Stuttgart. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“: Das Grundgesetz betont, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind – unabhängig von Herkunft, Alter oder Geschlecht . Doch dieser Grundsatz stößt offenbar an seine Grenzen, wenn Polizisten den Auftrag haben, illegale Einwanderer ausfindig zu machen – dann greift „racial profiling“. Und bei einigen wächst angesichts steigender Flüchtlingszahlen die Angst. Dazu ein Gastbeitrag von Christina Ehmann vom Forum gegen Unterdrückung von Flüchtlingen (FUF).
Die Würde des Menschen – wohl die wichtigste Wertentscheidung des Grundgesetzes. Eine Reaktion auf die enorme Missachtung zu Zeiten des Dritten Reiches. Kein Zitat wird häufiger in Bezug auf dieses Thema ausgesprochen. Der Inhalt spricht von der Gleichheit des Menschen. Unabhängig von Alter, Geschlecht oder Herkunft – jeder Mensch hat den selben Wert und „der Staat hat alles zu unterlassen, was die Menschenwürde beeinträchtigen könnte.“
Inwiefern stößt dieses Grundgesetz an seine Grenzen, wenn Polizeioperationen den Auftrag haben möglichst viele illegale Flüchtlinge ausfindig zu machen? Die Rede ist von „racial profiling“. Eine Personenidentifikation gegenüber vermeintlichen illegalen Flüchtlingen, die meist auf äußerlichen Merkmalen basiert. Verdachtsmomente, die jedoch ausschließlich auf objektiven Beweisen beruhen sollten.
Mehr und mehr Menschen fliehen aus ihrer Heimat. Die Zustände in ihren Heimatorten sind so verheerend, so ausnahmslos grausam, dass eine Flucht, welche die natürlichste Reaktion eines jeden Menschen ist, die einzige Perspektive bedeutet. Diese Menschen haben meist sehr lange Reisen hinter sich gebracht und hoffen auf ein sicheres Leben, fern von der Angst, jeden Moment sein Leben oder das eines Angehörigen zu verlieren.
Anstatt diese Menschen, die aus der größten Not heraus alles hinter sich lassen mussten, willkommen zu heißen, stellen sich chronisches Unbehagen und Ressentiments ein. Bis September ist die Zahl der Flüchtlinge in Stuttgart auf 25300 gestiegen. Eine Zahl, die den einen oder anderen beängstigt. Oft wird die Einreise von vorurteilsbehafteten Protesten der Anwohner begleitet. Aussagen, von Innenminister Reinhold Gall, der „gegen einen generellen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Westafrika wegen Ebola ist, verstärkt die Angst vor den „Anderen“ ein weiteres Mal.
Wenn die Menschen von einem „Flüchtlingssturm“ oder einer „Asylwelle“ sprechen, wird zu oft suggeriert, dass Deutschland regelrecht überrannt werde. Doch statt dieses fatale Bild richtig zu stellen, werden durch Aussagen wie die von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, „Kiefersfelden soll kein Vorort von Lampedusa werden“, weder Ressentiments beseitigt noch eine gesunde Willkommenskultur ermöglicht. Die Aussage in Artikel 1 des Grundgesetzes wird somit ad acta gelegt.
Ein Einschnitt, der dieses Thema auf die Spitze treibt, ist die Fahndung nach äußerlich auffälligen Personen. Obwohl dieses so genannte „racial profiling“ als rechtswidrig eingestuft wurde, ist eine generelle Einstellung dieser unzulänglichen Identifikationsmethode nicht eindeutig erkennbar. Sie wird noch viel zu oft inoffiziell praktiziert.
An Flughäfen oder Bahnhöfen wird unterschieden zwischen illegal und legal. Wo ist die Gleichheit des Menschen? Wohin ist das Grundgesetz? Statt Verständnis und Mitgefühl zu zeigen, errichten wir Zäune, stecken wir dem Europäischen Grenzschutz FRONTEX immer mehr Geld zu, um unsere Grenzen dicht zu machen. Immer mehr und mehr Maßnahmen werden getroffen, um den Weg der Flüchtlinge, die eine Leben in Sicherheit und Frieden suchen, zu erschweren.
Es ist unsere moralische Pflicht, in der Not Hilfe zu leisten, den Menschen eine Perspektive zu geben und nicht tausende von Menschen wieder abzuschieben. Der alltagsfaschistische Grundgedanke, der in zu vielen Köpfen schwirrt, darf kein Ausganspunkt sein. Gedanken wie „Wo wollen die denn alle hin?“ bishin zu „Die nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg!“ gehen grundlegend in eine Richtung, die auf Ablehnung und Verständnislosigkeit beruht.
„Willkommen heißen statt ausweisen“ kann der einzige Weg sein, um den Hilfeschrei in der größten Not Folge zu leisten.
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