Von Jens Volle – Karlsruhe. Etwa 200 AntifaschistInnen übertönten am Dienstagabend, 16. Juli, in Karlsruhe mit Trillerpfeifen, Vuvuzelas und Sprechchören eine Kundgebung und Demonstration des „Widerstands Karlsruhe“. Die Gruppierung ist Nachfolger der rassistischen Kargida-Bewegung.
Seit Monaten schon hatte das Antifaschistische Aktionsbündnis Karlsruhe (AAKA) alle Plätze in der Stadt für die nächsten Dienstage für Kundgebungen reserviert. Damit wollte es verhindern, dass sich dort Rassisten von Pegida, Kargida, „Widerstand Karlsruhe“ oder wie sie sich sonst nennen mögen versammeln können. Ein Teilerfolg für das AAKA: Die Rassisten mussten wenig öffentlichkeitswirksam ihre Kundgebung in einer kleinen Seitenstraße, der Hebelstraße, abhalten.
Der „Widerstand Karlsruhe, der bis vor wenigen Wochen noch „Karlsruher gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Kargida) hieß, hat sich von der Pegida-Bewegung abgespalten. Es hatte interne Streitigkeiten gegeben, so zum Beispiel Redeverbote von Hooligans aus dem Kargida-Dunstkreis bei Pegida-Kundgebungen. Der Name „Widerstand Karlsruhe“ lehnt an „Widerstand Ost/West“ an. Letzterer versuchte vergeblich, sich in Frankfurt am Main mit einer bundesweiten Demo einen Namen zu machen (siehe „Desaster für Widerstandt Ost West“).
Polizei sperrt Kundgebungsplatz mit Gittern
Ester Seitz, die schon die Demo in Frankfurt angemeldet hatte, war auch am Dienstagabend vor Ort. Neben Michael Stürzenberger, der in Frankfurt wie in Karlsruhe seine sehr spezielle Sicht der Dinge (siehe „Zeitung wehrt sich gegen Maulkorb“ und „Michael Mannheimer verliert vor Gericht„) zum Besten geben durfte, waren auch wieder viele Neonazis dabei.
Kurz vor Beginn der Kundgebung wurden sämtliche Zugänge zur Hebelstraße von der Polizei mit Absperrgittern dicht gemacht. Es kamen nur noch Menschen, die zu der Kundgebung wollten, und Pressevertreter durch. Etwa 50 GegendemonstrantInnen waren sich aber bewusst, dass es so kommen würde. So setzten sie sich – noch bevor abgesperrt wurde – in ein Café, das nur etwa 20 Meter von dem Kundgebungsort entfernt war.
Von der Kundgebung war nichts zu verstehen
Als die Kundgebung begann, stellten sie sich mit Bannern 10 Meter entfernt auf und übertönten die menschenfeindliche Hetze mit Sprechchören, Trillerpfeifen, Vuvuzelas und Megaphonen. Lediglich eine Polizeikette und Polizeiflatterband trennten die beiden Lager. Die GegendemonstrantInnen waren so laut, dass von der Kundgebung so gut wie nichts zu verstehen war.
Nach etwa einer Stunde war die Kundgebung zu Ende, und die AnhängerInnen des „Widerstands Karlsruhe“ stellten sich zu ihrem „Spaziergang“ auf. Um nicht direkt durch die Kundgebung zu gehen und den Demozug dennoch von vorne fotografieren zu können, verließen zwei Fotografen der Beobachter News den abgesperrten Bereich, um ihn an einer günstigeren Stelle wieder zu betreten.
Polizei behindert Pressefotografen
Dort wurden sie aber erst mal nicht durchgelassen mit der Begründung, es müsse erst geprüft werden, ob sie „seriöse Pressevertreter“ seien und ihre Presselegitimation nicht zum „Unruhestiften“ und „Provozieren“ missbrauchten. Nach einer Viertelstunde Warten kam ein Vertreter der Polizei-Pressestelle und ließ die beiden Fotografen passieren. Ein anderes Team der Beobachter News wurde hingegen an anderer Stelle nicht durchgelassen, also an seiner Arbeit gehindert.
Der Demozug startete die Hebelstraße entlang über die Kreuz- und Zähringer Straße. Die Straßen waren menschenleer, die Fenster geschlossen. Lediglich in einem Straßencafé saßen, geschützt durch Flatterband und Polizeikette, ein paar Menschen, die den Marsch der vorbeiziehenden RassistInnen mit einem Spruchband kommentierten, auf dem „langweilig“ zu lesen war. Die Seitenstraßen war in 50 oder mehr Metern Entfernung mit Hamburger Gittern und Polizeiketten abgesperrt. Dahinter waren die Parolen der GegendemonstrantInnen laut und deutlich zu hören.
Wettstreit mit Parolen
Kurz vor der Kronenstraße, in der der Zug von etwa 80 GegendemonstrantInnen erwartet wurde, blieb dieser im Abstand von etwa 50 Metern wenige Minuten stehen. Die Gegenüberstehenden versuchten, sich gegenseitig mit Parolen zu übertönen. Für allgemeine Erheiterung sorgte dabei der Sprechchor der Rechten: „Ohne Finanzspritze wärt ihr gar nicht hier!“ Diese Parole bezieht sich auf die in rechten Kreisen kursierende Verschwörungstheorie, dass Antifa-AktivistInnen von Staat, Gewerkschaften und Parteien bezahlt würden.
Schließlich drehte der Demozug um und lief denselben Weg wieder zurück zum Kundgebungsplatz, wo die Versammlung aufgelöst wurde. Die Polizei eskortierte die Teilnehmerinnen in Kleingruppen zum Bahnhof. Dabei kam es zu einer bemerkenswerten Situation: Eine Mann beobachtete und fotografierte aus einiger Entfernung, wie PolizistInnen mehrere AntifaschistInnen einkesselten. Eine Gruppe vermeintlicher Neonazis, die von PolizistInnen zum Bahnhof eskortiert wurden, kam auf ihn zu.
Neonazi schlägt Mann vor Augen der Polizei ins Gesicht
Als er die Situation fotografisch dokumentieren wollte, näherten sich ihm mehrere aus der Gruppe schnell, schlugen ihn ins Gesicht und versuchten, ihm die Kamera zu entreißen. Die PolizistInnen gingen dazwischen und kesselten die Neonazis ein.
Der Angegriffene fiel zu Boden. Ihm wurde von einem Beamten nahegelegt, Anzeige zu erstatten. Immerhin handelte es sich um einen tätlichen Angriff. Dem kam der Angegriffene auch nach. Der Beschuldigte wurde schnell identifiziert und zur Aufnahme der Personalien weggebracht.
Ein Polizeibeamter ging dabei auf sehr fragwürdige Art und Weise mit dem Beschuldigten um: Er grüßte ihn freundlich mit Handschlag. Die beiden duzten sich und führten während der Aufnahme freundschaftlichen Smalltalk. Von anderen Beamten wurde dem Angegriffenen suggeriert, er sei selber schuld an dem Geschehenen. Er habe ja mit dem Übergriff rechnen müssen, als er die Gruppe fotografierte.
Angegriffener sieht Kungelei mit Rechten als Bedrohung
Das führte schließlich dazu, dass der Geschädigte seinen Ausweis zurückverlangte, um möglichst schnell den Ort verlassen zu können. Er fühlte sich von der Situation, dass Neonazis, die eben vor den Augen der Polizei eine Körperverletzung begangen haben, ein offensichtlich freundschaftliches Verhältnis zu Beamten pflegen, sehr bedroht.
Dazu sagt er: „Die blanke Dreistigkeit, mit der die Polizei vor Ort allerdings ihre Befangenheit demonstriert hat, bringt mich dazu, auf mein Recht zu verzichten und zu versuchen, die Anzeige zurück zu ziehen, um nicht weiter mit der rechten (Polizei)Szene in Berührung zu kommen.“
Die Polizei-Pressestelle erklärte auf Anfrage der Beobachter News, sie habe keine Kenntnis von diesem Vorgang. Daher könne sie auch nicht Stellung dazu beziehen, dass es Polizeibeamte gebe, die öffentlich ein freundschaftliches Verhältnis zu vermeintlichen Neonazis führten. Wieder einmal ein Vorfall, der die Polizei in einem schlechten Licht dastehen lässt und eine verpasste Chance, den Vorwurf, PolizsitInnen kungelten mit Rechten, zu entkräften.
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