Waibstadt. „Es hat super funktioniert. Sie sind keinen Meter weit gelaufen.“ Stefan Seitz, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat von Sinsheim, ist hoch zufrieden: Die 5700-Einwohner-Gemeinde Waibstadt hat am Sonntag, 5. Oktober, gezeigt, dass sie keine Nazi-Propaganda duldet. Mehrere hundert Menschen blockierten eine direkt am Bahnhof angemeldete Demo gegen die örtliche Flüchtlingsunterkunft. Die 12 bis 15 aufmarschierten Rechten zogen unverrichteter Dinge wieder ab.
Keinen einzigen Meter war das braune Lager marschiert, die vorgesehene Demoroute blieb versperrt. Die Redebeiträge der Rechten waren nirgendwo zu verstehen. Die „Rhein-Neckar-Zeitung“ berichtete von zirka tausend Gegendemonstranten aus Waibstadt, die dem Aufruf des Bürgermeisters Joachim Locher gefolgt waren. Vor allem ein Interview mit ihm in der Samstagsausgabe der Zeitung scheint viele Menschen mobilisiert zu haben.
Stefan Seitz schätzt die Zahl der Gegendemonstranten auf mindestens 600. Die meisten standen vor dem Rathaus, Seitz zusammen mit anderen auf einer Brücke. Die Waibstädter freuten sich offensichtlich über ihr gemeinsames Vorgehen. Viele hatten selbst angefertigte Banner dabei und riefen Parolen. Vor dem Rathaus gab es Kuchen. Mitglieder des Musikvereins hatten ihre Instrumente mitgebracht, die Kolpingfamilie ein Banner, das sie vor dem Kirchenportal aufspannte. Immer mehr Leute kamen hinzu, so dass der Platz für die Rechten am Bahnhof immer enger wurde.
In der Region aktive Neonazis – sie nennen sich „Freie Nationalisten Kraichgau“ und agieren meist zusammen mit der „Weißen Rebellion Sinsheim“ und der NPD – wollten sich Anwohner-Bedenken gegen eine Flüchtlingsunterkunft in der Gemeinde zunutze machen. Ende August gab es eine Demonstration von Anwohnern. Dem Vermieter sollen an die 500 Unterschriften gegen die Unterbringung von Flüchtlingen an diesem Standort übergeben worden sein.
Der örtliche Gemeinderat billigt es geschlossen, dass in einem früheren Altenheim, das der Rhein-Neckar-Kreis angemietet hat, bis zu achtzig Asylsuchende untergebracht werden. Die „Freien Nationalisten“ versuchten jedoch, Stimmung gegen die Flüchtlinge zu machen, und verteilten Flyer gegen die „Asylflut“ – sehr zum Verdruss der WaibstädterInnen. Als Neonazis „nationale Nachtwachen“ in der Art einer Scharia-Polizei vor dem Heim organisierten, hatte man in Waibstadt genug. Die Polizei erteilte den „Nachtwachen“ einen Platzverweis.
Der NPD-Kreisverband meldete die Kundgebung am Sonntag an. Die Propaganda verfing jedoch nicht. Die zwölf bis 15 angereisten Neonazis verließen den Ort nach knapp zwei Stunden unter Freudenbekundungen der WaibstädterInnen.
Die Grünen hatten im Vorfeld die Bemühungen der WaibstädterInnen unterstützt und zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen. Neben dem SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci war auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel am Samstag vor Ort, ebenso Mitglieder des Kreistags, Gemeinderäte, Stadträte, Ortsvorsteher und Vorstände der Grünen auf Kreisverbands- und Ortsverbandsebene. „Wir sind stolz auf Waibstadt“, heißt es in einer Erklärung der Partei.
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