Stuttgart/Göppingen. Das Vermögen des Vereins wurde beschlagnahmt. Die Mitglieder dürfen seine Symbole nicht mehr benutzen: Das Innenministerium von Baden-Württemberg hat ein Vereinsverbot gegen die im Raum Göppingen agierenden „Autonomen Nationalisten“ (AN Göppingen) verhängt. Das gab die Behörde am Donnerstag, 18. Dezember, bekannt.
Nach Angaben des Ministeriums bekamen die Mitglieder der AN Göppingen die Verbotsverfügung am Donnerstagmorgen von Polizeikräften zugestellt. Gleichzeitig seien unter der Leitung des Landeskriminalamts mehrere Wohnungen von Mitgliedern der Vereinigung durchsucht worden. Damit sei das Vereinsverbot des Innenministers vollzogen, der Verein aufgelöst und ihm jede Tätigkeit untersagt worden. Das Vereinsvermögen wurde demnach beschlagnahmt und eingezogen.
Die offene Zurschaustellung rechten Gedankenguts und die Gewaltbereitschaft der Autonomen Nationalisten hätten zu einer erheblichen Verunsicherung in der Bevölkerung in Göppingen geführt. Dort gab es immer wieder Aufmärsche, Kundgebungen und Übergriffe – so etwa auf einen Infostand der Initiative „Kreis Göppingen nazifrei“.
Ziel des Vereins sei der „Kampf gegen das derzeitige politische System durch einen revolutionären, radikalen und konsequenten Wandel der Politikform“ gewesen, so das Ministerium. Zudem verfolgte die Gruppierung das Ziel, in Göppingen eine „national befreite Zone“ zu errichten, in der sie gegenüber dem linken politischen Gegner und dem Staat eine Vormachtstellung einnehmen und sie im Zweifel auch mit Gewalt verteidigen wollte.
Seit ihrer Gründung im Jahr 2009 habe die Vereinigung im Kreis Göppingen Versammlungen mit überregionalem Teilnehmerkreis organisiert, nachts Aufkleber und Plakate angebracht und Gewaltstraftaten verübt. Mit vielen dieser Aktionen habe die AN Göppingen ihre ideologische Nähe zum historischen Nationalsozialismus bekundet und zur Relativierung deutscher Kriegsverbrechen beigetragen. Seit der Gründung der Gruppe im Jahr 2009 bis zum Erlass der Verfügung seien den Behörden in Baden-Württemberg weit über 150 Aktivitäten der Vereinigung bekannt geworden.
Gegenüber den Mitgliedern der AN Göppingen laufe derzeit auch ein Strafverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Offensichtlich hätten Strafverfahren gegen einzelne Vereinsmitglieder aber nicht ausgereicht, weitere Tätigkeiten der Vereinigung zu verhindern – ebenso wenig Durchsuchungen. Dies zeige, dass sich die Vereinigung von strafrechtlichen Maßnahmen nicht beeindrucken lasse. Daher folge nun ein Vereinsverbot, die Auflösung der Vereinigung, der Einzug der Vermögenswerte, ein Betätigungsverbot und das Verbot, Ersatzorganisationen zu gründen.
„Um künftige Aktivitäten der Vereinigung wirksam zu verhindern, ist eine präventive Maßnahme wie das heute vollzogene Vereinsverbot notwendig und zugleich die richtige Reaktion auf die Umtriebe der AN Göppingen“, sagte Innenminister Reinhold Gall. Dem Vereinsverbot seien monatelange Ermittlungen und Vorbereitungen der Polizei, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Innenministeriums vorausgegangen.
Wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung müssen sich vier Männer ab dem 15. Januar 2015 vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart verantworten. Zwei der Angeklagten befinden sich seit Februar 2014 in Untersuchungshaft. Die beiden anderen Neonazis sind zwischenzeitlich wieder in Freiheit. Nach bisheriger Planung soll an 100 Prozesstagen mindestens bis zum 8. Januar 2016 verhandelt werden.
Zu den Vorwürfen zählen unter anderem Sachbeschädigungen, gefährliche und vorsätzliche Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Volksverhetzung, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Verstöße gegen das Versammlungs- und das Waffengesetz. Sichergestellt wurden den Ermittlern zufolge „umfangreiches Propagandamaterial“, Sprühschablonen und NS-Devotionalien sowie Schreckschusspistolen, Teleskopschlagstöcke, Schlagringe, Wurfsterne und Quarzhandschuhe.
Unsere bisherige Berichterstattung im Zusammenhang mit den AN Göppingen gibt es hier.
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