Stuttgart/Göppingen. Vier Mitglieder der Autonomen Nationalisten Göppingen stehen ab Donnerstag, 15. Januar, vor der Staatsschutzkammer des Stuttgarter Landgerichts. Nach Paragraph 129 des Strafgesetzbuchs müssen sie sich für die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ verantworten. Es sind 100 Verhandlungstage angesetzt. In dem Verfahren geht es um über 50 überwiegend im Raum Göppingen und Esslingen verübte Straftaten. AntifaschistInnen haben zur Prozessbeobachtung und zu einer Kundgebung um 8 Uhr vor dem Gerichtsgebäude in der Olgastraße 2 in Stuttgart aufgerufen. Die Verhandlung beginnt um 9 Uhr.
Zu den Angeklagten gehört auch Daniel Reusch, ehemaliger Landesvorsitzender der Partei „Die Rechte“. Zu den Vorwürfen zählen unter anderem Sachbeschädigungen, gefährliche und vorsätzliche Körperverletzungen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Volksverhetzung, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Verstöße gegen das Versammlungs- und das Waffengesetz.
Bei Durchsuchungen in Zusammenhang mit einem von Innenminister Reinhold Gall im Dezember erlassenen Vereinsverbot wurden nach Angaben der Ermittlungsbehörden „umfangreiches Propagandamaterial“, Sprühschablonen und NS-Devotionalien sowie Schreckschusspistolen, Teleskopschlagstöcke, Schlagringe, Wurfsterne und Quarzhandschuhe sichergestellt. Nach bisheriger Planung soll mindestens bis zum 8. Januar 2016 verhandelt werden.
Die Autonomen Nationalisten Göppingeng gehörten zu den aktivsten Nazi-Gruppen in Baden-Württemberg. Sie organisierten unter anderem Kundgebungen und Naziaufmärsche in der Region Göppingen. Mehrfach bedrohten und überfielen sie aber auch MigrantInnen, AntifaschistInnen und andere, die nicht in ihr Weltbild passen – so etwa einen Infostand der Initiative „Kreis Göppingen nazifrei“.
Ziel des Vereins sei der „Kampf gegen das derzeitige politische System durch einen revolutionären, radikalen und konsequenten Wandel der Politikform“ gewesen, begründete das Ministerium seine Verbotsverfügung. Zudem habe die Gruppierung das Ziel verfolgt, in Göppingen eine „national befreite Zone“ zu errichten, in der sie gegenüber dem linken politischen Gegner und dem Staat eine Vormachtstellung einnehmen und sie im Zweifel auch mit Gewalt verteidigen wollte.
AntifaschistInnen, die gegen diese Vereinigung protestierten, sahen sich dennoch immer wieder der Repression von Polizei und Staatsanwaltschaft ausgesetzt. So gab es etwa bei Demonstrationen gegen Naziaufmärsche in Göppingen Polizeikessel über Stunden hinweg. Den jetzt beginnenden Protest sehen die Nazi-Gegner gleichwohl als Ergebnis ihrer Recherchearbeit und ihres nicht nachlassenden Drucks. Die Stadt Göppingen hatte lange versucht, das Problem der Autonomen Nationalisten zu verharmlosen. So verschwieg etwa der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till noch vor wenigen Monaten eine Nazikundgebung der Öffentlichkeit gegenüber, um Widerstand zu verhindern.
Unsere bisherige Berichterstattung im Zusammenhang mit den AN Göppingen gibt es hier.
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