Singen. Ungefähr 400 GegendemonstrantInnen stellten sich am Samstag, 28. Februar, einer NPD-Demonstration in Singen entgegen – zum Teil mit Blockaden. Zunächst sah es so aus, als sei der Polizei an Deeskalation gelegen. Aber dann räumte sie mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Tritten gegen das Schienbein von NazigegnerInnen den zweiten Teil der ungefähr einen Kilometer langen Umzugsstrecke der NPD frei.
Die Polizei war mit mehreren hundert Beamten im Einsatz. Ihren Angaben zufolge wurden zwei Beamte von Blockierern verletzt und fünf Personen „nach Straftaten“ vorläufig festgenommen. Unter anderem sollen Polizisten mit Farbbeuteln beworfen und ein Polizeipferd von Pyrotechnik getroffen worden sein. Über verletzte DemonstrantInnen berichtet die Polizei nichts.
Nach unseren Beobachtungen ritten Beamte in die Menge hinein, obwohl sie ihre Pferde sichtlich nicht unter Kontrolle hatten. Mitgeführte Polizeihunde kamen dagegen nicht zum Einsatz.
Hamburger Gitter trennen beide Kundgebungen
Zur Auftaktkundgebung des Bündnisses „Singen nazifrei!“ hatten sich am Vormittag von 11 Uhr an vor dem Bahnhof 150 bis 200 Nazi-GegnerInnen versammelt. Als später die TeilnehmerInnen einer Demonstration des DGB hinzustießen, wuchs die Menge der gegen den Aufmarsch der NPD Protestierenden auf ungefähr 400.
Die NPD-Anhänger versammelten sich um einen verrosteten Lautsprecherwagen. Zunächst waren 15, zuletzt ungefähr 35 Rechte vor Ort. Die Polizei trennte beide Kundgebungen mit Hamburger Gittern, ließ den Gegenprotest jedoch bis auf rund 50 Meter in Sicht- und Hörweite an die Nazi-Kundgebung herankommen. Im Verlauf des Neonaziaufmarsches kamen die AntifaschistInnen teilweise auf wenige Meter an die rechte Hetztruppe heran.
Nazi-GegnerInnen lassen sich nicht spalten
Zwei NPD-Anhänger provozierten, indem sie durch die Menge der Nazi-GegnerInnen flanierten. Einer der beiden erklärte lautstark, er sei kein Nazi, sondern ein Nationalist, ging daraufhin aber rasch zu Boden. Die Polizei eskortiere ihn und seinen Kumpel aus der Versammlung.
Noch bevor die NPD-Anhänger unter massivem Polizeischutz ihre Demonstration begannen, lief ein Teil der Nazi-GegnerInnen in Richtung Umzugsstrecke. Zunächst wurde sie von ungefähr 50 AntifaschistInnen blockiert. Später wuchs die Zahl auf etwa 200 an. Das Protestpublikum war sehr gemischt und stand zusammen, auch wenn nicht alle die selben Protestformen bevorzugten. Es waren viele GewerkschafterInnen mit Fahnen ihrer jeweiligen Organisation und auch eine Trommelgruppe vertreten. Auch viele MigrantInnen befanden sich unter den GegendemonstrantInnen.
Glockenläuten übertönt Hetze gegen Flüchtlinge
Um 14 Uhr hielt die NPD bei der Herz-Jesu-Kirche eine Zwischenkundgebung ab. Weil sämtliche Kirchenglocken eine Viertelstunde lang läuteten, war von der Hetze gegen eine angebliche Asylflut jedoch so gut wie nichts zu verstehen. An verschiedenen Stellen gab es Blockadepunkte der Nazi-GegnerInnen. Die Polizei schien sie zunächst gewähren lassen zu wollen, die Demonstrationen beider Seiten schienen zu Ende zu sein.
Aber dann forderte der Einpeitscher der NPD die Polizei auf, ihr den Weg freizuräumen, was die Beamten auch mit massivem Einsatz von Knüppeln, Pfefferspray und Tritten taten. Die Polizei geleitete die NPD-Anhänger zurück zum Bahnhof, wo sie eine Schlusskundgebung abhielten. So bewahrheitete sich der Sprechchor der GegendemonstrantInnen „Ohne Polizei wäre Singen nazifrei“. Insgesamt schienen die NPD-Anhänger nach einer höchst unattraktiven Demonstration jedoch eher frustriert abzuziehen.
Polizei mit Verlauf des Tages zufrieden
Das Bürgerfest, zu dem die Stadtverwaltung mit Parteien, Kirchen und Vereinen zeitgleich eingeladen hatte, war nur schwach besucht. Während der „Südkurier“ von angeblich schweren Krawallen und Ausschreitungen am Samstag berichtete, sprach der Einsatzleiter der Polizei von einem „insgesamt zufriedenstellenden Verlauf, mit Ausnahme einzelner Gesetzesüberschreitungen und Angriffe auf Polizeibeamte“.
Auch die Bundespolizei war in Singen im Einsatz. Nach ihren Angaben überwachten etwa zweihundert Beamte aus dem gesamten Bundesgebiet die An- und Abreise der Versammlungsteilnehmer im Bahnhof. Dabei seien „die Anhänger des linken und rechten Spektrums“ gleich nach ihrer Ankunft getrennt worden, „um ein unfriedliches Zusammentreffen beider Lager im Bahnhof zu verhindern“. Auch der Einsatzleiter der Bundespolizei zog eine positive Bilanz: „Das Konzept der strukturierten Trennung ist aufgegangen. Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Und die Zusammenarbeit mit der Landespolizei funktioniert einwandfrei.“
Folge uns!