Von Julian Rettig und Lars Singert – Stuttgart/Konstanz. In Stuttgart trafen sich am Samstag Nachmittag viele hundert DemonstrantInnen vor der Landeswasserversorgung, um sich die lokalen Auswirkungen von Freihandelsabkommen wie TTIP vor Augen zu führen. Auf ihrem Zug durch die Stadt, der an Orten wie dem Landgericht, der Volkshochschule und dem Katharinenhospital vorbei führte, schlossen sich ihnen immer mehr Menschen an. Bis zur Abschlusskundgebung auf dem Wilhelmsplatz war die Menge auf etwa 1200 DemonstrantInnen angewachsen.
Am kommenden Montag wird die neunte Verhandlungsrunde zu dem Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU in New York starten. Aus diesem Grund beteiligten sich am 18. April weltweit Menschen am Aktionstag gegen Freihandels- und Investitionsschutzabkommen.
Öffentliche Infrastruktur in privater Hand?
Gleich zu Beginn der ersten Stuttgarter Gemeingütertour ging es auf dem Urbansplatz um die Versuche verschiedener Investoren, öffentliche Netze und Infrastruktur in private Hände zu überführen. Exemplarisch standen hier die Landeswasserversorgung und der Rückkauf des Wasserversorgungsnetzes der Stadt für ein zukünftig denkbares Szenario. Denn durch TTIP, CETA und TiSA wäre eine Rekommunalisierung, also der Rückkauf solcher Infrastruktur, unmöglich – einmal privatisiert, immer privatisiert.
Die Möglichkeit großer Konzerne, Profitinteressen gegen das Gemeinwohl durchzusetzen, stand im Zentrum der Kritik an den geplanten Abkommen. Mehrfach warnte Moderatorin Sarah Händel (Mehr Demokratie e.V.) auf der Tour, dass durch diese Abkommen elementarste Versorgungsstrukturen gefährdet seien. Eine ihrer Schlussfolgerungen: Wenn die Öffentlichkeit das Gesundheitssystem subventionieren will, weil es ihr wichtig ist, sei dies ein legitimes Recht. Durch die geplanten Abkommen erhielten private Investoren jedoch die Möglichkeit, die selben Zuschüsse zu beanspruchen wie wichtige öffentliche Träger.
Volker Mörbe von Verdi erklärte anschaulich: Im diesem Fall würden die Steuerzahler die Privatisierungsvorhaben von Krankenhäusern und anderen Einrichtungen aktiv mitfinanzieren. Alternativ haben die beteiligten Staaten die Möglichkeit, alle Subventionen zu streichen, um den Anspruch der Investoren darauf abzuschaffen. Ein Szenario, dass sich niemand wirklich ausmalen konnte oder wollte.
Handeln, bevor es kein Zurück mehr gibt
Bildung und Kunst sind wichtige Güter der Freiheit. Auf der anderen Seite gibt es einen großen Markt hinter diesen beiden so wichtigen Instrumenten für kritisches Denken.
Edit Koerber vom Theater tri-bühne malte sich eine Dystopie aus, in der ein amerikanischer Investor eine Symphonie aufführen lässt. Geschützt durch die neuen Freihandels- und Investitionsschutzabkommen macht er seinen Anspruch auf die ortsüblichen Subventionen geltend – in ihrem Beispiel nicht mehr und nicht weniger als die Zuschüsse für die Berliner Philharmoniker. Für die Stadt entsteht ein finanzielles Problem, wenn mehrere Investoren auf die selbe Idee kommen. Für die Kunst ein existenzielles, wenn sie nicht mehr unabhängig ist, sondern wirtschaftlich seien muss.
Dass die erste Gemeingütertour des Stuttgarter Krisenbündnisses letztlich auf dem Wilhelmsplatz endete, lag an einer Forderung an die SPD: Die Partei solle „wichtige öffentliche Güter nicht den Großkonzernen auf dem Silbertablett“ anbieten, sondern die Verhandlungen stoppen.
Protest gegen TTIP mit Alphorn
Beim globalen Aktionstag gegen die Freihandelsabkommen wurde auch in Konstanz, der größten Stadt am Bodensee, demonstriert. Das örtliche Bündnis „Konstanz gegen TTIP“ hatte die Aktionen organisiert.
Flashmobs auf Marktstätte und Münsterplatz sollten auf die Unterschriftenaktion gegen TTIP und weitere Freihandelsabkommen aufmerksam machen. Lautstark untermalt wurden die Flashmobs von einer Trommelgruppe und einem Alphorn-Spieler.
Ebenso waren AktivistInnen den Samstagmittag über mit einem Stand in der Fußgängerzone präsent. Jeden Samstag ist die Konstanzer Innenstadt überfüllt. Vor allem aus der Schweiz kommen viele zum Einkaufen in die Grenzstadt. So wurde der Protest zumindest von vielen Menschen bemerkt, und es konnte Aufklärungsarbeit geleistet werden. Auch der Kreistag und der Konstanzer Gemeinderat haben eine Resolution gegen TTIP verabschiedet – ein großer Erfolg für das Bündnis „Konstanz gegen TTIP“ im eher konservativen Bodenseegebiet.
Weitere Bilder aus Konstanz
Weitere Bilder aus Stuttgart
- Bei der Auftaktkundegebung
- Lothar Letsche, GEW
- Demonstranten servieren der SPD sieben Gemeingüter auf einem „Silbertablett“
- Fritz Mielert, Die AnStifter
- Peter Conradi, SPD
- Hannes Rockenbauch, SÖS – Stuttgart ökologisch sozial
Folge uns!