Bremen. Mindestens 800 Männer und Frauen haben am Samstag, 15. August, dem ersten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison, in Bremen „Gegen Nazis und Repression“ demonstriert. Sie solidarisierten sich mit Valentin S., der seit Juli in Untersuchungshaft sitzt, weil er einen rechten Hooligan verletzt haben soll. Die Demo verlief nach Polizeiangaben friedlich und ohne Zwischenfälle. Offenbar machten sich keine rechten Hooligans bemerkbar.
Die Demonstration begann am Vormittag Am Brill und führte durch die Bremer Innenstadt, durch das Ostertor und Steintorviertel bis in die Nähe des Weserstadions. Anlass der Demonstration waren zunehmende Angriffe von Nazi-Hools auf Fußballfans. Ein antifaschistischer Fußballfan, Valentin, sitzt seit Anfang Juli in der Justizvollzugsanstalt in Oslebshausen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm gefährliche Körperverletzung vor, weil er sich gegen einen Angriff von Hooligans gewehrt hat.
Auf der Demonstration wurden Redebeiträge der Antifaschistischen Gruppe Bremen (AGB), dem Revolutionären Aufbau Bremen – RAB , der Basisgruppe Antifaschismus (BA) Bremen und den antifaschistischen Ultragruppen Caillera und infamous youth vorgetragen. Ebenfalls verlesen wurde ein Grußwort aus München, verfasst vom UnterstützerInnenkreis des Antifaschisten Paul, der sich ebenfalls seit Monaten in Untersuchungshaft befindet.
Neonazis und Hooligans vernetzen sich
Das Amtsgericht Bremen hatte erst am Freitag den Haftbefehl gegen Valentin bestätigt – wofür sein Anwalt Horst Wesemann keinerlei Verständnis hat (siehe unten). Für die Freilassung Valentins setzen sich neben einem Internet-Blog auch Jusos und Grüne ein.
Nach einem Bericht des „Weser-Kurier“ kritisierte eine Sprecherin zum Auftakt der Demo die Bremer Innenbehörde. Sie ignoriere die Probleme, die rechte Hooligans im Weserstadion bereiteten: „Neonazis und Hooligans vernetzen sich, um Linke aus dem Stadion zu drängen“, wird die Sprecherin zitiert.
Polizei wehrt sich gegen Vorwürfe
Die Polizei nahm nach der Demonstration Stellung zu der Forderung, der Staat solle konsequent gegen politisch rechtsmotivierte Gewalt vorgehen. „Ein Wort zu diesen immer wieder pauschal vorgetragenen Vorwürfen, die Polizei würde einseitig die Ultras verfolgen oder sei auf dem rechten Auge blind: Wir verfolgen keine Ultras, sondern Straftaten und Ordnungswidrigkeiten“, heißt es in einer Mitteilung. Dazu benötigten die Sicherheitsbehörden jedoch Unterstützung. „Es nützt uns nichts, wenn wir feststellen, dass diejenigen, die sich äußern, gar nicht dabei gewesen sind oder sich nicht als Zeugen zur Verfügung stellen wollen“, wird Polizeipräsident Lutz Müller zitiert.
Nach einem Bericht der „tageszeitung“ soll der 21-jährige Valentin bei Auseinandersetzungen zwischen linken Ultras und rechten Hooligans während des Nordderbys am 19. April einen Hooligan verprügelt haben. Damals sei eine Gruppe Ultras von der Polizei vom Osterdeich in die Verdener Straße getrieben worden, wo vor der Kneipe „Verdener Eck“ mehrere rechte Hooligans standen. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen, bei denen Valentin zusammen mit acht weiteren Verdächtigen einen Hooligan angegriffen haben soll, den die Polizei allerdings nicht der rechten Szene zuordne.
***********************************************************************************************************
Wir zitieren die Begründung, mit der Valentins Verteidiger, Rechtsanwalt Horst Wesemann, Beschwerde gegen die Ablehnung einer Haftverschonung eingelegt hat, im Wortlaut:
Die Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss einer Haftverschonung begründet die Verteidigung wie folgt:
Eine Nacht drüber geschlafen, fallen mir doch erst jetzt die eigentlichen Dimensionen der Haftfortdauerentscheidung auf, insbesondere wenn ich dann heute lese („Raubserie im Bremer Süden – Haftbefehl erlassen“), dass ein des mehrfachen bewaffneten Raubes Verdächtiger, mit einschlägigen Vorbelastungen, vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont wurde. Möglicherweise hat dieser junge Mann ein günstigeres, rechtes, soziales Umfeld als Valentin.
Die Haftfortdauerentscheidung überzeugt nicht und stützt sich auf zwei Argumentationslinien:
1. Es lasse sich erkennen, so der Beschluss, dass die ihm vorgeworfenen Taten auf einer sehr bewussten Grundhaltung im Sinne einer politischen Motivation beruhen. Und weil er sich im Rahmen des Haftprüfungstermins eloquent ausdrücken könne und auch komplexeren Gedanken folgen könne, lassen die ihm vorgeworfenen Taten um-so planvoller und gefährlicher erscheinen, sodass nach dem relativ kurzen Haftauf-enthalt noch keine hinreichende Aussicht zu erkennen ist, er werde vermeintlich polti-sche Gegner nicht mehr mit Mitteln der körperlichen Gewalt bekämpfen. Hierüber mag auch sein sehr ordentliches und zuvorkommendes Verhalten im Haftprüfungstermin nicht hinwegtäuschen.
Valentin sei ein vernunftbegabtes Wesen – was von der Verteidigung dafür vorgetragen worden war, dafür dass er schon verstanden hat, für den Fall der Haftentlassung die „Füße still zu halten“. Das wendet sich nun gegen Valentin. Nunmehr wird festgestellt, dass Valentin nicht sinnlos irgendwelche Personen im volltrunkenen Zustand verprügelt haben soll, sondern gezielt Personen aus dem rechten Spektrum angegriffen habe. Das sei besonders verwerflich.
Wenn er aber gezielt und bewusst bestimmte Personen angegriffen hat, dann kann er genauso gut für sich entscheiden, zukünftig derartige Aktionen zu unterlassen. Eben weil er seinem Verstand folgen kann und nicht sinnlos irgendwen ohne Anlass verprügeln müsste.
2. Sein persönliches Umfeld sei bestimmt von der linken Szene, er habe keine anderen Freunde als Freunde aus dem linken Spektrum. Deshalb könne er gar nicht anders als mit diesen seine ihm unterstellten Aktivitäten fortzusetzen. Denn: Er müsse sich nicht nur von seinem persönlichen Verhalten, sondern auch von seinen politischen Umfeld distanzieren. Dazu sei er noch nicht vorbereitet und fähig und müsse erst trainiert werden.
Dazu bleibt doch festzuhalten, dass man sich seine Freunde in den Kreisen sucht, wo zumindest ähnliche auch politische Vorstellungen vorhanden sind. Welcher Antifaschist wird sich einen Freund suchen der dem faschistischen Gedankengut anhängt? Und selbstverständlich gibt es auch andere soziale Zusammenhänge, die nicht von der Politik bestimmt sind. Die familiären Verbindlichkeiten sind nicht die einzigen anderweitigen Kontakte.
Und selbst bei den Freunden aus dem linken Spektrum sind doch nicht nur Personen, die alles das für gut und richtig befinden, was Valentin jetzt vorgeworfen wird! Und sind es nicht vielleicht gerade diese Freunde aus dem linken Spektrum, die Valentin stärken werden, einen anderen Weg zu beschreiten: Seine Wohnung zu wechseln, ein Anti-Gewalt-Training zu absolvieren und eine Lehre zu beginnen? Diese Freunde werden doch kein Interesse daran haben, dass Valentin sein vermeintlich strafbares Tun fortsetzt, um ihn anschließend wieder in Untersuchungshaft zu sehen und um ihre Solidaritätsbekundungen erneut zu beflügeln!?
Was die Verteidigung hört ist genau das Gegenteil: Valentin wird in den jetzt in Aussicht genommenen Bestrebungen vorbehaltlos unterstützt. Er strebt einen Wohnsitzwechsel an und kann sofort ein Praktikum mit anschließender Ausbildung im KFZ-Gewerbe beginnen. Die Voraussetzungen sind gegeben.
Und sind nicht die Meldeauflagen geeignet, ihn gerade bei den entsprechenden Ver-anstaltungen von Werder Bremen von dem Ort und denjenigen Personen fernzuhal-ten, die in der Vergangenheit Hintergrund der ihm vorgeworfenen Aktivitäten gewesen sein sollen?
Die Krönung der Begründung ist dann allerdings, dass der erkennende Richter die Erwartung hegt, dass sich das aus politischen Motiven genährte Verhalten des Mandanten als psychiatrische Persönlichkeitsstörung offenbart mit der sich anschließenden psychiatrischen Begutchtung seiner Schuldfähigkeit. Daran werden sich der Mandant und die Verteidigung nicht beteiligen.
Es kommen dabei böse Erinnerungen aus der politischen Auseinandersetzung der 70er Jahre hoch: Den politischen Gegner psychiatrisieren, das linke Spektrum zerschlagen. Dafür sollte sich ein Gericht des 21. Jahrhunderts, erst recht ein Jugendgericht, zu schade sein.
Folge uns!