Stuttgart. Die Gewerkschft Verdi ruft ab nächsten Freitag, 8. Mai, bundesweit zum Streik im Sozial- und Erziehungsdienst auf. Bei der Urabstimmung haben sich 93,44 Prozent der Verdie-Mitglieder für einen Arbeitskampf zur Durchsetzung ihrer Forderungen ausgesprochen haben. Das teilt die Gewerkschaft mit. Auch in Baden-Württemberg beginne der Arbeitskampf am Freitag.
Verdi rechnet beim Streikauftakt mit mehreren tausend Streikenden und hunderten geschlossenen Einrichtungen, zumeist Kindertagesstätten. Es sind mehrere regionale Kundgebungen geplant. Die größte mit Verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier ist in Mannheim. Sie beginnt am Freitag um 11.30 Uhr auf dem Paradeplatz.
Leni Breymaier, Verdi-Landesbezirksleiterin:
„Wir streiken ab Freitag für eine angemessene Bezahlung im Sozial- und Erziehungsdienst. Wir kämpfen damit aber auch gegen die Lohndiskriminierung von Frauen und stellen laut und vernehmbar die Frage, was uns Dienstleistungsarbeit wert ist. Dafür bitten wir um Unterstützung. Wir werden diesen Arbeitskampf sehr breit beginnen, damit so viele Arbeitgeber wie möglich im Land spüren, dass sie in der Verantwortung stehen. Wir werden bei den größten und wichtigsten Arbeitgebern nicht mehr locker lassen: Aussitzen wird nicht funktionieren. Und wir werden, sollte es länger gehen, Zug um Zug den Druck erhöhen. Abkürzen lässt sich dieser Streik jederzeit. Durch ein verhandlungsfähiges Angebot.“
Die betroffenen Eltern sowie weitere Betroffene bittet Verdi um Verständnis für den Streik und Unterstützung gegenüber den Kommunen, um die Arbeitgeber zu einem Einlenken zu bewegen. Wo es möglich ist, wird Verdi Notdienstvereinbarungen mit den Trägern vereinbaren.
Dagmar Schorsch-Brandt, stellvertretende ver.di Landesbezirksleiterin:
„Eltern brauchen eine liebevolle und gute Betreuung ihrer Kinder in den Kindertagesstätten, um die Doppelbelastung in Beruf und Familie zu stemmen. Und sie erwarten von den Erzieherinnen die individuelle Förderung ihrer Kinder und eine gute Vorbereitung auf die Schule. Dass die Bezahlung diesem Anspruch meilenweit hinterher hinkt, ist ihnen bewusst. Die Eltern sehen, dass sich die zu geringe Bezahlung offenkundig ohne Streik nicht korrigieren lässt.“
Von der Tarifrunde sind in Baden-Württemberg neben über 30 000 Erzieherinnen (zu 98 Prozent Frauen, zu über 60 Prozent in Teilzeit) auch gut 10 000 Beschäftigte in Jugendhäusern, Beratungsstellen, Krankenhäusern, Wohnheimen und Werkstätten für behinderte Menschen, Jugendheimen und Ämtern betroffen.
Irene Gölz, zuständige Verdi Fachbereichsleiterin Gesundheit, Kirchen, soziale Dienste:
„Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen werden, obwohl sie auch einen Studienabschluss haben, deutlich schlechter als Ingenieure bezahlt. Es ist überfällig, dass bei vergleichbarer Qualifikation die Arbeit für Menschen genauso honoriert wird, wie die Konstruktion von Straßen und Brücken.“
Verdi beginnt den Streik bewusst bereits am Freitag, da die Arbeitgeber offenkundig versuchen, den Konflikt mit allen Mitteln in die Länge zu ziehen, um die Eltern in dieser Auseinandersetzung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Schorsch-Brandt: „Bereits am Wochenende haben die Arbeitgeber so zwei Tage Zeit, ihre Verweigerungshaltung zu überdenken und die Chance, mit einem verhandlungsfähigen Angebot die Auseinandersetzung zügig zu beenden.“
Verdi Baden-Württemberg wird den Arbeitskampf auch in der kommenden Woche fortführen. Die jeweilige Streikdauer wird von den Verdi-Bezirken mitgeteilt.
Verdi rechnet angesichts der Erfahrungen in den letzten Wochen mit einer – auch im Vergleich zu 2009 – noch höheren Streikbeteiligung. Insbesondere in den beiden größten Städten im Land ist der Unmut der Beschäftigten besonders groß: In Stuttgart und Mannheim, die in der Tarifrunde 2009 bundesweite Streikhochburgen waren, sind die Beschäftigten fest entschlossen, diesmal eine echte Aufwertung für alle Beschäftigtengruppen zu erreichen.
Irene Gölz: „Vom Ergebnis dieser Tarifauseinandersetzung werden im Nachgang noch einmal so viele Beschäftigte bei Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und freien Trägern profitieren, die den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst übernehmen oder sich am TVöD orientieren. Deshalb wird eine bessere Eingruppierung der sozialen Berufe im TVöD eine Aufwertung des gesamten Berufstandes zur Folge haben. Das ist auch deshalb dringend notwendig, damit die Berufe für junge Menschen attraktiv bleiben. Aufwertung ist echte Zukunftssicherung.“
Verdi fordert eine Neuregelung der Eingruppierungsvorschriften und Tätigkeitsmerkmale, die für die rund 240 000 Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst zu Einkommensverbesserungen von durchschnittlich zehn Prozent führen würden. Zum kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst gehören unter anderem Erzieherinnen und Erzieher, Sozialarbeiterinnen, Sozialpädagogen, Fachkräfte für Arbeits- und Berufsförderung und Heilerziehungspflegerinnen in der Behindertenhilfe, Kinderpflegerinnen sowie Heilpädagogen und Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen.
Indirekt profitieren von einem Tarifergebnis mit den kommunalen Arbeitgebern auch die mehr als 500 000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bei freien und kirchlichen Trägern.
In Stuttgart streiken ab Freitag beim Jugendamt die Bereiche Kita, Schulkindbetreuung, Fördergruppen. Beim Jugendamt die Sozialen Dienste und Hilfen zur Erziehung. Beim Sozialamt und Gesundheitsamt die Sozialen Dienste. Beim Schulverwaltungsamt die Schulkindbetreuung, verlässliche Grundschule etc sowie beim Klinikum der Stadt die Sozialen Dienste.
Ab Montag streiken auch die Städte und Gemeinden in den Landkreisen Ludwigsburg, Böblingen und Rems-Murr.
Streiklokal ist am Freitag und Montag der UFA Palast.
Mittelbaden-Nordschwarzwald
Betroffen sind ab Freitag die Stadt Karlsruhe mit ihren Kindertagesstätten, Horten und Sozialen Diensten. In Pforzheim das Jugendamt des Landratsamt Enzkreis und die städtischen Kindertagesstätten und die Sozialen Dienste, die Stadt Calw und einige Gemeinden aus dem Enzkreis. Insgesamt werden voraussichtlich 60 Einrichtungen geschlossen bleiben.
Schwarzwald-Bodensee
Ab Freitag wird gestreikt in Konstanz, Radolfzell, Rielasingen, Singen, Villingen-Schwenningen, Tuttlingen. Zahlreiche Einrichtungen werden geschlossen sein. Auch der ASD in Konstanz streikt ab Freitag.
Rhein-Neckar
52 Kindertagesstätten bleiben voraussichtlich ab Freitag geschlossen (drei sind im Notdienst), weitere Bereiche streiken. Ab 11.30 Uhr Kundgebung mit ver.di Landesbezirksleiterin Leni Breymaier mit rund 1200 Teilnehmerinnen auf dem Mannheimer Paradeplatz.
Ostwürttemberg-Ulm
Kindertagesstätten, Soziale Dienste sowie Einrichtungen der Jugendhilfe in Ulm und im Alb-Donau Kreis, in Aalen, in Schwäbisch Gmünd, und erstmals auch Kindertagesstätten der Städte Heidenheim und Giengen werden von den Arbeitsniederlegungen betroffen sein. Den Auftakt machen am Freitag die Beschäftigten der Städte Aalen und Ulm, weitere Einrichtungen in anderen Städten werden am Montag folgen. Insgesamt werden über 50 Einrichtungen geschlossen bleiben und über 600 Personen am Warnstreik teilnehmen.
Südbaden
Ab Freitag sind die Freiburger Kindertagesstätten im Streik. Rund 20 städtische Kitas bleiben geschlossen. Die Eltern wurden bereits Anfang der Woche von informiert. ver.di wird ab der 20. Kalenderwoche die Streiks auf zahlreiche Kommunen und Landkreisverwaltungen in Südbaden ausweiten.
Fils-Neckar-Alb
In den Landkreisen Reutlingen, Tübingen, Esslingen und Göppingen wird am Freitag gestreikt und es sind über 200 Einrichtungen geschlossen.
Kundgebung in Esslingen am Schillerplatz um 12 Uhr, Demonstration um 11.40 Uhr ab Stadthalle.
Zentrale Streikversammlung in der Stadthalle Nürtingen, Ablauf: 9.30 Uhr Versammlung der Streikenden in der Stadthalle, 11.40 Uhr Demonstration,
12 Uhr Kundgebung auf dem Schillerplatz in Nürtingen
Oberschwaben
Aufgerufen werden am Freitag Beschäftigte in kommunalen Kindergärten und die Schulsozialarbeiter im kommunalen Dienst
Heilbronn-Neckar-Franken
Am Freitag wird gestreikt in Heilbronn, Neckarsulm, Bad Friedrichshall, Crailsheim, Schwäbisch Hall, Weinsberg, Gundelsheim.
Kundgebung mit der stellvertretenden Verdi-Landesbezirksleiterin Dagmar Schorsch-Brandt.
Ab Montag: Heilbronn, Neckarsulm, Crailsheim, Schwäbisch Hall, Weinsberg, Oedheim.
Unser Bericht über die Warnstreik-Demo am 20. April 2015 kann hier nachgelesen werden.
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