Kommentar von Ferry Ungar – Fellbach. Das war schon ein merkwürdiges Schauspiel am Dienstagabend, 3. Februar. Im Fellbacher Rathaus versammelten sich Stadträtinnen, Stadträte und rund 40 ZuhörerInnen zur öffentlichen Gemeinderatssitzung. Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Christoph Palm, CDU, kam man zügig zum ersten Tagungsordnungspunkt: „Mögliche Umbenennung der Hindenburgstraße, Ernst-Heinkel-Straße und August-Lämmle-Straße“. Die Diskussion war an Beliebigkeit nicht zu überbieten.
Zunächst referierte der Historiker Dr. Thomas Schnabel, Leiter des „Hauses der Geschichte Baden-Württemberg“. Er hat offensichtlich eine etwas seltsame Vorstellung davon, aus welchem Grund man eine Straße nach einer Person der Zeitgeschichte benennt. „Es gibt ja nicht nur schlechte Dinge über den Heinkel zu berichten. Der war ja auch genial“, sagte er. Man wisse ja auch nicht „wie wir in einer solchen Situation reagiert hätten“.
Ja dann! Muss man ja auch mal so sehen, Mensch. Es gibt doch immer ein Für und Wider.
Zunächst wüssten wir, wann Hindenburg geboren und gestorben sei. Die eine oder andere Handlung sei unstrittig. Aber dann finge es an, subjektiv zu werden. Zwischen 1933 und 1945 habe Heinkel zwar einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und die Nazizeit gnadenlos ausgenutzt. Das ändere aber nichts an seinen Ingenieurfähigkeiten. Hindenburg sei zwar ein Unglück für Deutschland gewesen, aber es gebe viel moralische Überheblichkeit.
Schließlich könnten wir uns unserer Geschichte nicht entziehen. Wir müssten sie aushalten, so der Leiter des „Hauses der Geschichte Baden-Württemberg“. Für die nach 1945 Geborenen sei ja alles traumhaft gewesen. „Die Amis, die für die Demokratie gesorgt haben; und für die D-Mark und den Dollar. Ist doch herrlich.“ Und auch die Stuttgarter Königstraße müsse ja dann folglich umbenannt werden. Der König sei ja auch kein Demokrat gewesen.
Ein ganz ein schlauer Historiker, der Herr Dr. Schnabel?! Oder nur eine Person, die das eigentliche Thema zerredet?
Wie wäre es denn mit einem Adolf-Hitler-Platz? Das ist doch auch nur ein Mensch gewesen. Mit guten und schlechten Seiten. Seine rhetorische Fähigkeiten und seine Autobahnen waren doch nun wirklich absolute Weltspitze. Übrigens, der war auch nicht zu allen Menschen böse. Und er liebte Deutsche Schäferhunde. Immer dieses antifaschistische Gutmenschengelaber, von diesem linken Pack. Straßenumbennenung? Ja wieso denn? Wie hättest Du dich denn verhalten, liebe Leserin? Oder Du, lieber Leser, wenn Du zum Beispiel Ernst Heinkel oder Adolf Hitler gewesen wärst? Ha, jetzt fällt dir nix mehr ein.
Hin und wieder blieb mir doch ganz schön die Kinnlade offen, bei dem was ich mir da anhören musste. Das ist übrigens die absolut gemäßigte Formulierung für meine Gefühle.
Offenbar war der doch ganz okay, der Heinkel. Der CDUler Hans-Ulrich Spieth faselte in Bezug auf ZwangsarbeiterInnen: „Was wäre mit den Menschen passiert, wenn sie nicht bei ihm gearbeitet hätten? Wäre es ihnen vielleicht gar schlechter gegangen?“ Man dürfe auch nicht vergessen, dass Hindenburg zweimal hintereinander demokratisch gewählt worden sei. Und ob es ein Glücksgefühl wäre, „in der Hindenburgstraße einzuschlafen und in der Rosa-Luxemburg-Straße aufzuwachen“, bezweifelte der CDU-Fraktionsvorsitzende stark.
Stadtrat Ulrich Lenk (FW/FD – Freie Wähler/Freie Demokraten) sprach von „schillernden Persönlichkeiten“. Hätten sie nicht mitgemacht, dann hätten sie Probleme gekriegt. Außerdem sei Hindenburg „nicht für alles verantwortlich. Es gab ja linke und rechte Radikale“. Mensch, da waren auch linke Radikale, das hätte ich fast vergessen. Das waren ja ganz schlimme Finger! Man dürfe auch nicht vergessen, dass „nach unserem christlichen Menschenbild und eigener Lebenserfahrung“ jeder Mensch eine gute und eine schlechte Seite, Licht und Schatten, in sich vereine. Zumeist linke Eiferer würden fordern, die besagten Straßen „nach Antifaschisten zu benennen. Da geht mir schon der Hut hoch, weil das mit Sicherheit keine Demokraten sind. Sogar in aller Regel gewaltbereit“. Das muss nicht weiter kommentiert werden. Eine derartige offene Hetze gegen Linke ist so selbsterklärend wie aufschlussreich.
Andreas Möhlmann von der SPD distanzierte sich in Bezug auf die Zwangsarbeiter bei Heinkel von der Aussage des CDUlers Spieth. Bei den ganzen bisherigen mehr oder weniger kompetenten Aussagen war diese Selbstverständlichkeit schon fast wohltuend in meinen Ohren.
Stadtrat Harald Raß (SPD) stellte die Frage, was es denn aussage, dass Hindenburg gewählt wurde, und gab die Antwort selbst: „Das sagt gar nichts aus. Dass in allem etwas Gutes und etwas Böses ist, das wissen wir. Das hilft aber nicht weiter. Heinkel hat mit Zwangsarbeitern Profit gemacht.“ Die Argumentation „Mitläufer oder Widerständler“ führe nicht weiter, sondern vom Thema sehr weit weg. Er habe aber zum Thema keine abschließende Meinung.
Der Grünen-Stadtrat Karl Würz warf ein, dass es in der Nazizeit auch anders gegangen wäre. Dies sehe man zum Beispiel an der Person von Oskar Schindler. Würz stellte die Frage, was der Nationalsozialismus für die Wirtschaft bedeutete. Die Antwort blieben er und alle anderen Stadträtinnen und Stadträte allerdings schuldig.
Sebastian Bürkle (SPD) betonte, Hindenburg hätte anders handeln können. Er sei kein Mitläufer gewesen, sondern ein „Mitgestalter“. Ein Wegbereiter für „das größte Übel in Europa“.
Der AfDler Andreas Zimmer – der Name kam mir irgendwie gleich sehr bekannt vor – musste nach den Stellungnahmen von Spieth und Lenk nicht die typische AfD-„Meinung“ zum Besten geben. Die rechte Seite war durch die Aussagen der beiden zur Genüge abgedeckt. Zimmer konnte sich aber nicht verkneifen, den Vortrag von Dr. Schnabel als „bereichernd“ zu bezeichnen. Diese Aussage des Rechtspopulisten Zimmer spiegelt wider, für was der Vortrag gut war.
Im Nachhinein betrachtet war das aber alles nicht wirklich eine Überraschung. Eine wirklich gelungene Überraschung war für mich allerdings der Stadtrat Christian Hinrichsen von der Linkspartei. Dieser Vertreter der zweifelsfrei antifaschistischen Partei DIE LINKE sagte zu diesem Thema: „…..“. Da steht nichts? Eben! Er sagte nämlich absolut nichts zu diesem Thema. Ja geht’s noch, Herr Hinrichsen? Das soll links sein? Da war ja die SPD weiter links. Hat die Linke zu diesem Thema nichts zu sagen?
Unterm Strich ist festzuhalten, dass viel geredet aber nichts entschieden wurde. Vor allen Dingen wurde am Thema – aus meiner Sicht meist absichtlich – völlig vorbei diskutiert.
Die Abstimmung darüber, ob es zu einer Umbenennung der Ernst-Heinkel- und der Hindenburgstraße kommen soll, wurde vertagt.
Weder der Historiker noch eine Stadträtin oder Stadtrat sprach davon, dass die Benennung einer Straße eine Ehre für die betreffende Person darstellt. Faschisten und/oder Kriegsgewinnler verdienen es nicht, geehrt zu werden. Darum sollte es doch eigentlich gehen. Und zwar nur darum! Das sagte nur niemand. Auf diese Punkt kamen die Herren und Damen Gemeinderäte nicht. Oder wollten sie darauf nicht kommen?
Man muss nun nicht über hellseherische Fähigkeiten verfügen, um das Ergebnis der späteren Abstimmung im Stadtrat vorherzusagen.
In diesem Sinne:
Man sieht sich… auf der Straße… und hin und wieder auch im (Rathaus-)Saal! 😉
Euer
Ferry Ungar
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