Von Jens Volle und Andreas Scheffel – Karlsruhe. Der rassistische und islamophobe „Widerstand Karlsruhe“ demonstrierte am Dienstagabend, 28. Juli, erneut. Es beteiligten sich knapp 60 Menschen an der Demonstration. Über 300 AntifaschistInnen hielten mit Sprechchören und lauter Musik in Sicht- und Hörweite dagegen. Ein Dutzend UnterstützerInnen kamen aus Frankfurt, um sich dem Protest gegen Rechts anzuschließen.
Bei der Kundgebung der Rechten zeigte sich, dass sie auch nicht vor Lügen zurückschrecken. Ein Redner des „Widerstands Ost-West“ behauptete, dass die Landesfeuerwehrschule in Bruchsal nur eingeschränkt arbeiten könnte beziehungsweise geschlossen werden müsste, weil auf ihrem Areal ein Notfallcamp für Flüchtlinge eingerichtet wurde. Das stimmt jedoch in keiner Hinsicht. Unsere Recherchen ergaben, dass diese Aussage einfach nur eine Form der Hetze war.
Eine Nachfrage bei der Landesfeuerwehrschule ergab, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe tatsächlich auf ihrem Gelände am Sonntag, 26. Juli, ein Notlager für 200 Geflüchtete einrichten ließ, um die überbelegten Erstaufnahmestellen des Landes zu entlasten. Das war im Sommer 2014 schon einmal der Fall. Das Camp behindere jedoch keinesfalls die Abläufe an der Landesfeuerwehrschule, und sie werde auch nicht für diesen Zeitraum geschlossen. Der Sprecher der Schule erklärte weiter, dass lediglich der routinemäßige Urlaub anstehe.
Kundgebung erstmals am Hauptbahnhof
Erstmals seit dem Beginn der regelmäßigen Demonstrationen des Pegida-Ablegers „Karlsruher gegen die Islamisierung des Abendlandes“ verlagerte sich das Geschehen von der Innenstadt direkt an den Hauptbahnhof. Ursprünglich wollte der mittlerweile in „Widerstand Karlsruhe“ (WKA) umbenannte, aber nicht weniger rassistische, Zusammenschluss aus rechten, reaktionären, ausländerfeindlichen, aber auch schlicht verwirrten Menschen am Bahnhofsvorplatz demonstrieren. Dies untersagten die Behörden, und die OrganisatorInnen scheiterten auch mit einer Klage gegen diesen Beschluss. Also fand die Auftaktkundgebung ein paar hundert Meter entfernt in der Bahnhofsstraße statt.
Freie Bahn für Rechts
Wegen der Entfernung, aber vor allem Dank der über 300 GegendemonstrantInnen war vom WKA vom Bahnhof aus nichts zu sehen oder zu hören. Nur knapp 50 Meter entfernt von den Rechten stellten sich ihre GegnerInnen an der Polizeiabsperrung auf und übertönten die hetzerischen Reden mit Rufen, Pfiffen und lauter Musik. Schon lange, bevor die WKA-Kundgebung um 19.30 Uhr anfing, waren AntifaschistInnen vor Ort und hielten eine Gegenkundgebung am Bahnhofsvorplatz ab.
Dieser schloss sich auch eine Gruppe von zwölf FrankfurterInnen an, die zur Unterstützung nach Karlsruhe gekommen waren. Die Kundgebung ging allerdings nur wenige Minuten, da schon um 18 Uhr erste WKA-AnhängerInnen auftauchten, um zu ihrem zugewiesenen Platz zu gelangen. Die AntifaschistInnen versuchten sie daran zu hindern, indem sie ihren Weg mit aufgespannten Bannern versperrten. Das gelang allerdings zunächst nicht. Die Polizei sorgte mit Wegzerren und Abdrängen für eine freie Bahn für die Rechten.
AntifaschistInnen blockieren Rassisten
Als sich die Zahl der GegendemonstrantInnen auf über 300 vergrößert hatte, teilten sie sich auf und versuchten, in kleineren Gruppe den Weg von Rechten, die den Bahnhof verließen, zu versperren und die Zugangsstraßen zur WKA-Kundgebung zu blockieren. Für drei Rassisten war kein Durchkommen. Sie wurden von der Polizei wieder zurück zum Bahnhof eskortiert und verschwanden dort erst mal hinter einer Polizeikette in einer Art „rechtem Sammelbecken“.
Als dorthin weitere Rechte aus dem Bahnhof geleitet wurden, startete eine Prozession aus etwa 50 PolizistInnen in Kampfmontur und in deren Mitte etwa sieben Rassisten. Flankiert von mehreren Dutzend weiteren BeamtInnen bahnte sich der „Wanderkessel“ seinen Weg durch die GegendemonstrantInnen, die sich immer wieder in den Weg stellten oder setzten. Dabei wurden sie gewaltsam von der Polizei zur Seite geschlagen, gestoßen, gezerrt und gedrückt. Es kam dabei auch zum Schlagstockeinsatz.
Polizei behindert Pressarbeit
Auch kam es wieder zu Schikanen gegenüber Pressevertretern. So durfte ein Fotograf aus Frankfurt, der bereits innerhalb der Absperrung gewesen war, zu Beginn der WKA-Kundgebung nicht mehr durch. Die Begründung war, dass immer wieder Menschen von den Kundgebungen der Rechten Fotos machten und verkauften. Das provoziere. Der betroffene Pressefotograf aus Frankfurt ist ein Mann mit schwarzer Hautfarbe. Das kommt schon fast einem Verbot gleich, seinen Beruf auszuüben.
Zudem wurde am Rand der WKA-Kundgebung ein Fotograf der Beobachter News von Teilnehmern angepöbelt. Als er ihnen nicht sagte, für wen er fotografiere, wurde er bedrängt. Anstatt die Pöbler zurechtzuweisen, kontrollierte die Polizei den Presseausweis des Fotografen genau – und zwar so, dass die zwei, die ihn angegangen waren, genau auf den Ausweis schauen konnten. Sie hätten Name und Adresse mitlesen können, hätte sich der betroffene Fotograf nicht dazwischen gestellt. Als schließlich der herbeorderte Pressesprecher der Polizei kam, entspannte sich die Situation, und der Fotograf konnte seiner Arbeit wieder ungestört nachgehen.
Rassisten werden von Anwohnern demonstrativ ignoriert
Um halb neun begann der „Spaziergang“ des WKA. Was eigentlich im Pegida-Jargon Demonstrationszug bedeutet, war in diesem Fall tatsächlich nur ein Spaziergang. Er führte einmal um den Block durch menschenleere Straßen und dauerte exakt zehn Minuten. Außerhalb der abgesperrten Straßen war nichts davon mitzukriegen.
Auch stießen die Rechten in den Straßen, durch die der Aufzug ging, auf demonstratives Ignorieren. Anwohner hatten dazu aufgerufen, während der Kundgebung und der Demonstration die Fensterläden zu schließen. Fast alle Anwohner kamen diesem Aufruf nach. Die einzige Aufmerksamkeit, die den Rechten zuteil wurde, waren Spruchbänder und antirassischtische Parolen in einigen Fenstern. Nach einer kurzen Abschlusskundgebung wurde dann die Versammlung aufgelöst.
Unnötige Polizeiprovokation
Ein sehr großes Polizeiaufgebot teilte nun den Bahnhofsvorplatz in zwei Bereiche. Entlang einer langen Polizeikette begleiteten die AntifaschistInnen lautstark die Rechten, die auf der anderen Seite der Kette zum Bahnhof geleitet wurden. Eine andere kleinere Gruppe wurde ebenfalls von vielen PolizeibeamtInnen und ebenfalls begleitet von GegendemonstrantInnen zum nahe gelegenen Albtalbahnhof gebracht.
Als alle Rechten weg waren und die AntifaschistInnen wieder zum Bahnhof zurückkehrten, ließ es sich die Polizei nicht nehmen, unter hohem Risiko einer Eskalation einen Menschen aus den Reihen der AntifaschistInnen zu ziehen, um seine Personalien festzustellen und ihm einen Platzverweis zu erteilen. Die Begründung: nächtliche Ruhestörung, da er nach 22 Uhr Durchsagen durch sein Megaphon gemacht habe.
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