diesem Sinne:
Man sieht sich… auf der Straße! 😉
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