Kiel. Am Freitag, 14.11.2014, hat die Polizei in der Landeshauptstadt Kiel mindestens drei sogenannte „Gefährderansprachen“ bei AntifaschistInnen in Kiel durchgeführt – unter anderem bei der für die Gewerkschaft ver.di aktiven Sprecherin des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus Bettina Jürgensen. Als Ziel ihrer „Ansprache“ gaben die Zivilbeamten der Polizei an, eine Teilnahme dieser AntifaschistInnen an den dort antifaschistischen Demonstrationen am 15. November 2014 in Hannover gegen die stattfindende Kundgebung der „Hooligans gegen Salafisten“ verhindern zu wollen. In einem sehr aggressiven Ton wurde darauf hingewiesen, dass „Straftaten extrem niedrigschwellig durch die Polizei unterbunden werden“. Es wurde geradezu davor gewarnt, nach Hannover zu reisen. Geplante Reisewege und Angaben über Mitreisende wurden ebenfalls (erfolglos) erfragt.
In einem Referat Birgit Müllers an dem Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei (BPFI) wird festgestellt:
Bei der Gefährderansprache handelt es sich um ein verhaltensbeeinflussendes Instrument. Die individuelle Ansprache signalisiert dem potentiellem Gefährder, dass polizeiliches Interesse an seiner Person besteht, die Gefährdungslage bei der Polizei registriert wird und die Lage ernst genommen wird.
Weiter werden in diesem Papier folgende Aussagen genannt:
„Eine Allzweckwaffe zur Erfüllung des polizeilichen Auftrags.“
„Entsprechend pointiert ist die Gesprächssituation, die einem warnenden ,Kettengerassel‘ nicht unähnlich ist.“
„Die Polizei signalisiert ihnen: Wir kennen euch, wir haben euch im Auge.“
„Die individuelle Ansprache bewirkt, dass dem Täter ein erhöhtes Tatentdeckungsrisiko deutlich gemacht wird und durch das Gespräch zusätzliche Informationen gewonnen werden können, die für das polizeiliche Folgehandeln eine wichtige Grundlage bilden.“
Soweit aus dem Referat der BPFI.
Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel sieht in dem Auftreten der Polizei einen erneuten Versuch der Kriminalisierung antifaschistischen Handelns. Dagegen wehren wir uns und fordern alle demokratischen und antifaschistischen Organisationen und Personen Kiels auf, dieses Vorgehen der Polizei zu verurteilen.
Wir erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass bereits 2008 ein Hausverbot im Kieler Rathaus gegen AntifaschistInnen ausgesprochen wurde, die an der Auszählung der Stimmen zur Kommunalwahl teilnehmen wollten. Begründung war damals, sie würden dem antifaschistischen Spektrum zugerechnet und es bestehe Gefahr von Aktionen gegen den NPD-Kandidaten Hermann Gutsche.
Das jetzige Verhalten der Polizei ist allerdings eine ganz neue Qualität. Hausbesuche, um antifaschistisches Handeln schon in der Entstehung zu verhindern und aktive Menschen bereits in den eigenen vier Wänden einzuschüchtern, hat es in Kiel seit vielen Jahrzehnten nicht gegeben.
Wie lange soll faschistisches und rassistisches Auftreten noch geduldet und polizeilich geschützt werden?
Wie lange noch werden andererseits antifaschistische Aktivitäten bedroht, unterbunden und kriminalisiert?
Wir werden weiter im Sinne unserer Kieler Erklärung gegen Rassismus und Faschismus aus dem Jahre 2001 handeln, in der es unter anderem heißt:
Solidarisches Verhalten und Zivilcourage bis hin zum zivilen Ungehorsam tun not. (. . .) Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Leisten wir Widerstand gegen Neonazis, rechte Skinheads und alle neofaschistischen Organisationen und Parteien!
Quelle: Pressemitteilung „Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel“
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