Von Betânia Ramos Schröder – Frankfurt. Über 1500 Menschen zeigten sich am Samstag, 27. Juni, in Frankfurt solidarisch mit Kobane. Mehrere kurdische Organisationen hatten vor dem Hintergrund neuer Angriffe des IS auf die Stadt zu der Demonstration aufgerufen. Der IS hatte nach Medienberichten seine Offensive am Donnerstag mit drei Selbstmordanschlägen begonnen, bei denen mindestens 170 Menschen starben. Inzwischen sind die Terrormilizen wieder vertrieben. Umstritten bleibt die Rolle der Türkei.
Die Demonstration in Frankfurt führte von der Hauptwache über die Katharinenpforte, den Kornmarkt und die Bethmannstraße zum Römer. Dort gab es eine Abschlusskundgebung. Die DemonstrantInnen wollten zeigen, wie wichtig internationale Unterstützung für Kobane ist. Unter den Rednern war Bahti Dogan, Vorstandsmitglied der Nav-Dem – Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland. Er machte auf die Brutalität der IS in Kurdistan in Syrien aufmerksam und rief zu mehr Unterstützung für die kurdischen WiderstandskämpferInnen auf.
Solidarität mit Freital
Spontan hatten sich auch ungefähr 50 Mitglieder der Antifaschistischen Koordination Frankfurt entschlossen, bei der Demonstration in Solidarität mit Kobane die Aufmerksamkeit auch auf den Widerstand von antifaschistische Organisationen, Bürgern und Politikern in Freital in Sachsen zu lenken. Dort wenden sich angeblich „besorgte Bürger“, Neonazis, islamfeindliche Politiker und der „Widerstand Ost/West (WOW)“ gegen die Aufnahme von 380 Flüchtlingen im Hotel Leonardo. Seit Tagen demonstrieren sie jeden Abend vor der Flüchtlingsunterkunft, die von UnterstützerInnen der Asylsuchenden geschützt wird.
Einer Pressemitteilung des Kurdischen Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad und des Demokratisches Gesellschaftszentrums der KurdInnen in Deutschland NAV-DEM zufolge war es im Stadtzentrum von Kobane seit den Morgenstunden des 25. Juni erneut zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Angreifern des Islamischen Staates und den Volksverteidigungseinheiten der YPG und YPJ gekommen.
Die Erklärung im Wortlaut:
Gegen 4.40 Uhr morgens sind Milizen des Islamischen Staates (IS) in Form von kleinen Gruppen erneut in die Stadt Kobanê eingesickert und haben mehrere mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge in der Nähe der Grenze zur Türkei in die Luft gejagt. Anschließend soll der IS wahllos das Feuer auf Zivilisten eröffnet und dabei mindestens zwölf Menschen getötet haben. Derzeit halten die Kämpfe im Stadtzentrum von Kobanê an. Die Auseinandersetzungen konzentrieren sich auf den Stadtteil Kaniya Kurda. Die heftigen Kämpfe halten auf dem Qada Azadi (Freiheitsplatz) und in der Nähe des von den „Ärzte ohne Grenzen“ errichteten Krankenhauses an.
„Gruppen aus der Türkei eingesickert“
Lokalen Quellen zufolge drangen die meisten IS Kämpfer bei dem aktuellen Angriff über die türkische Grenze nach Kobanê ein. Die Bombenexplosionen in der Nähe des türkisch-syrischen Grenzübergangs Mürşitpınar bestätigen diesen Verdacht. Der türkische Gouverneur der Stadt Riha (Şanlıurfa) hingegen erklärte, dass keine IS Kämpfer aus der Türkei nach Kobanê eingedrungen seien. Stattdessen sei der IS über die Stadt Jarablus (Dscharabulus) nach Kobanê eingesickert. Allerdings ist Jarablus nicht nur knapp 40 km westlich von Kobanê gelegen. Die beiden Städte werden auch durch den Fluss Euphrat voneinander getrennt und es gibt keine intakte Brücke, die über den Fluss führt. Vor dem Hintergrund, dass der IS mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugen in die Stadt eindringen konnte, erscheint die Version des Gouverneurs von Riha unrealistisch.
Vom Grenzübergang Mürşitpınar berichten lokale Reporter, dass die türkischen Verantwortlichen aktuell die Grenze für die Behandlung schwerverletzter Zivilisten aus der Stadt Kobanê nicht öffne. Viele der Verletzten an der Grenze befinden sich aufgrund von übermäßigem Blutverlust in einer lebensbedrohlichen Lage. Zugleich seien mindestens drei IS Kämpfer im Laufe des Tages aufgrund der schweren Auseinandersetzungen aus Kobanê wieder über die türkische Grenze geflüchtet. Die geflüchteten IS Kämpfer griffen daraufhin auch Zivilisten im Dorf Etmanek in nördlich der Grenze an und töteten dabei ein zwölfjähriges Kind. Schutz vor der Bevölkerung Nordkurdistans konnten die IS-Mitglieder anschließend beim türkischen Militär finden.
Massaker im Dorf Berxbotan
Zeitgleich mit dem Angriff auf Kobanê haben in Uniform der YPG getarnte IS Milizen im Dorf Berxbotan ein Massaker an der Zivilbevölkerung verübt. Bei dem Angriff auf das Dorf, das 30 km südlich von Kobanê liegt, sind mindestens 20 Zivilisten ums Leben gekommen, dutzende weitere Menschen wurden verletzt. Derzeit halten sowohl im Dorf Berxbotan als auch im Stadtzentrum von Kobanê die Auseinandersetzungen weiter an.
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