Einführungsrede von Gez Zirkelbach
KUNST GEGEN RECHTS
Ausstellung und Workshops
Manufaktur Schorndorf von 17.10. – 14.11.2014
MIR FÄLLT NICHTS EIN – SONDERN ETWAS AUF, sagte einmal der Künstler, Bildhauer, Maler, Zeichner und Antifaschist Alfred Hrdlicka.
Guten Abend meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Künstlerinnen und Künstler,
mit einer kleinen Einführung möchte ich die Ausstellung KUNST GEGEN RECHTS, organisiert von der Initiative Rems-Murr nazifrei! in Kooperation mit dem Club Manufaktur Schorndorf und den Künstlerinnen und Künstlern eröffnen.
„Hey ihr … weckt doch keine schlafenden Hunde, hier gibt’s doch gar keine Nazis … das war früher … ihr erschafft die ja mit euerm ROCK GEGEN RECHTS und euren DEMOS … ich bin auch gegen Nazis, aber am Besten man schweigt … ja der NSU, der Nationalsozialistische Untergrund und der Verfassungsschutz … das war schlimm … aber das ist vorbei und … hier gibt’s „so was“ nicht.“
Das sind Menschen, die die Situation verkennen, denn wenn wir uns vor Augen führen, dass seit 1990 in Deutschland ungefähr
140 Menschen aus ausländerfeindlichen Gründen ermordert wurden und eine Vielzahl von rassistischen Übergriffen und Brandanschlägen verübt wurden und immer noch werden, erinnere ich hier an Hoyerswerda und Hünxe 1991, Rostock-Lichtenhagen 1992, Mölln 1992, Solingen 1993 …
Niemals werde ich die Bilder aus Rostock vergessen, wo wir als „Konsumenten“ vor der Glotze hockten und uns das Nichteinschreiten der Polizei offenen Mundes ansehen mussten. Es genügt nicht, nur dagegen zu sein, es müssen auch Aktionen gemacht werden und zwar immer mit den Mitteln, die wir draufhaben …
mit Theorie, Organisierung, Demos, Aktionen und mit MUSIK wie „LAUT GEGEN RECHTS“, das seit einigen Jahren erfolgreich in der Manufaktur von Rems-Murr nazifrei! veranstaltet wird.
ROCK GEGEN RECHTS gab es erstmals 1979 in Frankfurt am Main anlässlich eines Aktionsbündnisses gegen die NPD und Neonazis. Wir bildenden KünstlerInnen sind eine Art Seismographen der Gesellschaft und müssen mit Kunst agieren, mit Kunst angreifen! … Dann kommen wieder DIE: „Kunst soll doch schön sein – also hör’ mal, mir muss es gefallen – („von nix eine Ahnung, weder von Kunstgeschichte noch von Geschichte“) – aber mir muss es gefallen.“ „ L ’ a r t p o u r l ’ a r t “ sagen die Anderen, die meinen es drauf zu haben – KUNST GEGEN RECHTS find’ ich gut – aber hier gibt’s des ja net.“
Ich sag es mal laut:
Das Remstal und das Murrtal, das Filstal und auch die „Berglein“ dazwischen sind Gegenden, in denen Neonazis definitiv aktiv sind. Neonazis demonstrieren unter Polizeischutz!
Die Initiative Rems-Murr nazifrei! sensibilisiert und macht auf diese Umtriebe aufmerksam mit vielen Aktionen, jetzt erweitert mit KUNST GEGEN RECHTS, wie auch die Workshops, die im Innenhof der Manufaktur heute nachmittag stattgefunden haben und deren Ergebnisse wir unten sehen können. Nach einem längeren Anlauf ist es Rems-Murr nazifrei! gelungen, Künstler/innen zu Stellungnahmen gegen Rechts zu aktivieren.
Die Ausstellung mit Malerei, Graphik, Fotografie, Installation, Aktion- und Konzeptkunst von Künstlern und Aktiven aus der Region sehen Sie hier:
Denk ich an WINTERBACH
Peter Schmidt zeigt heute seine Installation Winterbach zum ersten Mal in Schorndorf. Hierbei geht es um die Hetzjagd auf Menschen und den Brandanschlag auf die neun jungen Männer türkischer und italienischer Herkunft im Jahr 2011. Was wie eine Märklin – Eisenbahnlandschaft daherkommt, entlarvt die Heimat-Idylle als Treffpunkt von Neonazis, direkt vor unserer Haustür. Die beiden hier heimischen Fotojournalisten Alfred Denzinger und Nico Denzinger dokumentieren mit großen Farbabzügen die realen Überreste des barbarischen Anschlags in Winterbach. Freddy und Nico Denzinger sind immer mutig und ganz nah dran mit ihrer Kamera, nicht nur bei Demos und Aktionen gegen Rechts.
Es ist eine Zunahme rechtspopulistischer Bewegung in ganz Europa zu beobachten; in Deutschland neben der NPD die rechts-populistische AfD und andere Gruppierungen, in Frankreich die Front National als auch die identitäre Bewegung und in Belgien und und und …
Angelika Fischer präsentiert Konzeptkunst in Form eines T-Shirts und Thesen zum Thema, wie Wege vom entfesselten Kapitalismus zu Rechtsextremismus – und zu Faschismus und Krieg führen können. – Lesen Sie auf ihrem Bildobjekt mit T-Shirt und Text ein Beispiel für Gewaltausübung an DemonstrantInnen letztes Jahr in Frankfurt am Main, ähnlich den Beispielen, wie wir sie 2013 vom Taksim Gezi Park Istanbul hörten und aktuell aus Hongkong berichtet bekommen.
Manfred Bodenhöfer, Graphiker, Maler und Zeichner aus Stuttgart, beteiligt sich mit zwei Graphiken, 70 x 90 cm hinter Glas, Tusche auf Fließpapier, entstanden in verschiedenen Schichten und durch Abkleben. Thematisch wird in dem Bild links in einer pluralistischen Gesellschaft eine kleine braune Zelle sichtbar,
auf dem zweiten Blatt der Serie „Wehret den Anfängen“ wird das Ergebnis sichtbar … eine ganze Gesellschaft befindet sich hinter Gittern. Manfred weiss, warum er auf diese Weise darauf hinweist, denn seine Familie hat böse Erfahrungen im NS-Regime machen müssen.
Loubna Forer, Aktionskünstlerin aus Stuttgart macht eine Aktion zum Thema. Ihre „Mitspieler“ bei ihren Aktionen und Performances sind auch unfreiwillig Polizisten, die sie mit ihrer Kamera zu Schauspielern, Aktionskünstlern oder Statisten macht. Anzugucken bei youtube …! Heute hat sie u. a. einen Meterstab mitgebracht, mit dem sie Grenzziehungen mit dem Lineal durchziehen wird …
(Einschub nach der Eröffnungsrede durch Angelika Fischer: Loubna Forer, palästinensischer Herkunft, hat auf der Etage der Manufaktur-Bilderwand einen Stand aufgebaut. Sie tritt mit Hitlerbart und Pickelhaube auf. Sie protestiert mit ihrer Aktion gegen Grenzen! Sie macht Straßenperformances gegen staatliche Überwachung, unterstützt Flüchtlinge und entwirft unter dem Label Fick-Shui individuelle Mode, die sich den Gesetzen des Massenmarktes entzieht. Bei der Aktionskünstlerin Forer fließen Kunst und politischer Aktivismus ineinander. – An ihrem Stand zeigt eine Notebook-Präsentation Loubna Forer auf dem Boden in Stuttgart agierend – vor einer Polizeieinheit im Einsatz. An Loubnas Stand ist außerdem eine kleine runde Stacheldrahtskulptur mit einem halbaufgeklappten Mini-Meterstab zu sehen, an die Stacheldrahtkugel angeheftet ein Foto mit Abbildungen ihrer palästinen-sischen Eltern. Mutter und Vater mussten drei Kriege durchkämpfen und –durchleiden, der Vater ist vor langer Zeit in einem der Nahostkriege verschollen geblieben. Loubna Forers Mutter lebt seit dreißig Jahren in Stuttgart unter miesen und prekären Bedingungen – sie bekommt kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, in ihrem Reisepass steht der Stempel „Duldung“.)
Maria Gideon präsentiert eine Studie „Innen sind wir roh“, die die in Berlin lebende Künstlerin ebendort durchführte und mit denen sie Rassismus entlarvt und ad absurdum führt. Sie stellte die Aufgabe: „Fülle mit einem roten Kugelschreiber dieses Blatt“. Die Ergebnisse ähneln sich, egal wo ein Mensch herkommt und was er oder sie für eine Geschichte hat … alle Menschen sind miteinander verwandt und Geschwister.
Hardy Langer zeigt in seinem Ölbild „Die Besucher“, eine fast unheimlich wirkende Szene von Schorndorf? und wirft dadurch viele unterschiedliche Fragen auf, wer diese Besucher denn sind?
Sind das Aliens, fragte einer oder sind das Fremde aus einer fremden Welt, die hier anlanden? Sind es Wanderer, Obdachlose, Rumänen, sind es Sinti oder Roma, womöglich sind es Neonazis, die in unser schwäbisches Idyll eindringen – „denn hier gibt’s doch gar koine“. Interessant, dass wir uns über die Unheimlichkeit dieser Szenerie, über das nicht Ausformulierte der Figuren auf allerlei Fragen einlassen. So werden Ängste und Vorurteile transportiert, die in vielen Menschen schlummern.
Johann Schickinger und ich haben gemeinsam studiert an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und zwar bei Alfred Hrdlicka. Johann Schickinger ist Bildhauer und Zeichner und lebt in Höchstädt an der Donau. Er ist in Schorndorf nach seiner Ausstellung „Wider die Verlogenheiten“ mit mir 2010/2011 bekannt. Seinerzeit hatte er viele seiner Bronze- und Holzskulp-turen gezeigt und war auf Widerstand gestossen – wie unsere gesamte Ausstellung – , die sich gegen die herrschenden Verhältnisse wandte. Hier in der Manufaktur zeigt Johann zwei ausdrucksstarke Lithographien, die die ausländerfeindlichen Anschläge von Mölln und Hoyerswerda – unvergessen – zum Thema haben.
Johann ist ein Künstler, der aneckt, er benennt die Dinge, wie sie sind. – Ein Satz in einem seiner ersten Kataloge, der mich sehr berührt lautet sinngemäß „ich mache keine Oberflächenkosmetik“.
Gez Zirkelbach, das bin ich, Maler und Grafiker aus Schorndorf, ich zeige ein Acrylbild „FÜR DIE OPFER“. Das in zarten Farben gehaltene Bild, das ich mit Walzenrapport und Linolschnitten in Kombination mit Malerei 1999 gemacht habe aufgrund der Morde, die bis dahin von Neonazis in der BRD verübt wurden, hängt ganz vorne am Treppenaufgang zur Bilderwand. Ich schaffe mit diesem Bild Raum für Gedenken an die zahlreichen Opfer der gewalttätigen Neonaziangriffe auf hier lebende Menschen in unserer Zeit und lege als Wert des Lebens das Blattgold symbolisch ins Bild.
KUNST GEGEN RECHTS soll anregen zur Auseinandersetzung, zur Diskussion, zum Gespräch, zum Nachdenken und soll zum Handeln führen, gemäss der Maxime von Alfred Hrdlicka:
MIR FÄLLT NICHTS EIN – SONDERN ETWAS AUF
Schorndorf, 17.10.2014
Hier geht´s zum Bericht über die Ausstellung KUNST GEGEN RECHTS.
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