Garmisch-Partenkirchen/Elmau. „Schikanöse Kontrollen, brutale Polizeiübergriffe und Gewahrsamnahmen mit abstrusen Begründungen.“ Das ist die Bilanz des Ermittlungsausschusses (EA) der G7-GegnerInnen zum Abschluss der Proteste gegen den Gipfel am Montag, 8. Juni, in Garmisch-Partenkirchen. Der Ausschuss spricht in einer Pressemitteilung von einem „staatlichen Repressionsspektakel“. Der „Belagerungszustand durch ein Heer von Polizeieinheiten in der Region“ sei nun zu Ende. Doch das bedeute nicht das Ende der Repression.
Ziel der Einsatzleitung sei es gewesen, „das durch die Verbote und Auflagen ohnehin bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Recht auf Versammlungsfreiheit vollends zur Farce zu machen und die Demonstrationen in Polizeifestspiele zu verwandeln“, so der Ermittlungsausschuss weiter.
Es habe während der Aktionen insgesamt 85 Gewahrsamnahmen gegeben, die meisten am Sonntag. 67 Menschen seien zeitweise in Gewahrsam genommen und in der eigens errichteten Gefangenensammelstelle (Gesa) festgehalten worden, als sie versuchten, den Protest „wenigstens annäherungsweise an den Tagungsort heranzutragen“.
Der Ausschuss wirft der Polizei auch erneut vor, bei der großen Demonstration am Samstag in Garmisch-Partenkirchen eine Eskalation herbeigeführt zu haben, „nachdem die im Vorfeld standardmäßig heraufbeschworenen „Gewaltausbrüche“ seitens der G7-Gegner*innen ausblieben“. Der „brutale Polizeiangriff mit Knüppeln und Pfefferspray auf die Zwischenkundgebung“ habe zahlreiche Verletzte gefordert.
Bei der Konstruktion von Tatvorwürfen hätten die Polizeieinheiten „teilweise erstaunliche Kreativität“ bewiesen und die Betroffenen etwa wegen Besteck, Tätowierungen oder einem Stück Styropor kriminalisiert. Überdies hätten Gesa-Beamte Rechtsanwältinnen systematisch bei der Arbeit behindert. Sie seien zum Teil stundenlang nicht zu den Festgehaltenen gelassen und ihre Anträge nur verzögert bearbeitet worden.
Die Erklärung des Ermittlungsausschusses im Wortlaut:
Die Proteste gegen den G7-Gipfel in Garmisch-Partenkirchen waren von den Vorbereitungsmonaten bis zum heutigen Abreisetag geprägt von einem umfassend repressiven Klima, indem bereits im Vorfeld die geplanten Versammlungen sowie die notwendige Infrastruktur bekämpft wurden – sei es in Form von Demonstrations- und Campverboten oder auch durch systematische Schikanen wie den mehrstündigen Versuch der Polizei, die Anlieferung der genehmigten Toilettenhäuschen zu unterbinden.
In dieser Situation wurden Demonstrierende, kritische JournalistIinnen und die AnwältIinnen des Legal Teams offenbar gleichermaßen als zu bekämpfende oder zumindest zu behindernde Störungen der Law-and-Order-Maschinerie betrachtet. Die auch von der Justiz vorgegebene versammlungsrechtsfreie Zone und die Außerkraftsetzung zahlreicher weiterer Grundrechte wurden von einem martialischen Polizeiaufgebot umgesetzt, das jeden Protest zu einem wandernden Gefangenentransport machte. Ziel der Einsatzleitung war es offenbar, das durch die Verbote und Auflagen ohnehin bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Recht auf Versammlungsfreiheit vollends zur Farce zu machen und die Demonstrationen in Polizeifestspiele zu verwandeln.
Das Vorgehen der Repressionsbehörden in den vergangenen Tagen als „Null-Toleranz“ zu bezeichnen, wäre noch weit untertrieben. Nachdem die im Vorfeld standardmäßig heraufbeschworenen „Gewaltausbrüche“ seitens der G7-Gegner*innen ausblieben, mussten die Einsatzkräfte diese bei der großen Demo am Samstag selbst inszenieren. Der brutale Polizeiangriff mit Knüppeln und Pfefferspray auf die Zwischenkundgebung forderte zahlreiche Verletzte. Mehrere Protestierende wurden in Gewahrsam genommen, nachdem sie versucht hatten, sich und Umstehende vor der staatlichen Attacke zu schützen.
Insgesamt gab es während der Aktionen gegen den Gipfel 85 Gewahrsamnahmen, davon der bei weitem größte Teil am Sonntag. Beim Versuch, den Protest durch Sponatndemos und Blockaden wenigstens annäherungsweise an den Tagungsort heranzutragen, wurden gestern 67 Menschen zeitweise in Gewahrsam genommen und in der Gefangenensammelstelle (Gesa) festgehalten. Zahllose weitere Demonstrant*innen wurden langwierigen Personalienfeststellungen unterzogen.
Die Anwält*innen des Legal Teams wurden systematisch von den Gesa-Beamt*innen in ihrer Arbeit behindert, die die Rechtsbeistände teilweise stundenlang nicht zu den Betroffenen vorließen oder eingereichte Anträge absichtlich nicht bearbeiteten.
Bei der Konstruktion von Tatvorwürfen bewiesen die Polizeieinheiten teilweise erstaunliche Kreativität, indem die Betroffenen beispielsweise wegen Besteck, Tätowierungen oder einem Stück Styropor kriminalisiert wurden. Zwei G7-Gegner, die bereits seit Samstag in der Gefangenensammelstelle festgehalten wurden, kamen erst heute am frühen Abend frei.
Doch auch wenn nach der heutigen Abschlusskundgebung und Abreise der Protestierenden die fast 30 000 Polizist*innen abgezogen werden und der Ausnahmezustand im Großraum Garmisch-Partenkirchen endet, bedeutet das nicht das Ende der Repression gegen die Aktivist*innen. Es ist damit zu rechnen, dass in vielen Fällen die Ermittlungsverfahren, die massenhaft aufgrund an den Haaren herbeigezogener Anlässe eingeleitet wurden, fortgeführt werden.
Für die kommenden Monaten sind Gerichtsverfahren und andere Repressalien gegen Gipfelgegner*innen zu befürchten. Doch die Betroffenen werden in dieser Situation keineswegs alleingelassen, sondern können sich auch weiterhin an den Ermittlungsausschuss zum G7 wenden (antirep-g7@rote-hilfe.de). Daneben empfehlen wir, sich in solchen Fällen mit der nächstgelegenen Rechtshilfestruktur wie zum Beispiel der Roten Hilfe oder der örtlichen EA-Gruppe in Verbindung zu setzen.
Der Ermittlungsausschuss zum G7 fordert die sofortige Einstellung aller laufenden Verfahren gegen Gipfelgegner*innen und erklärt sich solidarisch mit allen, die bei den Protesten in den vergangenen Tagen staatlicher Repression ausgesetzt waren.
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