Schorndorf. Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung beschloss der Verein „Weiler schaut hin! e.V.“ am Dienstag, 21.Oktober, einstimmig seine Auflösung. Hauptgrund: Der Nazitreff „Linde“ existiert nicht mehr. Da es außerdem zwischen den Mitgliedern von „Weiler schaut hin! e.V.“ und der Initiative „Rems-Murr nazifrei!“ sowohl personelle als auch organisatorische Schnittmengen und somit überflüssige Parallelstrukturen gibt, haben die Mitglieder von „Weiler schaut hin!“ beschlossen, sich bei „Rems-Murr nazifrei!“ zu engagieren.
Haben sich die Nazis eine andere „Hochburg“ gesucht? In Korb? In Göppingen?
Hierzu erklärt Tim Haller von der Initiative „Rems-Murr nazifrei!“:
Wir werden sie überall aufstöbern… ob in Weiler, in Korb, in Göppingen oder wo auch immer auf der Welt. Wir werden sie nirgendwo in Ruhe lassen.
Chronologie von „Weiler schaut hin! e.V.“
Im August 2006 übernahm der NPD-Funktionär Jürgen Wehner die Gaststätte „Linde“ in Schorndorf-Weiler als Eigentümer und Betreiber. Kurz darauf war die „Linde“ ein bundesweiter Nazi-Treff und diente unter anderem bei der Bundestagswahl 2009 und der Landtagswahl 2011 als Logistikzentrum für den Wahlkampf der NPD im süddeutschen Raum.
Diesem unverhohlenen Nazi-Treiben in der „Linde“ wollten einige kritische und antifaschistisch gesinnte Menschen aus Weiler und Umgebung nicht stillschweigend und tatenlos zusehen. Sie gründeten Ende 2006 die Bürgerinitiative „Weiler schaut hin!“. Sie sah sich als Gegenaktivität zur neofaschistischen „Linde“.
Um ihre Handlungsfähigkeit zu stärken, wurde die Initiative „Weiler schaut hin!“ im Herbst 2008 in einen eingetragenen Verein umgewandelt.
Vorrangiges Ziel von „Weiler schaut hin!“ war, die braunen Umtriebe in der „Linde“ zu beenden, damit sie wieder ein nazifreies Lokal wird. Die antifaschistischen Aktivitäten von „Weiler schaut hin“ sollten jedoch nicht nur auf Weiler begrenzt sein. Die Initiative handelte nach dem Motto „Kein Raum den rechten Umtrieben, weder in Weiler, noch anderswo!“.
Die Gegenmaßnahmen von „Weiler schaut hin!“ waren geprägt von einer unglaublichen Beharrlichkeit und Kontinuität. Es fanden regelmäßig einmal im Monat Mahnwachen vor der „Linde“ statt. Es wurden Informationsveranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen organisiert. So gab es im Dezember 2007 in Weiler die bis dahin größte Antifa-Demonstration in der Region. Über 500 Menschen beteiligten sich.
Ende 2011 erreichte „Weiler schaut hin!“ endlich das primäre Ziel: Der NPD-Wirt verlor seine Konzession, und somit gab es auch keine öffentlichen Nazitreffen mehr in der „Linde“. Dies kann sich „Weiler schaut hin!“ durchaus als Erfolg auf die Fahne schreiben. Durch ihren unermüdlichen Widerstand erreichte die Initiative, dass dem NPD-Funktionär Jürgen W. die Konzession entzogen wurde und der „Patriotische Stammtisch“ der NPD nicht mehr stattfinden konnte.
Der „Linde“ war damit der öffentliche Raum entzogen. Für die Nazi-Treffen konnte nicht mehr öffentlich geworben werden. „Die Leute fühlen sich hier nicht mehr wohl“, begründet der Wirt das stark nachlassende Interesse. Deshalb sei er mit einem der Stammtisch-Initiatoren, dem früheren Waiblinger NPD-Kandidaten bei Bundes- und Landtagswahlen Roberto Kurze, überein gekommen, die Veranstaltung nicht mehr stattfinden zu lassen.
In der Folge traf sich die Neonaziszene in der „Linde“ unter dem Deckmantel privater Veranstaltungen.
Am 26. Februar 2010 war es zu Übergriffen von Nazis aus der „Linde“ auf Teilnehmer der Mahnwache gegen die Naziaktivitäten gekommen. Bei diesen Vorfällen versuchten Nazis, gewaltsam eine genehmigte Versammlung zu verhindern. Sie griffen MahnwachenteilnehmerInnen körperlich an, beleidigten und beschimpften sie. Außerdem beschädigten Nazis Gegenstände des Vereins.
Eines muss noch erwähnt werden: Die antifaschistischen Aktivitäten von „Weiler schaut hin!“ stießen bei einem Teil der Bevölkerung von Weiler auf wenig Gegenliebe. Dieser Teil setzte eher auf stillschweigende Akzeptanz und sah in den „Weiler schaut hin!“-Aktivitäten einen Imageschaden für seinen Stadtteil. Außerdem waren nicht wenige Weiler Bürger regelmäßig oder unregelmäßig Gäste in der „Linde“. Dies zum Thema „rechte Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft“. Lieber wegschauen oder sogar tolerieren als handeln.
Wegen der rechten Umtriebe und Nazigewalt im Rems-Murr-Kreis entschieden sich im Mai 2010 die Verantwortlichen von „Weiler schaut hin! e.V.“ und die VVN-BdA–Kreisvereinigung Rems-Murr, das früher bestehende Bündnis gegen Rechts wiederzubeleben. So wurde die Initiative „Rems-Murr nazifrei!“ gegründet.
„Weiler schaut hin! e.V.“ ist ein fester Bestandteil dieser Initiative. „Rems-Murr nazifrei!“ organisiert antifaschistische Gegenaktivitäten, führt Informationsveranstaltungen durch, organisiert und beteiligt sich an antifaschistischen Demonstrationen, organisiert Konzerte gegen Rechts (Laut gegen rechte Gewalt) und ist Organisator von Kunst gegen Rechts. Rems-Murr nazifrei! ist auch überregional aktiv. Weitere Infos gibt es auf der Homepage der Initiative.
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