Von Andreas Scheffel – Göppingen. 400 Streikende folgten am Donnerstag, 25. Juni, dem Aufruf von Verdi, ihren Forderungen auf dem Göppinger Marktplatz Nachdruck zu verleihen. In den Tarifauseinandersetzungen verlangt Verdi eine Arbeitszeitverkürzung von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich, „um den von der Deutschen Post AG durch den Aufbau von 49 Regionalgesellschaften gebrochenen Vertrag zum Schutz vor Fremdvergabe zu kompensieren“. Außerdem wollen die Postler 5,5 Prozent mehr Lohn.
Briefträger und Paketboten der Deutschen Post befinden sich seit dem 8. Juni im unbefristeten Streik. Hintergrund des Konflikts ist der Aufbau von 49 regionalen Gesellschaften für die Paketzustellung. Bei ihnen werden bislang rund 6000 Paketboten nicht nach dem Haustarif der Post, sondern nach oft niedrigeren, regionalen Tarifverträgen der Logistikbranche bezahlt. Ein letztes Ultimatum der Gewerkschaft Verdi ließ die Post verstreichen. In dem Tarifkonflikt geht es um Bezahlung und Arbeitszeit für rund 140 000 Beschäftigte bundesweit. Auch die Fachgewerkschaft DPV rief nun zu einem unbefristeten Streik auf, der schrittweise ausgebaut werden soll.
„Wir geben nicht auf, wir können stolz auf uns sein“, sagte der stellvertretende Landesbezirksleiter von Verdi Baden-Württemberg Martin Gross vor dem Göppinger Rathaus. Er fügte in seiner Rede eine persönliche Bemerkung an: „Ich stehe hier nicht nur als Gewerkschafter, sondern auch als Vater dreier Kinder, und ich sage euch ganz offen, es geht in diesen Arbeitskampf auch darum, wie unsere nächste Generation noch arbeitet, lebt, und ob sie von der Arbeit leben kann.“
Solidaritätsadresse der IG Metall
Am Montag hatte es eine Streikversammlung in Eislingen gegeben. Dort hatten sich rund 350 Mitarbeiter versammelt. Nach Angaben von Verdi sind inzwischen im Postleitzahlgebiet 73 und 74 jeden Tag mehr als 800 Beschäftigte im Ausstand. Eine Streikende sagte unserem Berichterstatter, dass im Salacher Briefverteilzentrum nach wie vor Chaos herrsche. Dort würden die überfüllten Rollys nur hin und her geschoben. Für viele Haushalte bedeute dies zur Zeit, auszuharren und geduldig sein zu müssen. „Wir möchten für unsere Leistung gerecht entlohnt werden“, warb die Streikende um Verständnis.
Martin Purschke, erster Bevollmächtigter der IG-Metall-Verwaltungsstelle Göppingen und Geislingen, richtete den streikenden Postlern in seiner Rede solidarische Grüße der Metaller aus.
Verdi geht gegen Einsatz von Beamten als Streikbrecher vor
Am Mittwoch, zog Verdi im Tarifstreit mit der Post erneut vor Gericht.
Wegen „des unzulässigen Einsatzes von Beamten“ beantragte die Gewerkschaft beim Arbeitsgericht Bonn ein weiteres Mal eine einstweilige Verfügung, teilte sie mit. Ende Mai hatte das Gericht ein erstes Gesuch der Gewerkschaft abgelehnt.
In dem ersten Verfahren hatten die Richter den Einsatz von Beamten für streikende Angestellte noch zugelassen, weil sie davon ausgingen, dass die Staatsdiener freiwillig für ihre Kollegen eingesprungen waren. Nun hat Verdi nach eigenen Angaben dem Gericht eidesstattliche Erklärungen von Beamten vorgelegt, die nicht für Streikende einspringen wollten.
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