Von unseren ReporterInnen und der Redaktion – Stuttgart. Rund 1100 Männer und Frauen protestierten am Samstag, 6. Juni, am Rand des Kirchentags in Stuttgart gegen die Anschläge auf die prokurdische HDP im Wahlkampf in der Türkei. Dort wird am Sonntag, 7. Juni, das Parlament neu gewählt. Am Freitagabend gab es bei einem Nagelbomben-Attentat auf eine Großkundgebung der HDP in Amed (kurdisch für Diyarbakir) mehrere Tote und Hunderte von Verletzten. Die gut zweistündige Demonstration in Stuttgart wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet.
Zu der Aktion am Samstagnachmittag hatte die HDP aufgerufen. Schon eine Stunde vor der um 18 Uhr beginnenden Versammlung standen vor dem Treffpunkt, dem türkischen Generalkonsulat in der Kernerstraße, Polizeifahrzeuge und Anti-Konflikt-Beamte in Gruppen. Rund um das Konsulat waren Hamburger Gitter aufgebaut. Zunächst versammelten sich nur einige hundert Demo-TeilnehmerInnen, alle sichtlich unter dem Eindruck der alarmierenden Ereignisse in der Türkei. Doch auf dem Weg vom Kernerplatz zum Gebhard-Müller-Platz schwoll die Menge rasch auf über 1000 Personen an.
Von dort ging es weiter auf der linken Fahrspur bis zum Hauptbahnhof, wo eine Zwischenkundgebung abgehalten wurde. Bei der Hauptkundgebung in der Lautenschlager Straße übersetzte eine Dolmetscherin von der Föderation demokratischer Arbeitervereine DIDF die Ansprachen ins Deutsche. Die Sympathie des Publikums war groß.
„Attentat ins Herz des Wunschs nach Frieden und Freiheit“
Ein Redner der Veranstalter bezeichnete die Angriffe in Amed (Diyarbakir) als „Attentat ins Herz des Wunsches nach Frieden und Freiheit im Mittleren Osten, denn Amed ist das Kernstück der kurdischen Freiheitsbewegung, die sich in allen vier Himmelsrichtungen für die Demokratisierung und ein friedliches Zusammenleben der Völker des Mittleren Ostens einsetzt“.
Angsichts des Erfolges der HDP – der „Kraft zur Demokratisierung in der Türkei“ – seien diese Angriffe „Ausdruck der Verzweiflung der konservativen und faschistischen Kräfte in der Türkei. In diesen Angriffen wird das wahre Gesicht Erdogans und der AKP-Regierung deutlich“, so der Redner weiter. Schon in der „offenen Unterstützung für die Mörderbande des Islamischen Staates (IS)“ sei diese Seite offen zu Tage getreten.
HDP macht AKP und Erdogan mitverantwortlich
Am Sonntag, 7. Juni, sind rund 54 Millionen TürkInnen zur Wahl aufgerufen. Viele in Stuttgart und der Region lebende türkische StaatsbürgerInnen beteiligten sich per Briefwahl an der Abstimmung, zumal nach Meinungsumfragen ein knapper Ausgang zu erwarten ist.
Im Wahlkampf gab es immer wieder Übergriffe auf die prokurdische HDP – ein Bündnis von regierungskritischen Gruppen unterschiedlicher Herkunft und Religion und Gewerkschaften. Die HDP macht die regierende AKP und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für die Anschläge mitverantwortlich, weil sie die Stimmung im Wahlkampf angeheizt hätten. Die oppositionelle Partei könnte die in der Türkei geltende Zehn-Prozent-Hürde überspringen und im Parlament zum Zünglein an der Waage werden.
Vorherrschaft der türkischen Regierungspartei auf der Kippe
Nach 13 Jahren an der Macht könnte die AKP ihre Vorherrschaft in diesem Fall verlieren. Erdogan steht auch wegen einer Vielzahl von Wahlkampfauftritten in der Kritik, da er als Staatspräsident eigentlich zur Neutralität verpflichtet wäre.
Auch vom Protestcamp der G7-GegnerInnen in Garmisch-Partenkirchen gab es am Freitagabend eine Spontandemonstration gegen die Anschläge.
Weitere Fotos von der Demonstration am Samstag in Stuttgart:
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