Tübingen. „Je stärker die Linke, desto sozialer wird Baden-Württemberg.“ Das ist der Wahlspruch Bernhard Strasdeits. Der Landesgeschäftsführer der Linken wurde am Mittwoch, 8. Juli, als Landtagskandidat für den Wahlkreis Tübingen aufgestellt. Zweitkandidatin ist Maggie Paal, wie Strasdeit Kreistagsmitglied in Tübingen.
Die Linke ist in Tübingen mit je vier Sitzen im Gemeinderat und im Kreistag vertreten, gilt also als starke kommunalpolitische Kraft. Sollte sie bei der Wahl im März 2016 die Fünf-Prozent-Hürde nehmen, dürfte Bernhard Strasdeit Landtagsabgeordneter sein.
Der 60-Jährige ist Industriekaufmann von Beruf. Er kennt den parlamentarischen Betrieb, da er acht Jahre lang parlamentarischer Mitarbeiter des früheren PDS-Bundestagsabgeordneten Winfried Wolf war und danach für den Europaabgeordneten Tobias Pflüger arbeitete. Beim Zusammenschluss der WASG und der PDS zur Linken war er Parteibildungsbeauftragter für Baden-Württemberg – so wie Bodo Ramelow für den Bund. Seit 2007 ist der gebürtige Tübinger und Vater von drei Kindern Landesgeschäftsführer der Linken.
Über vierzig Mitglieder und Gäste kamen am Mittwoch zur Nominierungsversammlung ins Tübinger Bürgerheim. Sie erstreckte sich über drei Stunden – nicht zuletzt, da sich die Runde diskussionsfreudig zeigte. Bernhard Strasdeit hatte mit Wolfgang Schäfer aus Rottenburg, einem selbstständigen Unternehmensberater und Versicherungsmakler, einen Gegenkandidaten. Der Landesgeschäftsführer der Linken setzte sich aber klar mit 32 Stimmen gegenüber vier Stimmen für Schäfer durch. Zweitkandidatin Maggie Paal, die ohne Konkurrenz antrat, erhielt 35 Stimmen.
Strasdeit fordert sanktionsfreie Sozialberatung
Ursprünglich wollte auch der Tübinger Stadtrat Gotthilf Lorch, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Selbstbestimmte Behindertenpolitik, bei der Nominierungsversammlung antreten. Er zog seine Kandidatur aber nach zwei Klinikaufenthalten in jüngerer Zeit aus gesundheitlichen Gründen zurück.
Wolfgang Schäfer, 56, verwies in seiner Vorstellungsrede ausführlich auf Erfolge, die er mit praktischem Handeln bei Wahlkämpfen im Rottenburgischen erzielt habe. Das mochten seine Genossen jedoch so nicht stehen lassen. Konflikte Schäfers – von Anfang an, also seit zehn Jahren bei der kleinen Tübinger Montagsdemonstration gegen Hartz IV und Sozialabbau engagiert – mit dem Rottenburger Ortsvorstand der Linken und dem Kreisvorstand brachen auf. Sie hängen unter anderem damit zusammen, dass Schäfer von seiner Partei verlangt, eine unabhängige Sozialberatung ins Leben zu rufen. Bernhard Strasdeit hingegen sieht eine sanktionsfreie, vom Job-Center unabhängige Beratung Erwerbsloser als staatliche Aufgabe und fordert, dass der Tübinger Arbeitslosentreff TAT zu diesem Zweck weiterhin Zuschüsse vom Land erhält.
Der Dissens beherrschte die Versammlung zeitweise so stark, dass der frühere Europaabgeordnete Tobias Pflüger befürchtete, deren eigentliches Anliegen könnte untergehen: Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Linke als starke Opposition in den Landtag einzieht. Auch die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel, die eingangs über die Griechenland- und Flüchtlingspolitik gesprochen hatte, versuchte die Wogen zu glätten.
Tobias Pflüger kritisiert Polizeipolitik Reinhold Galls
Grüne und SPD verwirklichten nicht, was sie vor der Wahl 2011 zugesagt hätten, kritisierte Pflüger. Als Beispiel nannte er die ositionspolitik zu machen“, sagte Pflüger. Als Beispiel nannte er die Innenpolitik: Innenminister Reinhold Gall (SPD) mache gegenüber den Sicherheitsbehörden die gleiche Politik wie seine Vorgänger. „Die Polizeieinsätze in Baden-Württemberg sind immer noch bundesweit die Schlimmsten“, sagte Pflüger.
Bernhard Strasdeit pflichtete ihm bei: „Linke und antifaschistische Demonstrationen werden bespitzelt und gekesselt. Nazis hingegen haben freien Lauf“, sagte er. Den Vorschlag Wolfgang Schäfers, „unter dem Schutz des Mandats“ Filmteams zu solchen Anlässen zu schicken, um Polizeiübergriffe zu dokumentieren, lehnte Strasdeit dennoch ab: „Gottseidank gibt es solche Teams bereits, etwa die Beobachter News.“
Linke will Ausgegrenzten eine Stimme geben
Er kandidiere, weil es im Landtag Druck von links geben müsse, um eine sozialere Politik zu erzwingen. Die politische Arbeit der Linken müsse drei politische Standbeine haben: die kommunale Verankerung, eine aktive Mitwirkung und Bündnispolitik in sozialen und demokratischen Protestbewegungen und die parlamentarische Arbeit in Land und Bund.
Die Linke wolle im Landtag Stimme derjenigen sein, die sich sonst nicht so leicht Gehör verschaffen können – etwa von Menschen mit niedrigem Einkommen, die abhängig sind von sozialen Leistungen, also von Niedrigverdienern, prekär Beschäftigten, aus dem Bildungssystem ausgegrenzten Kindern und Jugendlichen, von behinderten und kranken Menschen, die zunehmend den Profiteuren einer Zweiklassenmedizin ausgeliefert seien, aber auch von Arbeitsimmigranten und Flüchtlingen „mit minderen Bürgerrechten“.
Der Verfassungsschutz gehört aufgelöst
Strasdeit will sich unter anderem für bezahlbaren Wohnraum und für die Interessen der Beschäftigten an den Kliniken und in der Pflege einsetzen. Er forderte Investitionen in die Infrastruktur und warf der baden-württembergischen Landesregierung vor, auf Bundesebene als Bremser in Fragen gerechter Besteuerung aufzutreten. Zu seinen Forderungen gehörten auch ein landesweites Sozialticket, gebührenfreie Kindergärten, gebührenfreie Ganztagsangebote und eine kostenlose Schülerbeförderung.
Unter dem Stichwort „Demokratie“ warf er der grün-roten Landesregierung vor, die versprochene Direktwahl der Landräte fallen gelassen zu haben. Überdies müsse das Landesamt für Verfassungsschutz aufgelöst oder unter neuer Leitung in ein Landesamt für Bürgerrechte umgewandelt werden. „Das derzeitige Landesamt für Verfassungsschutz unter Führung von Frau Bube ist ein Hort der Demokratiefeindlichkeit“, sagte Strasdeit.
Berufsverbotsopfer müssen rehabilitiert werden
Linke würden weiter bespitzelt, bei den NSU-Verbrechen habe der Verfassungsschutz hingegen zur Aufklärung nicht beigetragen, sogar Neonazi-Zusammenhänge vertuscht und gedeckt. Überdies: „Gall und Kretschmann sind nicht bereit, die Opfer des kalten Krieges in Baden-Württemberg zu rehabilitieren – Opfer der Berufsverbote, die in Bayern und Baden-Württemberg mit besonderer Härte durchgezogen wurden.“
Strasdeit forderte auch die Entmilitarisierung von Schule, Forschung und Lehre. Er habe sich auch seit jeder in antifaschistischen Zusammenhängen engagiert, betonte er. Gegen rechte Kräfte zu kämpfen und einen Rechtsruck zu verhindern, gehöre für ihn zu den wichtigsten Anliegen.
Folge uns!