Fellbach-Oeffingen. Werden die Hindenburg- und die Ernst-Heinkel-Straße in Fellbach doch noch umbenannt, wie es der DGB mit Unterstützung der VVN-BdA fordert? Darüber will der Gemeinderat am 14. April entscheiden. Bei einer Infoveranstaltung der Stadt Mitte März in Oeffingen sah es nicht danach aus. Neben achtzig Fellbacherinnen und Fellbachern waren auch zwei Staatsschutzbeamte gekommen.
Update 24.04.2015: Polizeipräsident Michelfelder versichert…
Viele AnwohnerInnen würden zwar nach unbelasteten Personen benannte Straßen bevorzugen. Doch viele scheuen auch Unannehmlichkeiten und Kosten. Die CDU und die FW/FD, die im Gemeinderat die Mehrheit stellen, sind gegen die Umbenennung
Das war nicht anders zu erwarten, sagt dazu der DGB Fellbach. In diesen beiden Fraktionen gebe es viele Verehrer Paul von Hindenburgs und Ernst Heinkels und deren Ehrung durch Straßennamen. Der DGB dankt dennoch allen, die seine Position unterstützen, und ruft dazu auf, den öffentlichen Druck aufrecht zu erhalten: Nur so könnten „heute noch Schwankende für eine Umbenennung gewonnen werden“. Am wichtigsten sei, dass die Sache nicht im Sande verläuft.
Es gehe ihm nicht um irgendwelche Mitläufer und „angebliche Nazi-Anhänger“, betont der DGB. „Wir wollen eine Umbenennung der Hindenburg- und der Ernst-Heinkel-Straße. Zwei Personen die an führenden Stellen eng mit Krieg und Faschismus mit millionenfachen Toten und Gräueltaten verbunden sind“, sagt der Vorsitzende Dieter Keller. Das dürfe man nicht herunterspielen und Hindenburg und Heinkel nicht länger als „Vorbilder“ mit Straßennamen ehren.
Was machten Staatsschützer bei der Versammlung?
Unklar blieb, weshalb der Staatsschutz zwei Beamte zu dem städtischen Infoabend entsandt hatte. Ein Gewerkschaftsmitglied, das seinen Namen hier nicht veröffentlicht haben will, zeigte keinerlei Verständnis für diesen Umstand. „Was macht der Staatsschutz bei einer Bürgerversammlung zur Straßenumbennenungsdiskussion? Den Staat schützen? Das Gebäude schützen? Die Bürgerinnen und Bürger schützen? Vor wem? Wer hat die beauftragt? Sind die hier, um uns alle zu bespitzeln? Einfach nur widerlich!“, fragte er uns in einer Pause. Vielleicht gibt es eine Antwort von offizieller Stelle? Update 24.04.2015: Polizeipräsident Michelfelder versichert…
Aus Sicht der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten VVN-BdA Rems-Murr ist die Straßenumbenennung längst überfällig. Paul von Hindenburg sei im Ersten Weltkrieg ein Kriegstreiber gewesen und als Reichspräsident ein überzeugter Gegner der Demokratie, des Parlamentarismus und der Arbeiterbewegung. Er habe maßgeblich zur Etablierung des faschistischen Terrorregimes beigetragen.
Ernst Heinkel war der VVN-BdA zufolge Adolf Hitlers Flugzeugkonstrukteur und als Wehrwirtschaftsführer enger Rüstungsberater der Nazis, der Mitverantwortung für den Angriffskrieg mit sechzig Millionen Toten trug. Beiden gebühre keine Ehre.
Willi Bleicher und Alfred Hauser würdige Namensgeber
Die VVN-BdA und der DGB Fellbach schlagen vor, die beiden Straßen nach antifaschistischen Widerstandskämpfern zu benennen. Angemessene und würdige Namensgeber aus der Region seien Willi Bleicher, Buchenwald-Häftling und langjähriger IG-Metall-Bezirksleiter von Baden Württemberg, und Alfred Hauser, zwei Jahre in Einzelhaft und Zwangsarbeiter. Er war Ehrenpräsident der VVN-BdA und habe sich unermüdlich für die Entschädigung der Zwangsarbeiter eingesetzt.
Die Rede von Dieter Keller, DGB-Fellbach, kann hier nachgelesen werden:
DGB-Rede_Dieter_Keller_Oeffingen_150316.
Hier der Kommentar „Wie wär’s mit einem Adolf-Hitler-Platz?“ von Ferry Ungar, Beobachter News, zur öffentlichen Gemeinderatssitzung über die Straßenumbenennung.
Hier weitere Berichte der Beobachter News zum Thema.
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Staatsschutzbeamte bei der Arbeit
Weitere Bilder von der Veranstaltung
Wir dokumentieren die Stellungnahme des DGB-Ortsverbands Fellbach zur Info-Veranstaltung sowie zum Kommentar „Mut zeigen“ in der Fellbacher Zeitung.
Den Kommentar von Eva Herschmann „Mut zeigen“ teilen wir voll und ganz. Ihr Bericht über die Info-Veranstaltung der Stadt Fellbach zur Umbenennung der Hindenburg- und der Ernst- Heinkel-Straße widerspiegelt weitgehend den Verlauf des Abends. An einem Punkt möchten wir sie aber berichtigen. Nicht unser Vorsitzender Dieter Keller hat die Diskussionen um die Straßennamen angeregt. Es war und ist der DGB-Ortsverband Fellbach. „Mit der Forderung nach Umbenennung dieser Straßen haben wir eine Diskussion ins Rollen gebracht“ so Dieter Keller, „wie es die Stadt Fellbach selten, wenn überhaupt jemals erlebte.“
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Spieth, warnte an diesem Abend er wolle keinen „Schildersturm.“ Herr Lenk verglich die Forderung des DGB bei der öffentlichen Gemeinderatssitzung mit einem „Bildersturm.“ Beides betrachten wir als eine unsachliche, bösartige Unterstellung. Nun wer für die Beibehaltung und damit weitere Ehrung von Hindenburg und Heinkel eintritt, dem gehen die politische Argumente aus.
Wir vom DGB sind weder „Bilderstürmer“ noch „Schilderstürmer.“ Herr Lenk forderte „Zurückhaltung bei Strassenumbenennungen.“ In einer Flugschrift die er an diesem Abend verteilte lässt er verlauten, „wir werden im Fellbacher Gemeinderat demnächst abschließend darüber beraten, ob wir“ diese Straßen „umbenennen sollen, weil diese Namensgeber angeblich Nazi-Anhänger bzw. keine Demokraten waren.“
Wir möchten nochmals klarstellen. Dem DGB geht es nicht um irgendwelche Mitläufer und „angeblich Nazi-Anhänger“. „Wir wollen eine Umbenennung der Hindenburg- und der Ernst-Heinkel-Straße. Zwei Personen die an führenden Stellen eng mit Krieg und Faschismus mit millionenfachen Toten und Gräueltaten verbunden sind. Diese dürfen nicht heruntergespielt werden, schon gar nicht länger mit Straßennamen als „Vorbilder“ geehrt werden. Das ist unsere Forderung an die Stadt und den Gemeinderat“, so Dieter Keller. Er alleine hat zu entscheiden. Er darf sich dabei hinter nichts und niemanden verstecken, nicht hinter fadenscheinigen Argumenten, auch nicht hinter bürokratischen Hürden und praktischen Aspekten. Nicht „abducken“ sondern „Mut zur Veränderung“ sind gefordert.
Straßennamen sind immer eine Ehrung und Würdigung der jeweiligen Personen. Wer die Ehrung von Hindenburg und Heinkel weiterhin will, der wird im Gemeinderat wohl mit JA stimmen. Wer sie nicht will stimmt konsequenter Weise mit NEIN. Der DGB-Ortsverband Fellbach bleibt dabei: Ehre wem Ehre gebührt. Hindenburg und Heinkel gehört keine!
Hier die Pressemitteilung des Kreisverbands Rems-Murr der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zum Thema:
Die Kreisvereinigung Rems-Murr der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) unterstützt die Initiative des DGB Ortsverbandes Fellbach, die Hindenburgstraße und Ernst-Heinkel-Straße umzubenennen.
Der Schritt der Umbenennung obiger Straße ist aus Sicht der VVN-BdA längst überfällig, denn beide Herren waren aktive Akteure und Unterstützer des faschistischen Terrorregimes und somit unwürdig für die Namensgebung einer Strasse. Hindenburg war zudem als Chef der Obersten Heeresleitung (OHL) im 1. Weltkrieg verantwortlich für einen äusserst blutigen und imperialistischen Krieg.Die VVN-BdA schlägt wie der DGB Fellbach vor, die beiden Straßn nach antifaschistischen Widerstandskämpfern umzubenennen. Angemessene und würdige Personen für alternative Strassennamen würde es aus unserer Sicht genügend geben. Um im Land zu bleiben schlagen wir vor: Willi Bleicher, Buchenwald-Häftling und langjähriger IG-Metall Bezirksleiter von Baden Württemberg Alfred Hauser, zwei Jahre Einzelhaft und Zwangsarbeiter, war Ehrenpräsident der VVN-BdA und setzte sich unermüdlich für die Entschädigung der Zwangsarbeiter ein
Aus Sicht der VVN-BdA gibt es genügend Gründe, unterlegt mit historischen Fakten, die beiden Strassen von den Namen dieser beiden unsäglichen Personen,die für so viel Leid in unserer Geschichte verantwortlich waren, zu befreien.
Hindenburg war ein Kriegstreiber, der im 1. Weltkrieg noch Millionen Soldaten im vollen Bewusstsein der unausweichlichen militärischen Niederlage in den Tod hetzte. Nach dem Versailler Friedensvertrag war er ein Kriegsverbrecher, den die deutsche Regierung an die Siegermächte hätte ausliefern müssen. Zudem war er zu feige, die Verantwortung für die militärische Niederlage zu übernehmen. Diese überließ er der deutschen Zivilregierung, die bei den Friedensverhandlungen in Versailles als Kriegsverantwortliche das Friedensdiktat der Siegermächte annehmen musste.
Hindenburg war mitverantwortlich für die Begriffe Novemberverbrecher (Annahme des Friedensdiktats) und der Dolchstoßlegende („im Felde unbesiegt, die revolutionäre Bewegung fiel dem deutschen Heer in den Rücken“). Diese Begriffe dienten den Nazis als Kampfparolen in der Weimarer Republik gegenüber dem politischen Gegner.
Als Reichspräsident war Hindenburg ein überzeugter Gegner der Demokratie, des Parlamentarismus und der Arbeiterbewegung. Er war autoritär und ein Anhänger der monarchistischen Diktatur und er wusste genau, was er tat, als er Hitler zum Reichskanzler ernannte und wenige Wochen später das Ermächtigungsgesetz (die Zerstörung der letzten demokratischen Strukturen) unterschrieb. Er trägt eine maßgebliche Verantwortung an der Etablierung des faschistischen Terrorsystems.
Noch eine Randnotiz: Hindenburg war als Reichspräsident ein äußerst korrupter und skrupelloser Politiker. Von seinen ostelbischen Standesgenossen und Großgrundbesitzer erhielt er zu seinem 80. Geburtstag das ostpreußische Schloß und Rittergut Neudeck geschenkt. Er hatte dabei keinerlei Skrupel, dieses Millionengeschenk als höchster Repräsentant des Staates anzunehmen.
Ernst Heinkel war Hitlers Flugzeugkonstrukteur. Als Wehrwirtschaftsführer war er enger Rüstungsberater der Nazis und war in dieser Funktion auch mitverantwortlich für den mörderischen faschistischen Angriffskrieg, mit 60 Millionen Toten und noch mehr Verwundeten. Heinkel war auch ein skrupelloser Profiteur des Holocaust, indem er in großem Umfang KZ-Häftlinge ausbeutete und diese zu Tode schindete oder erschießen ließ.
Wenig Skrupel zeigte Heinkel auch beim Erwerb von durch Deportation frei werdenden Immobilien, die sich in jüdischem Eigentum befanden. Fazit: Heinkel war ein bedeutender und aktiver Repräsentant des faschistischen Terrorregimes und nicht nur ein bloßer Mitläufer.
Der Fellbacher Gemeinderat soll sich endlich einen Ruck geben, eine Entscheidung für die Umbenennung der Heinkel- und Hindenburgstraße zu treffen, um diese unsäglichen Namen aus dem Straßenbild zu verbannen und sie angemessen mit antifaschistischen Widerstandskämpfern zu ersetzen. Es würde dem Ansehen der Stadt Fellbach sicher nicht schaden, im Gegenteil.
Es gibt übrigens auch Städte und Gemeinden, die sich ihrer geschichtlichen Verantwortung bewusst waren bzw. sind und ihre Hindenburgstraßen entsprechend umbenannten. In diesem Sinn fordert die VVN-BdA die Umbenennung aller Hindenburgstraßen im Rems-Murr-Kreis und anderswo und sie mit den Namen antifaschistischer Widerstandskämpfern zu ersetzen.
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