Stuttgart. Offenbar war es nur ein Versuch der Einschüchterung: Die Bundespolizei hatte den Herausgeber und einen Fotojournalisten der Beobachter News im Visier (siehe „Ermittlungen gegen Beobachter News„). Sie sollten mit der Veröffentlichung eines Fotos am 21. April 2014 in unserem Online-Magazin gegen das Recht eines Bundespolizisten am eigenen Bild verstoßen haben. Jetzt teilte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft mit, es werde nicht weiter ermittelt.
Die Erste Staatsanwältin Hörmann begründet die Einstellung des Ermittlungsverfahrens in ihrem Schreiben mit § 153 Absatz 1 der Strafprozessordnung. Die Staatsanwaltschaft könne bei einem Vergehen von der Verfolgung absehen, „wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht“, heißt es dort.
Es wird also rechtlich nicht mehr geklärt, ob die Beobachter News gegen das Kunsturheberrechtsgesetz verstieß, als sie einen Bundespolizisten im Einsatz im Stuttgarter Hauptbahnhof zeigte. Der Artikel hatte die Überschrift „Die Polizei, dein Freund und Helfer – Geschichten von der Demo“. Einige beigefügte Fotos dokumentierten Ausweiskontrollen und ähnliche Handlungen von Beamten der in Bahnhöfen zuständigen Bundespolizei gegenüber DemonstrantInnen.
Wir sind überzeugt, mit den Abbildungen gegen kein Gesetz verstoßen zu haben. Ein Beamter sah das jedoch offenbar anders. Er glaubte, sich auf dem Foto, das am Ende einer Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 entstanden war, wiederzuerkennen und erstattete Anzeige.
Wir erklärten uns damals bereit, den Bundespolizisten mit einem Balken unkenntlich zu machen, wenn er seine Anzeige zurückzieht. Wie wir schon öfter darlegten, kommt es uns bei unseren Veröffentlichungen nicht auf die Gesichter einzelner Beamter oder DemonstrantInnen an. Wir wollen nur das Geschehen und das Agieren der Sicherheitsbehörden als solches zeigen, nicht einzelne Akteure identifizierbar machen (siehe hierzu auch unser Interview im Freien Radio Stuttgart).
Die zuständige Beamtin erklärte damals jedoch am Telefon, ihre Kollegen wollten die Anzeige nicht zurückziehen, die Sache sei ihnen zu wichtig. Interessant, dass die Polizeibeamtin von Kollegen sprach, also offensichtlich von mehreren Personen, denen die „Sache“ zu wichtig sei. In welchen Abteilungen die besagten Personen wohl tätig sind? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Nach unserem Eindruck kam es den Ermittlungsbehörden darauf an, gegen die Beobachter News ein Strafverfahren zu eröffnen. Nun ruderten sie also zurück. Selbst ein Verstoß wäre offenbar in den Augen der Staatsanwaltschaft keine Straftat, sondern nur ein Vergehen gewesen. Andernfalls könnte sie nicht „von der Verfolgung absehen“.
Es war nicht das erste Mal, dass die Polizei gegen Pressefotografen vorgeht, die das Vorgehen der Einsatzkräfte bei Kundgebungen, Demonstrationen und ähnlichen Anlässen kritisch begleiten und dokumentieren. Unsere Kritik, dass die Sache sehr an den Haaren herbeigezogen sei, sehen wir jetzt bestätigt.
Nach dem Kunsturheberrechtsgesetz (Paragraf 23) darf man Fotos von Personen ohne deren Einwilligung nur in bestimmten Fällen veröffentlichen – etwa Bilder aus dem Bereich der Zeitgeschichte, Bilder, auf denen die Personen nur Beiwerk sind, und Bilder „von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“. Verstöße werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bedroht (Paragraf 33).
Siehe auch „Ermittlungen gegen Beobachter News„.
Dazu ein Kommentar von Ferry Ungar:
Ich hatte mich schon auf eine Gerichtsshow gefreut. Die wäre ganz sicher amüsant geworden. Aber die Halbherzigkeit gewisser Menschen führte wieder mal ins Aus und vermasselt dem Publikum ein paar vergnügliche Stunden. Zu schade aber auch.
Was war denn da eigentlich geschehen? Ein Beamter will sich auf einem Foto in der Beobachter News erkannt haben. Ah ja. Soweit so schlecht. Ob ich das glaube? Natürlich glaube ich das nicht. Ich glaube vielmehr, dass da ein paar Schlapphüte nichts Besseres zu tun hatten (und haben), als unsere Beiträge zu durchforsten, um irgendwelche Punkte zu finden, an denen sie versuchen können, uns anzugreifen und einschüchtern. Sie fanden Fotos und suchten in der Folge nach den abgebildeten Kollegen. Nun mussten sie noch einen von ihnen davon überzeugen, einen Strafantrag zu stellen. Für sowas gibt sich ja schließlich nicht jeder her. Lang gesucht – und endlich fündig geworden.
Auf den vom verantwortlichen Redakteur der BN vorgeschlagenen „Deal“, das Gesicht des betroffenen Beamten unkenntlich zu machen und dafür die Anzeige zurückzuziehen, wurde nicht eingegangen. Warum wohl? Weil es vermutlich zu keiner Zeit um die abgebildete Person ging. Deshalb wurde der Deal auch nicht von der betroffenen Person angenommen oder abgelehnt.
Wahrheitsgemäß erklärte die Polizeibeamtin, dass „die Sache“ den Kollegen zu wichtig sei, um den Strafantrag zurückzuziehen. Eine bemerkenswerte Kleinigkeit, dass es mehreren Kollegen der Polizeibeamtin zu wichtig war, das Ding durchzuziehen. Die Schlapphüte lassen grüßen.
Tja, nun wird es also schon wieder nichts mit dem „in die Pfanne hauen“. Langsam sollten es die übereifrigen Polizisten und Schlapphüte doch begreifen: Wir – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beobachter News – lassen uns nicht von derartigen Vorwürfen und Ermittlungsverfahren einschüchtern. Da müssten sich die Herrschaften schon ein wenig mehr Mühe geben. Ist ja fast schon beleidigend, diese Oberflächlichkeit. Wenn ich deren Chef wäre, dann würde ich die entlassen.
Einfach in Zukunft mehr Ernsthaftigkeit, meine Herrschaften! Aber unter uns gesagt, lasst es doch einfach sein, uns was anhängen zu wollen.
In diesem Sinne :
Man sieht sich… auf der Straße! 😉Euer
Ferry Ungar
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