Berlin. Der Verfassungsschutz hatte schon im Jahr 2005 Hinweise auf die Terrorgruppe NSU. Es sei eine CD aus jenem Jahr gefunden worden, die das Kürzel NSU/NSDAP enthalte, erklärte das Bundesamt. Es bestätigte damit Medienberichte. Mitglieder des Bundestags-Innenausschusses zeigten sich empört, dass der Inlandsgeheimdienst das bislang nicht preisgegeben hatte.
Die SPD fordert einen Sonderermittler. Der Fund reihe sich ein „in eine Serie von Pannen des Bundesamtes für Verfassungsschutz“, sagte die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic nach Angaben der Nachrichtenagentur DPA. Petra Pau vom Vorstand der Linksfraktion, Vize-Präsidentin des Bundestags und Mitglied in dessen früherem NSU-Untersuchungsausschuss, wurde in einer Erklärung deutlicher: Der Verfassungsschutz habe die Gefahr durch den NSU „sträflich ignoriert“ und noch vor einer Woche auf Fragen im Innenausschuss nach dem V-Mann „Corelli“ und der CD abgewiegelt.
Nach einem Bericht von „Publikative.org“ vom 1. Oktober 2014 schrieb „Bild“ unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) durch jenen V-Mann bereits im Jahr 2005 von der Existenz des Kürzels NSU wusste. Demnach hatte der V-Mann Thomas Richter, der den Decknamen “Corelli” trug, seinem Quellenführer beim Verfassungsschutz bereits 2005 eine DVD mit rechtsextremem Material und einer Datei mit dem Titel “NSDAP/NSU” übergeben. Bei einer Erstauswertung des Datenträgers im Jahr 2005 habe nach “Bild”-Informationen beim BfV niemand etwas mit dem Kürzel “NSU” anfangen können.
Hier die Erklärung von Petra Pau:
Verfassungsschutz ignorierte NSU-Gefahr sträflich
Nach aktuellen Medienberichten wusste das Bundesamt für Verfassungsschutz entgegen eigener Verlautbarungen bereits 2005 von einer CD namens „NSU/NSDAP“. Dazu erklärt Petra Pau,
„Bis zum Auffliegen der NSU-Nazi-Bande im November 2011 gab sich das Bundesamt für Verfassungsschutz unwissend. Diese Schutzbehauptung bröckelt immer mehr.
Noch vor Wochenfrist hatte der Chef des BfV, Dr. Maaßen, im Innenausschuss des Bundestages alle konkreten Fragen nach V-Mann ‚Corelli‘ und der CD ‚NSU/NSDAP‘ abgewiegelt.
Nun stellt sich die Frage: Log er oder ist er Dr. Ahnungslos? In beiden Fällen wäre er als Chef eines Bundesamtes fehlbesetzt und mithin ein Fall für den Bundesinnenminister.“
Wie Publikative.org“ weiter berichtet, tauchte beim Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz eine weitere DVD mit dem Titel “NSU/NSDAP” aus dem Jahr 2006 auf, an deren Produktion “Corelli” offenbar beteiligt gewesen sei. Sie soll 15 000 rassistische und antisemitische Texte und Bilder enthalten haben und im Begleittext als “erste umfangreiche Bilddaten-CD des Nationalsozialistischen Untergrundes der NSDAP (NSU)” angepriesen worden sein.
Dazu Publikative.org:
Sollten diese Informationen zutreffend sein, scheint sich zunehmend zu bewahrheiten, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz mit “Corelli” sehr nahe am NSU dran – an seiner Propaganda sogar möglicherweise beteiligt – war. Weiterhin stellt sich noch drängender die Frage nach “Corellis” Tod im April 2014. Der 39-Jährige war überraschend im Zeugenschutzprogramm verstorben. Offizielle Todesursache: eine unentdeckte Diabetes. Daran zweifeln sogar Abgeordnete des Bundestags, die im parlamentarischen Kontrollgremium den Fall untersuchen. Der “Bild”-Bericht, wonach “Corelli” als V-Mann des Verfassungsschutzes dem Geheimdienst bereits 2005 einen Hinweis auf den NSU lieferte, dürfte diese Zweifel noch verstärken.
SPD fordert Sonderermittler
Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka sprach ebenfalls von “immer neuen Ungereimtheiten und Versäumnissen im Fall „Corelli“”, die weitere Fragen aufwerfen. “Wenn nach Presseberichten das Bundesamt für Verfassungsschutz schon im Jahre 2005 die CD mit dem Hinweis auf den „NSU“ erhalten hat, dann ist mir völlig unerklärlich, warum dies nicht schon gegenüber dem NSU-Untersuchungsausschuss offenbart wurde”, sagte Lischka. Er forderte “daher eine lückenlose und eingehende Prüfung des gesamten Vorgangs, damit wir diesen auf fundierter Grundlage neu bewerten können”.
Die SPD wolle schnellstmöglich die förmliche Einsetzung eines Sachverständigen als Sonderermittler beantragen. “Hier muss jetzt jeder Stein im Bundesamt für Verfassungsschutz umgedreht werden, damit Parlament und Öffentlichkeit erfahren, was sich tatsächlich ereignet hat.”
Folge uns!